Nicht die Sorte Gesellschaft

Nicht die Sorte Gesellschaft
ProSiebenSat1AxelSpringer startet einen zweiten Anlauf, der wahlweise am Kartellrecht oder zu großen Egos scheitern könnte. Yanis Varoufakis reitet als Sieger des Lord-Voldemort-Ähnlichkeitswettbewerbs in den Sonnenuntergang. Die taz ist fein raus. Professioneller Im-Rundfunkrat-Herumsitzer müsste man sein. Der Nico Hofmann mal wieder.

Die Meldung des Tages ging gestern Abend online: Das Unternehmen, das zuletzt 80 Prozent am Vergleichsportal Verivox übernahm, möchte mit dem Teilhaber von Stepstone und Immonet fusionieren.

German Media Giants in Merger Talks“,

meint das Wall Steet Journal, das die Nachricht dank „people familiar with the matter“ als Erstes auf den Markt werfen konnte.

Das entspräche einem „Erdbeben“, finden DWDL und das Handelsblatt; bei Meedia hat man sich für „Paukenschlag“ entschieden; Turi2 enttäuscht mit einem lahmen „Sie turteln wieder“; ansonsten begnügt man sich um diese Uhrzeit noch mit neutralem Agenturmeldungsmischmasch (zum Beispiel faz.net, Zeit Online, Spiegel Online). Bis zum morgigen Altpapier werden sich die Meinungshaber dort aber sicher warmgelaufen haben.

14,4 Milliarden Euro Marktwert haben ProSiebenSat1 und Axel Springer gemeinsam, wobei anders als beim ersten Anlauf diesmal Ersterer die Vorreiterrolle einnähme – falls die Fusion denn kommt:

„Negotiations remain at an early stage yet and could still break down, these people said. A deal would face several issues, including regulatory scrutiny. A tie-up could let the companies jointly tackle the challenge of new digital rivals. Still, industry bankers and lawyers said the deal would face antitrust hurdles“,

schreibt das Wall Street Journal. Meedias Georg Altrogge, der gestern noch bis 0.44 Uhr am Rechner saß, sieht hingegen ganz andere Probleme:

„Angesichts aller möglichen Szenarien erscheint es daher die wahrscheinlichste Variante zu sein, dass es nicht zu einer Fusion kommt. Axel Springer ist nicht die Sorte Gesellschaft, die in einer Fusion aufgeht und dabei große Teile ihrer unternehmerischen Unabhängigkeit aufgibt. ProSiebenSat.1 dagegen hat ein kampferprobtes und streitlustiges Management, das keinem Zwist um die Vorherrschaft aus dem Wege geht. Es fällt schwer zu glauben, dass Döpfner und Ebeling so weit harmonieren, dass sie beide eine gemeinsame Agenda vorantreiben. Funktionieren würde das nur, wenn einer von beiden anderweitige Pläne hätte.“

Für den Fall, dass die beiden Konzerne dennoch zusammenfinden, hat Alexander Svensson schon mal die Visitenkarte designt:

„Guten Tag, ich komme von der Mediengruppe ProSiebenSat1Kabel1N24BildWeltTransfermarkt.“ (Quelle: Twitter)

Wer die Aneinanderreihung von Namen lieber in etwas bedrohlicher haben möchte, schaut bei kress.de:

„Würde der Zusammenschluss gelingen, kämen zukünftig ,Bild’ (Chefredakteur: Kai Diekmann), ,Welt’ und ,N24’ (Chefredakteur: Jan-Eric Peters), ProSieben (Geschäftsführer: Wolfgang Link), SAT1 (Geschäftsführer: Nicolas Paalzow), Kabel1 (Geschäftsführerin: Katja Hofem) oder sixx (Geschäftsführerin: Eun-Kyung Park) aus einem Haus.“

[+++] So übersichtlich aufgereiht hätte man die Lage in Griechenland derzeit auch gerne mal präsentiert. Stattdessen Chaos aller Orten.

„Wer sagt, dass bei den Griechen nichts funktioniert? Binnen kürzester Zeit wird ein Referendum angesetzt, und kaum zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale steht fest, dass die Griechen ,nein’ gesagt haben. Wozu genau, weiß allerdings niemand. Ein überzogenes Spardiktat hätten sie abgelehnt, sagt Alexis Tsipras, und Europa gezeigt, was wahre Demokratie bedeutet. Sie haben sich aus der europäischen Solidarität verabschiedet, sagt der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Sie haben dem Euro den Rücken gekehrt, heißt es aus Brüssel, nun werde man ,den Stecker ziehen’. Gefeiert wird in Athen trotzdem“,

beschreibt Michael Hanfeld in der FAZ den Fernsehtag nach dem Referendum.

