Tristesse statt Trubel: BP vergrault die Badegäste

Tristesse statt Trubel: BP vergrault die Badegäste
Menschen mit Müllsäcken statt Badegäste: Das prägt derzeit das Bild an den Stränden im Mississippi-Delta. Die Badesaison ist schon jetzt gelaufen. Es herrscht Frust und Wut.
01.06.2010
Von Frank Brandmaier

Eigentlich hätte Christopher Hernandez dieser Tage alle Hände voll zu tun. "Ich wäre mit meinem Team unterwegs und würde den Strand sauber halten", sagt der Einsatzleiter des Straßenamtes von Grand Isle, ganz im Süden Louisianas. "Denn der Strand wäre schwarz von Menschen." Wäre. Aber die Ölpest hat die Urlauber vergrault.

Hernandez füllt mit einem Kollegen in keine 20 Meter vom Meer ein Planschbecken per Feuerwehrschlauch - damit wenigstens seine Kinder schwimmen können. Vom Himmel brennt die Sonne tropisch. In dieser Woche fiel der Startschuss zur Sommersaison in den USA, in den Touristenzentren sollen endlich die Kassen klingeln. In Grand Isle herrscht stattdessen graue Tristesse statt munterer Trubel.

"BP + Obama haben uns ums Geschäft gebracht"

Die meisten Strandhäuser sind verrammelt und düster. Wie um zu unterstreichen, dass hier besser niemand ins Wasser geht, beginnen Soldaten an diesem Morgen, verpackte, orangene Ölbarrieren am Strand abzuladen. "Normalerweise wäre hier jetzt alles voll", sagt Chassa Santiny, Bedienung im Restaurant "Starfish" in der Nähe des Strandes, das an diesem Mittag vielleicht zu einem Viertel besetzt ist. "Viele Leute haben ihre Zimmerbuchungen storniert. Viel können wir da nicht machen, als auf das beste zu hoffen, dass vielleicht später im Sommer Geld in die Kasse kommt", meint die junge Frau.

Mary Rowe und ihre drei Freundinnen sind unter den Gästen im "Starfish". Leute wie die vier wünscht sich derzeit jeder in Grand Isle. "Wir sind einfach hergekommen, um ein bisschen Geld dazulassen", sagt die Frau aus der zwei Autostunden entfernten New Orleans. Ein Ladenbesitzer hat seinem Ärger auf einem Schild am Straßenrand Luft gemacht: "BP + Obama haben uns ums Geschäft gebracht", steht darauf.

Obama fleht um Touristen

US-Präsident Barack Obama hatte seine seine Landsleute beinahe angefleht, doch in die Badeorte am Golf von Mexiko zu fahren. Nur einige wenige Strände seien wie in Grand Isle gesperrt. Die Urlaubsindustrie von Louisiana bis nach Florida zittert vor dem Öl.

Wer kann, macht wie Pensacola im Westen Floridas per Werbekampagne klar, dass seine Küste sauber ist. Alleine die an der Küste populäre Sportfischerei pumpe Milliarden von Dollar in die regionale Wirtschaft, Louisiana bekomme davon 757 Millionen ab, weiß Larry McKinney, Chef des Harte-Forschungsinstituts für Studien über den Golf von Mexiko. Mehr als 7.700 Jobs hingen daran.

Eine Umfrage der Zeitung "Times-Picayune" aus New Orleans in wichtigen Ferienzentren entlang der Golfküste zeigte, dass viele zum vergangenen langen Memorial-Day-Wochenende kurz entschlossen und angelockt von Schnäppchenpreisen doch buchten und sich befürchtete Einbußen in Grenzen hielten. Jedoch: "Für die sonst vollen Monate Juni, Juli und August warten die Besucher noch mit Buchungen - und grübeln, ob sie bestehende Reservierungen kippen sollen", schreibt das Blatt. Nun wohl umso mehr, da es nun doch August zu werden scheint, bis das unaufhörlich sprudelnde Öl gestoppt ist.

