Früher war alles auch nicht besser

Früher war alles auch nicht besser
Der Journalismus erfindet sich neu: Plötzlich wollen alle nur noch richtige Informationen. Am sichersten ist da natürlich, wenn alles das Gleiche schreiben. Die New York Times geht ganz neue Wege. Sie will vor allem an ihren Kunden Geld verdienen.

Vor einem knappen Monat schrieb Ulrike Simon in ihrer Medienkolumne darüber, dass die ARD plant, eine so genannte „Anti-Fake-News-Einheit“ einzurichten. „Eine was?“, dachte man sich und las den Satz noch ein weiteres Mal. Aber das Wort stand da wirklich. Und als man sich drei Wochen später von ihm erholt hatte, berichtete Meedia, dass der Bayerische Rundfunk nun auch so eine Abteilung zusammenstellt. Allerdings nicht einfach nur eine so genannte „Fake-News-Einheit“, sondern das so genannte „BR-Verifikation“-Team. 

Die Information wurde irgendwie auch dem ZDF zugespielt, musste da aber natürlich erst einmal überprüft werden. Das übernimmt in Mainz die so genannte „ZDF-Redaktion“, eine Gruppe von journalistisch ausgebildeten Mitarbeiterin, die man sich ein bisschen wie eine „Anti-Fake-News-Einheit“ vorstellen muss, die aber leider ohne Internet arbeitet. Das wäre so eine Vermutung, die ich selbst in Ermanglung einer eigenen Anti-Fake-News-Einheit (mein Sohn ist in der Schule) nicht überprüft habe, die aber erklären würde, warum ZDF-Chefredakteur Peter Frey nun ankündigt, das ZDF werde ebenfalls ein Faktencheck-Projekt starten, und zwar ein „crossmediales“.

"Damit sich die Wähler fair entscheiden können, müssen sie wissen, welche Information richtig ist und welche falsch", 

lässt das ZDF seinen Chefredakteur Peter Frey in einer Pressemitteilung sagen. Aber ist das überhaupt eine Pressemitteilung wert? Ist das nicht eigentlich selbstverständlich? 

Oder mal so gefragt: Welchen Eindruck hätten Sie, wenn Sie vom Hersteller Ihres Autos erfahren würden, dass man dort nun vor der Auslieferung mit einem eigens dafür abgestellten Team die Bremsen kontrolliert (#BrakeCheck17)? In einem Brief schriebe der Geschäftsführer: 

„Damit unsere Kunden sicher ans Ziel kommen, müssen sie ihren Wagen auch anhalten können.“ 

Man würde sein Auto sicher noch mal mit ganz anderen Augen sehen. Fairerweise muss man allerdings auch noch den zweiten Teil der ZDF-Mitteilung zitieren. 

"'Das Überprüfen von Informationen gehört seit jeher zum Kerngeschäft der ZDF-Redaktionen. Ich freue mich, dass wir in diesem Jahr mit dem #ZDFcheck17 an unsere erfolgreichen Faktencheck-Formate vor Wahlen anknüpfen können.' Bereits vor der Bundestagswahl 2013 und der Europawahl 2014 hatte das ZDF Faktencheck-Projekte aufgesetzt."

Das klingt schon ein bisschen anders. Wenn ich also zusammenfassen darf: Vor den Wahlen kann man die öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme bedenkenlos einschalten. Dann werden dort sogar die Informationen überprüft.

Was ich mich die ganze Zeit frage: Wenn nun alle Medien nach und nach auf diesen Zug aufspringen und auch der Stern, die Bild, die Süddeutsche und die Zeit eigene Faktencheck-Einheiten aufbauen, wird man wahrscheinlich irgendwann wissen wollen: Warum kümmert den Spiegel das alles nicht? Sind denen denn ihre Informationen wirklich so herzlich egal?