Um nur ein weiteres Beispiel zu nennen, wie unterschiedlich die Ereignisse der letzten Tage medial bewertet und präsentiert werden, lohnt sich ein Blick auf die Seite 3 der heutigen SZ. Unter einem Foto, mit dem ihm ein guter Platz im Lord-Voldemort-Ähnlichkeitswettbewerb sicher sein dürfte, wird dort Yanis Voroufakis porträtiert. Überschrift: „Wie war ich“; zweiter Absatz:

„Als sei der Grieche Yanis Varoufakis jederzeit bereit, seine schwere Yamaha XJR 1300 – eine 90er-Stilikone des japanischen Motorradherstellers –zu besteigen und abzudüsen in eine Welt, die größer, cooler und auch etwas schicker ist als das kleine, frustrierte Griechenland.“

Hingegen dieser Kommentar im Guardian:

„He is a man who walks like he talks, and that talk is open. This is so unlike the secretive deals usually made in airless rooms in Brussels. Here is a politician acting on his beliefs. He will be remembered not for his style, but for his substance.“

Überschrift: „As Yanis Varoufakis revs off into the sunset, it’s his substance I’ll remember“.

Das ist die großartige Meinungsfreiheit, sagen die Einen. Das sind die zwei Seiten des Kampagnenjournalismus, sagen die Anderen. Das Problem ist, dass sich die Anzeichen verdichten, dass auch die Medien längst den Überblick verloren haben und das mit allzu krassem Schwarz-Weiß-Denken zu überdecken versuchen (ein aktuelles Beispiel aus der „heute“-Sendung findet sich auch im Blog von Stefan Niggemeier). Immerhin, um es zynisch zu nehmen, sind wir nicht die einzigen, deren Medien nicht wirklich neutral erscheinen, wie Margarita Tsomou bei Zeit Online beschreibt:

„Die Parteilichkeit der griechischen Mainstreammedien ist bereits seit Beginn der Krise ein Thema in Griechenland. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die meisten Medien Konglomerate von Unternehmern sind, die gleichzeitig Fußballmannschaften, Baukonzerne und Reedereien unterhalten und somit ihre ganz eigenen Ziele verfolgen. Das Nein der Bevölkerung trotzt der Berichterstattung und zeigt die Entfremdung zwischen den griechischen Bürgern und den Medienmogulen. PressProject brachte das auf den Punkt: ,Das Oxi ist auch ein Oxi an die Massenmedien.’ Um den Puls der Bevölkerung aufzufangen, sollte man die sozialen Medien und Blogs lesen.“

[+++] Nein, eine Überleitung zusammengebastelt aus den Faktoren Geld und intransparente Strukturen wird es an dieser Stelle nicht geben. Dafür die kurze Einleitung, dass gegen DuMont wegen der Beschäftigung von Pauschalisten als Scheinselbständige ermittelt wird. In der taz erklärt Anja Krüger nun, dass andere Verlage das ähnlich handhaben.

„Das System funktioniert, weil es die Künstlersozialkasse (KSK) einspringt. Sie übernimmt für freischaffende Künstler und Publizisten den Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungsbeiträge. Für die Betroffenen selbst besteht also zunächst kein finanzieller Nachteil. Das ist einer der Gründe, warum sich kaum jemand öffentlich beklagt. Die Krux aber ist: Die KSK wird zwar zum Teil über pauschale Abgaben von den Verlagen finanziert, aber auch zu 20 Prozent aus Bundesmitteln. Im Jahr 2015 werden das laut KSK-Prognose 186,89 Millionen Euro sein. Wenn man so will, holen sich die Verlage mithilfe dieses Tricks staatliche Subventionen ab, die ihnen so nicht zustehen. Es geht bei dem rechtswidrigen Pauschalistenmodell also nicht nur um Knebelverträge für Mitarbeiter, es geht vor allem um groß angelegten Sozialbetrug.

SZ, Tagesspiegel, Spiegel Online – sie alle tendierten dazu, Freiberufler wie Festangestellte einzuspannen und sich das vom Staat subventionieren zu lassen, erklärt Krüger. Nur die taz habe eine reine Weste:

„Darüber hinaus sind die Honorare der taz so niedrig, dass freie Mitarbeiter es sich in der Regel nicht leisten können, auf die taz als einzigen Arbeitgeber zu bauen.“

Wir beuten nicht den Staat, sondern die Freien direkt aus – die Wahl zur traurigsten Rechtfertigung der Woche dürfte damit entschieden sein.