Saison schon jetzt gelaufen

Für Grand Isle ist die Saison gelaufen. Ganz allein sitzt Louanna Guidry am Strand, schaut auf die Wellen. Niemand ist da, der sie stören könnte. Praktisch jeden Sommer seit ihrer Kindheit habe sie hier am Strand verbracht, berichtet die Lehrerin, die bald in Pension gehen will. Früher hätten sie Krebse gefangen und gleich am Strand in Meerwasser gekocht. "Jetzt ist es hier wie in einem Kriegsgebiet, mit all den Hubschraubern in der Luft." Traurig sei sie. "Werden sie jemals in der Lage sein, diese Ölquelle zu stopfen, bevor alles ruiniert ist?", fragt sie. Als die Operation "Top Kill" am Wochenende scheiterte, "war es für alle wie ein Begräbnis".

Dabei sieht es in Grand Isle noch nicht einmal so schlimm aus wie in Fourchon Beach, einen halbe Autostunde weiter westlich, wo der Strand seit Wochen gesperrt ist. An der Zufahrtsstraße hält Polizei Neugierige fern. Weit über 300 vom Ölkonzern BP bezahlte Helfer in weißen Overalls säubern dort den Strand, rund 14.000 Klarsichtbeutel füllten sie seit Mitte Mai mit verschmutztem Sand, berichtet Patrick Hanley, Leutnant bei der US-Küstenwache. An einem kleinen Schutzwall aus Beton am Ufer klebt noch dick das klebrige Öl, das vor allem um den 19. Mai herum an diesem Küstenabschnitt schwappte.

In jüngster Zeit sei aber kein neues Öl angelandet, weiß Brennan Matherne, Sprecher des Bezirks Lafourche. Wann der Strand, den vor allem Einheimische besuchen, wieder freigegeben wird? "Wir haben da keine Frist", meint er vage. "Wir erwarten aber, dass wir für eine lange Zeit hier sein werden", fügt Matherne düster hinzu.

BP setzt auf neuen Anlauf gegen die Ölpest

Der britische BP-Konzern setzt auf einen neuen Anlauf, die Ölpest vor der US-Küste einzudämmen. Dabei wollen Experten mit Hilfe von Robotern in 1.500 Meter Tiefe das defekte Steigrohr absägen und einen Auffangbehälter über die Öffnung platzieren.

Danach soll dort ein Ventil angebracht und das sprudelnde Öl zumindest teilweise an die Oberfläche abgeleitet werden. Wie der TV-Sender CNN berichtete, will BP damit frühestens am Mittwoch beginnen. Die Operation ist aber nicht ohne Risiko. So könnte nach dem Absägen zunächst mehr Öl als zuvor ins Meer strömen. Es heißt, zeitweise drohten 20 Prozent mehr Öl auszufließen.

US-Präsident Barack Obama will an diesem Dienstag mit den Mitgliedern seiner erst jüngst ins Leben gerufen Untersuchungskommission beraten. Es geht darum, wie eine Wiederholung des Desasters zu verhindern ist. Obama gerät unter Druck, Kritiker werfen ihm vor, er habe die Krise zunächst unterschätzt und handele nicht entschlossen genug. Auch wird in den betroffenen Küstenregionen am Golf von Mexiko der Ruf nach mehr staatlichen Hilfen laut.

Die schlimmste Ölpest der US-Geschichte war am 20. April durch die Explosion der Bohrinsel "Deepwater Horizon" ausgelöst worden. Selbst sechs Wochen danach gibt es über das Ausmaß der Katastrophe lediglich Schätzungen. Sorge bereitet auch, dass an diesem Dienstag die Hurrikansaison beginnt. Die US-Wetterbehörde rechnet mit mehreren schweren Stürmen, die die Katastrophe verschärfen könnte.
 

dpa