Und dann wird herauskommen: Der Spiegel hatte schon eine eigene Faktencheck-Einheit, als die anderen noch nicht mal Internet hatten. Nur in Hamburg nennen sie das anders. Da heißt das ganz bescheiden: Dokumentation

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Eine schönes erstes Projekt für die ZDF-Faktenchecker wäre doch mal: Alte Stoßseufzer-Weisheiten verifzieren. Ich könnte mir gut vorstellen, dass dabei herauskommt: Früher war doch gar nicht alles besser. Und danach würden die alten Leute sich mit ihren schweren Einkaufstaschen an den Bushaltestellen stehend gegenseitig die von den Öffentlich-Rechtlichen korrigierten Redensarten zuraunen: „Ach ja, früher war doch vieles auch nicht besser also heute - oder mindestens genauso gut.“ 

An einigen Bushaltestellen müsste man sich vielleicht sogar zugestehen: "Früher war vieles schlechter." Und manchmal kann man es nicht mal eindeutig sagen. Das Moderatoren-Duo Joko und Klaas zum Beispiel - auf den ersten Blick das große Thema auf allen Medienseiten und Mediendiensten - machen Schluss mit ihrer Sendung Circus Halligalli, was Klaas Heufer-Umlauf so erklärt

"Joko ist mir über die Jahre sehr ans Herz gewachsen und das steht unserem Konzept natürlich im Weg. Es ist ein bisschen wie in einer langen Ehe. Um in Zukunft gemeinsam Fernsehen zu machen, tut es uns ganz gut, wenn wir uns künftig unregelmäßiger sehen.“

Für die beiden natürlich eine schöne Entwicklung. Es wird sicher auch Zuschauer geben, die das Gegenteil sagen. Allerdings soll es die anderen Shows der beiden auch weiterhin geben. Und das bedeutet wiederum: Es ist alles halb so schlimm - wobei man sicher auch Zuschauer findet, die anderer Meinung sind. 

Bei einer anderen Entwicklung dürfte das schwerer werden. Und das macht eine Meldung wie diese besonders deutlich. Das, was immer so schön als „Medienvielfalt“ bezeichnet wird, wenn mal wieder eine Redaktion geschlossen wird, könnte man in Zeiten, in denen gerade keine Redaktion ihre Arbeit einstellt, auch einfach Markenvielfalt nennen. 

Ich weiß, Sie haben wenig Verständnis für mein Gejammer, aber sehen Sie meine Situation als Medienjournalist. Ich muss all diese Artikel über das nahende Ende von Circus Halligalli lesen. Dutzende Redakteure mit dem Schwerpunkt Content paraphrasieren die immer gleiche Pressemeldung. Und ich falle jedes Mal wieder drauf rein. 

Aus meiner Sicht wäre es natürlich eine schöne Entwicklung, wenn die Content-Anbieter einfach Agentur-Meldungen abonnieren würden. Die Warnung „dpa“ würde verhindern, dass ich den gleichen Text zwölf Mal lesen muss. Und die Klickzahl-Manufakturen könnten ihre Redaktionen als Konferenz-Räume vermieten. Auch da gibt es sicher einige, die von der Idee nicht ganz so begeistert wären. Ich befand mich selbst schon in so einer Situation. 

Aber um vielleicht mal deutlich zu machen, wie es auch anders ginge, hier zwei Passagen aus dem Text, den Hans Hoff für die Süddeutsche über das Thema geschrieben hat. 

Zu einem der möglichen Gründe für das Ende der Sendung:

"Was erst einmal klingt wie ein schwerer Schlag für Pro Sieben, entpuppt sich auf den zweiten Blick als kühle Kalkulation. Das Konzept Joko & Klaas soll nicht länger durch ein wöchentliches Erscheinen inflationiert werden, man will ganz offensichtlich die Marke durch eine Herabsetzung der Sendefrequenz rar machen."

Und zu einer anderen Motivation des Senders: 

"Zudem wirkten in jüngster Zeit manche der Frotzeleien, mit denen die beiden einander bedachten, sehr bemüht und nur noch gedeckt durch das Anliegen, die Jackass-Gelüste Pubertierender zu befriedigen. Einem Sender wie Pro Sieben aber reichen rotzige Jungs in der Akne-Phase dauerhaft nicht als Publikum, da will man breiter aufgestellt sein und auch jene erreichen, die bei Abitur an mehr denken als an den nächsten Trip nach Lloret de Mar."

Die letzte Staffel beginnt übrigens heute Abend um 22.15 Uhr bei Pro7.

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Wo waren wir gerade? Genau. Früher. 