Altpapierkorb

+++ Um noch kurz beim Geld zu bleiben: Etwas einträglicher als das Schreiben für die taz scheint sich das Herumsitzen in Rundfunkräten zu gestalten. Bis zu 1035 Euro monatlich gibt es als Pauschale für Amtsinhaber, kleine Posten und Anwesenheit bei Sitzungen werden extra vergütet. Eine Übersicht der so-called Aufwandsentschädigungen hat Stefan Laurin bei kress.de zusammengetragen. „Wer jemals die Sitzungen der Gremien verfolgt hat, der weiß: Manche Aufwandsentschädigung ist erarbeitet, manche ist ersessen. Es werden keine Leistungsprämien bezahlt, sondern Präsenz vergolten“, kommentiert Joachim Huber im Tagesspiegel. +++

+++ In Ägypten kursiert der Entwurf eines neuen Anti-Terror-Gesetzes, das Nachrichten von Terroranschlägen, die den offiziellen Angaben widersprechen, unter Strafe stellen soll. „Es gehe nur um Zahlen, beschwichtigte Ägyptens Justizminister Ahmed el-Zend am Sonntag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Er hoffe, dass niemand auf die Idee komme, in den neuen Regelungen eine Einschränkung der Pressefreiheit zu sehen“, heißt es dazu auf der Medienseite der SZ. Auch Zeit Online berichtet. +++

+++ Medien sind zu negativ. Das meint zumindest Ulrik Haagerup, Nachrichtenchef beim dänischen Rundfunk. Nun hat er ein Buch über seine These geschrieben: „Constructive News“. Matthias Sander kann nicht raus aus seiner Haut und sieht das in der NZZ kritisch: „Der Journalist, dein Freund und Helfer? So hört es sich an. Es ist befremdlich, wie Mediennutzer von Haagerup als bedürftige, hilfesuchende Wesen dargestellt werden, die Negatives schwer ertragen. Aber es passt wohl zu unserer Zeit mit ihren ,Coachs’ und Beratern, mit dem Zwang zur Optimierung und schönfärberischen Selbstdarstellung, in der vermeintlich Negatives keinen Platz mehr hat.“ +++

+++ „Zu viel Service, zu wenig große Themen. Zu viele aufgebauschte Skandale, zu wenig Bezug zu innenpolitischen Debatten“, so lautet das Urteil der Otto-Brenner-Stiftung nach vier Monaten Auseinandersetzung mit deutschen Politmagazinen in der Kurzfassung. Langfassung und Gegenrede der Gescholtenen gibt es bei DWDL. +++

+++ Wenn die neue RTL-„Bachelorette“ aus Berlin kommt, ist das natürlich für den Tagesspiegel ein Thema. +++

+++ Nico Hofmann macht nun auch in Festspielintendanz. In Worms hat er den Posten in diesem Jahr inne: „Das Kalkül ist klar: Mit dem Intendant kauft das Festival auch dessen Verbindungen, holt die große Welt in die idyllische Stadt am Rhein. Das diesjährige Stück Gemetzel schrieb der Dramatiker Albert Ostermaier, Regie führt Thomas Schadt, der für Hofmann schon ,Der Rücktritt’ inszenierte und ,Der Mann aus der Pfalz’. Wulff, Kohl und nun Siegfried – es gibt offenbar keinen deutschen Stoff, der vor dem Gespann Hofmann/Schadt sicher ist“, meint David Denk auf der SZ-Medienseite. +++

+++ Wo zudem Kathrin Hollmer die Doku „Die Adoption“ bespricht, die heute Abend in der ARD läuft und begleitet, wie europäische Paare afrikanische Babys adoptieren. „Das Machtverhältnis spürt man in jeder Minute: Gert und Henriette sind diejenigen, die entscheiden, auch darüber, wie sich die leiblichen Eltern von ihren Kindern verabschieden dürfen. Senkenesh und Hussen dagegen war nicht klar, dass die Adoption eine endgültige Trennung von ihren Kindern bedeutet: Regelmäßige Nachrichten ihrer Kinder hatte ihnen die Agentur zugesichert, doch dann hören sie vier Jahre lang nichts von ihnen.“ +++

+++ Auch die FAZ widmet sich heute dem Fernsehprogramm, indem sich Ursula Scheer der Arte-Serie „Dolch und Degen“ annimmt, die uns ins Spanien des 17. Jahrhunderts führt. „Dass im Madrid in diesem vorgestellten 17. Jahrhundert garantiert keine einzige Ratte wohnt und alle immer frisch geföhnt wirken, ist das geringste Problem dieser Telenovela mit Kampfeinlagen (...) Allein, aus den vielen Details und Einzelszenen, zwischen denen die Serie hin- und her springt, entwickelt sich nur mühsam ein großes Bild.“ +++

Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder. 

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