Frank Hauke-Steller hat für Kress hat mit dem ARD-Reporter Stephan Stuchlik über die alte Zeit gesprochen, unter anderem über eine Situation vor 14 Jahren, als Stuchlik die ungeheure Dreistigkeit besaß, Helmut Kohl eine kritische Frage zur Spendenaffäre zu stellen, das auch noch in Jeans-Jacke - und den Kohl dann dafür, wie sich das gehört, vor versammelter Mannschaft runterputzte.

„Ich dachte, er lässt mich wortlos stehen und das war's. Dann aber war er einfach empört, dass er mit seiner Lebensleistung von einem Journalisten kritisch befragt wird. Er hielt mir einen Vortrag über die Niedertracht des Journalismus und insbesondere über ‚Panorama‘. Allein die Tatsache, dass dort jemand am Wegesrand steht und ihn kritisch anspricht, empfand er als Beleidigung.“

Kommt einem irgendwie bekannt vor, wenn man in den letzten Wochen ab und zu mal die Nachrichten geschaut hat. Frank Hauke-Keller fragt dann auch gleich am Anfang: „Wieviel Trump steckte in Kohl?“ 

Und während der Themenwoche „Ehrliche Überschriften“ hätte man Artikel vielleicht mit der Antwort betitelt: 

„Da muss ich Sie enttäuschen. In Kohl steckt, wenn überhaupt, nur sehr wenig Trump.“

So aber steht dort die natürlich viel interessanter klingende Frage: „Wie viel Trump steckt in Kohl?“ 

Und das ist jetzt nur eine Nebensächlichkeit. Aber müsste es nicht schon aufgrund des Altersverhältnisses eher umgekehrt heißen: Wie viel Kohl steckt in Trump? Was man schon relativ sicher sagen könnte: Mit 50.000 Euro in einem schwarzen Koffer wäre momentan in Washington wahrscheinlich noch nicht die Grenze erreicht, die eine kleine Aufmerksamkeit von einer Bestechungszahlung unterscheidet. 

Sehr interessant jedenfalls noch die Antwort zu der Entwicklung, dass heute kaum noch ein Politiker den Mut hat, sich live vor die Kamera zu stellen, wenn es um Vorwürfe welcher Art auch immer geht? Eine kleine Gruppe gebe es da nämlich schon, sagt Stuchlik. 

„Das sind vorwiegend CSU-Politiker. Mit Peter Gauweiler habe ich so etwas erlebt. Der wusste vorher genau, dass er in die Tonne getreten werden soll, wie er sich selbst ausdrückte. Dieser Mann stellte sich, regelmäßig. Und bei meinen Recherchen zu der Affäre um den Missbrauch von Abgeordneten-Geldern in Bayern für private Dinge war ich wirklich zutiefst beeindruckt. Jeder CSU-Abgeordnete, den ich angefragt hatte, war zu einem Interview bereit. Wenn ich am Telefon etwa sagte, wir wissen, Sie haben sich von Fraktionsgeldern einen Sportwagen gekauft, dann sagte derjenige: Ja, das stimmt, kommen Sie vorbei. Aber das hat sicher auch mit der Mia-san-mia-Mentalität zu tun. Die CSU-Politiker wissen, dass es bei ihrer Klientel gut ankommt, wenn sie sich einem linken Magazin stellen. Was wir als Vergehen sehen, wird dort manchmal anerkennend kommentiert: ‚Ein Hund ist der schon!’“

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Was wir im Zusammenhang mit dem Vergleich von Gestern und Heute auch unbedingt noch erwähnen müssen, ist die neue Strategie der New York Times, die Gabriel Snyder in der amerikanischen Ausgabe der Wired beschreibt.

"The main goal isn’t simply to maximize revenue from advertising—the strategy that keeps the lights on and the content free at upstarts like the Huffington Post, BuzzFeed, and Vox. It’s to transform the Times’ digital subscriptions into the main engine of a billion-dollar business, one that could pay to put reporters on the ground in 174 countries even if (OK, when) the printing presses stop forever. To hit that mark, the Times is embarking on an ambitious plan inspired by the strategies of Netflix, Spotify, and HBO: invest heavily in a core offering (which, for the Times, is journalism) while continuously adding new online services and features (from personalized fitness advice and interactive newsbots to virtual reality films) so that a subscription becomes indispensable to the lives of its existing subscribers and more attractive to future ones." 

Für jeden Firmenchef aus einer anderen Branche muss das vollkommen wahnsinnig klingen. Die New York Times setzt in Zukunft vor allem auf Kunden, die bereit sind, für das Produkt zu zahlen, das die New York Times herstellt. Wer würde auf so was kommen? Wir können nur hoffen, dass jetzt nicht auch noch andere Unternehmen auf die Idee kommen, dieses Modell zu übernehmen. Dann müssen wir demnächst im Supermarkt womöglich jedes einzelne Produkt bezahlen, das wir gerne nach Hause nehmen möchten. Und wo soll das hinführen?

Noch etwas beunruhigender ist eigentlich nur, dass die Zitate von Dean Baquet, dem Chefredakteur der New York Times, denen des amerikanischen Präsidenten immer ähnlicher werden. 

"‚We think that there are many, many, many, many people—millions of people all around the world—who want what The New York Times offers,’ says Dean Baquet, the Times’ executive editor. 'And we believe that if we get those people, they will pay, and they will pay greatly.’“

Aber gut, das ist vielleicht auch nur mein ganz subjektiver Eindruck. 


Altpapierkorb

+++ Andrea Diener schreibt auf der FAZ-Medienseite über die offenbar recht missratene Wanderhuren-Variation „Die Ketzerbraut“, die heute Abend um 20.15 Uhr auf Sat1 zu sehen ist. Die Kritik ist so witzig, dass ich sie trotz all der anderen Texte, die hier noch herumliegen, ein zweites Mal gelesen habe. Titel: „Wann ist das Mittelalter endlich vorbei?“ (Blendle, kostenpflichtig, aber jeden Cent wert) Andrea Diener findet jede Menge Fehler, die mir selbst gar nicht aufgefallen wären („(…), dass sie gut hundert Jahre vor Resteuropa ihr Fleisch mit der Gabel isst“) Andrea Dieners Urteil: „Nein, man lernt trotz Anwesenheit von Martin Luther himself (Adrian Topol) nichts über die Reformation und nichts über die Zeit des späten Mittelalters, nichts über Leben, nichts über Sitten, nichts über den Glauben. Und das im Reformationsjahr!“ Karoline Meta Beisel findet’s auf der SZ-Medienseite nicht ganz so schlimm. 

+++ Der Medien-Anwalt Jan Fröhlich attestiert dem Urteil im Fall Böhmermann einige Versäumnisse. Das Gericht habe den „kunstspezifischen Charakter“ des Werks nicht herausgearbeitet, „welches mit der Fiktionalität arbeitet“, schreibt er bei Kress. Und so etwas passiere nicht zum ersten Mal. „Dieses Problem reicht in der deutschen Justiz aber hoch bis zum Bundesverfassungsgericht, welches schon anlässlich des Verbotes des Romans ‚Mephisto‘ von Klaus Mann und "Esra" von Maxim Biller nicht Willens war, die Fiktionalität von Kunstwerken anzuerkennen. Auch in diesen Fällen wurden fiktive negative Attribute als "real" unterstellt, obwohl diese Beurteilung nur auf den Vermutungen eines Teils der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichtes beruhte. Nur in dieser Fiktion kann jedoch durch das - fiktionale - Überschreiten der Grenzen die Grenze selber deutlich werden. Es handelt sich also nicht um eine - wie der Kommentar auf meine Facebook-Seite meint - nur vorgeblich in eine Kunstwerk gehüllte Beleidigung, sondern um eine bewusst inszenierte Fiktion.“

+++ Die Bild am Sonntag erklärt eine Falschmeldung mit einem Fehler des NDR. Das klingt erst mal recht merkwürdig. Aber der NDR bestätigt Meedia tatsächlich: Eine NDR-Mitarbeiterin war „nicht ganz bei der Sache“, als sie der Zeitung die Auskunft gab. 

+++ Die britische Regierung weist laut einem Bericht im Guardian die Befürchtung zurück, dass ein geplantes Gesetz (Altpapier vom Montag) den investigativen Journalismus einschränken soll. Markus Reuter hat bei Netzpolitik.org Stimmen all derer zusammengetragen, die anderer Meinung sind. Zum Beispiel die von Jodie Ginsberg, Vorsitzende von Index on Censorship die dem Telegraph gesagt hat: "Die vorgeschlagenen Änderungen sind erschreckend. Sie haben keinen Platz in einer Demokratie, die darauf aufbaut, dass es Mechanismen gibt, welche die Mächtigen zur Rechenschaft ziehen.“ Shami Chakrabarti schreibt ebenfalls im Guardian: „According to the proposals, these sentences would apply to any leaker, whether or not they were a British citizen or operating within the UK. More alarmingly still, the commission says there should be no statutory public interest defence for anyone accused of the offences. Threatened by such grave consequences and offered little-to-no legal protection, it is surely more than we can ask of any journalist or genuine whistleblower to come forward in order to protect the public interest. (…) There is no question that protecting national security is important, but public interest journalism and individual ethics have their place in democracy alongside security and the law.“

+++ Nach dem Pressefoto des Jahres muss man etwas suchen. Viele Zeitungen haben sich dazu entschieden, das Bild nicht abzudrucken. Die FAZ schreibt auf auf ihrer Medienseite (Blendle, kostenpflichtig), das Bild „dient der Inszenierung eines Mörders“ - und begründet wie folgt: „Hier steht einer vor der Kamera, um zu posieren. Altintas gibt nicht nur ein Bild des Hasses ab, sondern ein Bild des Triumphes. Genau so, wie Ozbilici ihn zeigt, davon muss man ausgehen, wollte der Mörder sich inszenieren, als Bildikone des Dschihadismus vor den Bildern einer Ausstellung. Der Fotograf hat ihm den Gefallen getan, ihm diesen Wunsch nach Selbstdarstellung in der Tradition der Enthauptungs-Videos des IS zu erfüllen. Kein Mensch kann verhindern, dass das Bild propagandistisch ausgeschlachtet wird, es ist in der Welt, wie überhaupt alles visuell in der Welt ist, was von Milliarden Handykameras erfasst werden kann. Aber ein Beispiel für hervorragende Pressefotografie gibt Ozbilici nicht. Sein Bild bezieht alle Wucht aus der Triumphgeste eines Mörders, die es verewigt. Und macht uns zu Gaffern, die mit Angstlust auf dessen Inszenierung starren. Ozbilici hat dem Attentäter ein Denkmal gesetzt.“ Auch die Hannoversche Allgemeine und die Süddeutsche Zeitung zeigen das Bild nicht.  

+++ Viele Unternehmen wollen nicht mehr auf zweifelhaften Seiten wie Breitbart News werben. Meike Laaf schreibt in der taz über Firmen, die eine klare Position einnehmen, andere die das vermeiden wollen - und die Frage, ob das überhaupt noch möglich ist. Gerald Hensel, der die Diskussion in Deutschland anstupsen wollte und eine Lawine lostrat, was hier im Altpapier schon öfter Thema war (zuletzt am 24. Januar), wird im Text mit dem Satz zitiert: „Man kann als Unternehmen heute nicht mehr unpolitisch sein.“  

+++ Ein anderes Thema, das auch so langsam in Deutschland ankommt: soziale Medien in der Politik. Natürlich gibt es noch immer Politiker, die verhältnismäßig neue Dinge für „unseriös“ halten, bis sie in großen Teilen der Bevölkerung selbstverständlich werden und sich die Gelegenheit eröffnet, andere Dinge für unseriös zu halten. Und dann freundet man sich auch mit dem neumodischen Kram von gestern an. Die SZ berichtet über deutsche Lokalpolitiker, die sich mit Facebook und Twitter vertraut machen: Für einen erfolgreichen Auftritt rät die IT-Frau ihren Kunden, sich genau zu überlegen, wo sie die Grenze zwischen Privatem und Mandat ziehen wollen. Das sei eine Gratwanderung, es schaffe aber Vertrauen beim Wähler, ab und zu auch Einblick ins Leben jenseits der Politik zu geben - also ruhig auch mal ein Urlaubsfoto einzustellen. Ihr wichtigster Rat: "Bei jedem Post authentisch sein. Das ist genauso wie ein Auftritt im Wirtshaus.“ Man liest, und man möchte gerne dazwischenrufen: „Nein, genau das bitte nicht!“ Aber es ist ja nur die ein Zeitungsartikel, und man kann nichts dagegen tun, dass die Politikern möglicherweise gerade aufgeschrieben hat: „IT-Frau rät zu Stammtisch-Parolen bei Facebook und Twitter.

Neues Altpapier gibt's am Mittwoch.

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