Der reiche Springer-Konzern könnte die durch ihre Reichsten-Liste bekannte Zeitschrift kaufen. Das Internet könnte doch kaputt sein, die Netzneutralität dies- wie jenseits des Atlantiks kaputt gehen. Außerdem: ein 15 Jahre alter Journalistenmord. Was bringt die neue deutsche Closer?
Heterogene Themenlage heute. Die spannendsten Medien-Artikel, wenn man sich nicht von den bunten Meldungen anfixen lässt, dass Axel Springer (Bild! Welt!) die US-amerikanische Zeitschrift Forbes kaufen wollen könnte (die auch hierzulande fast jeder kennt, weil schließlich kaum jemand nicht klickt, wenn zum x-ten Mal die bunte Meldung von den neuen reichsten Menschen der Welt vorbeigerauscht kommt ...) kommen aus Serbien.
Dieses Land spielte schließlich nicht nur vor genau 100 Jahren rund um den Beginn des Ersten Weltkrieges wichtige Rollen und ist deshalb als Mediencontent en vogue. Sondern es ist auch das bislang letzte im engeren Sinn europäische, in dem echte Kriege geführt wurden.
"Ostersonntag, 11. April 1999: Die Nato intensiviert die Luftangriffe auf Serbien. Die Tage verlaufen im Takt des Fliegeralarms. Es herrscht Kriegszustand. Der Journalist und Herausgeber von Dnevni telegraf und Evropljanin (Europäer), Slavko Curuvija, ist von gleichgeschalteten Medien als Verräter und Nato-Söldner angeprangert. Er hatte sich dem wild gewordenen Regime widersetzt. Er ist sich der Gefahr bewusst. Er weiß aber nicht, dass ihn seit Tagen der Geheimdienst verfolgt ..."
Im Mittendrin-statt-nur-dabei-Spiegel-Stil steigt Andrej Ivanji in seinen Bericht auf der TAZ-Medienseite ein. Es nimmt nicht viel Spannung heraus, mitzuteilen, dass Curuvija kurz darauf am selben Tag ermordet worden ist. Aktueller Anlass der heutigen Berichte:
"Dann kam der Dienstag dieser Woche. Fast fünfzehn Jahre nach dem Mord verkündete Serbiens Staatsanwalt für das organisierte Verbrechen die Namen der mutmaßlich Verantwortlichen und Täter."
Es sind vier. Zwei wurden gerade verhaftet, einer sitzt schon länger im Gefängnis. Der vierte ist "auf der Flucht" und "Safariführer in Tansania". Beziehungsweise organisiert er wohl eher "Großwildjagden" und war gerade "in olivgrüner Uniform, eine erschossene Wildkatze auf den Schultern", in Belgrader Zeitungen zu sehen. Das berichtet Michael Martens auf der auch heute wieder prallvollen FAZ-Medienseite 31, auf der er mehr Platz hat. Jedenfalls waren die vier Beschuldigten Mitarbeiter des serbischen Geheimdienstes. Serbien ist ja nicht der einzige ex-jugoslawische Staat, in dem so etwas brisant ist. Die FAZ fasst deshalb zusammen:
"Auch wenn die Hintergründe andere sind, hat der Fall Curuvija für Serbien dieselbe Bedeutung wie für die Türkei der Mord an dem armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink."
Jedenfalls sind beide Berichte Beispiele dafür, dass es lohnt, internationalen Mediencontent nicht immer nur aus den USA zu beziehen.
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[+++] Andererseits, hey Forbes! Die Originalmeldung vom Springer-Interesse an dieser starken Marke stammt aus der deutschen Onlineausgabe des Wall Street Journals. Falls Springer ein Kaufangebot abgeben sollte - da arbeitet wsj.de mit Konjunktiven - wäre es nicht der einzige Bieter. Mehr ist einstweilen nicht.
Dennoch drapieren Zeitungen um diese Meldungslage allerhand drumrum. Z.B. hat Casper Busse für die SZ (S. 31) nachgeschaut, ob die Haupteigentümerin Friede Springer auf der Forbes-Liste steht (jawohl, "mit einem geschätzten Vermögen von drei Milliarden Dollar" auf Platz 458). Dass Springer-Chef Mathias Döpfner (SZ: "der Vertraute von Friede Springer - sie ist auch Patin eines seiner Kinder") gesagt habe, für nur 250 Millionen Dollar so wie der Amazon-Gründer Jeff Bezos hätte ja auch er die Washington Post gekauft, schreiben SZ und FAZ (S. 15) beide in ihre Artikel. Und im SZ-Artikel ist auch noch aufgeschlüsselt, wie genau die 920 Millionen Euro, die Springer von der Funke-Gruppe für das große Bündel deutscher Printmedien, dessen Verkauf (Altpapier) noch immer läuft und nicht vollständig genehmigt ist, insgesamt bekommen dürfte, sich auf einzelne Positionen aufschlüsseln.
Was geht sonst bei Springer? Mit unter-anderen.de eine, muss man sagen, ansprechend gemachte neue mobil-onlinejournalistische, Video-/ Text-Webseite an den Start. "Mobil" bedeutet in dem Zusammenhang nicht, dass man sie bloß auf besonders klobigen Smartphones konsumieren kann, auch wenn die Länge bzw. Kürze der Videos auf die Fahrtdauer von einer S- oder U-Bahn-Station zur nächsten zugeschnitten scheint, sondern: "Alle visuellen Beiträge haben die Journalisten mit ihren Smartphones gedreht" (meedia.de).
[+++] Was geht sonst in den USA? Die Netzneutralität sterben. Bzw. "stirbt" sie "zumindest vorläufig".
"Damit ist ausgerechnet im Geburtsland des Internets ein tragender Pfeiler des digitalen Erfolgs schwer angesägt. Bleibt das Urteil so bestehen, wird es nämlich früher oder später dazu kommen, dass die Daten jener Firmen schneller zu den Verbrauchern befördert werden, die den Telekommunikationsunternehmen Geld für besonders zügigen Transport bezahlen."
So, also mit trotz allem viel grundsätzlichem Optimismus diesem Internets-Geburtsland gegenüber, erklärt Johannes Boie wiederum auf der SZ-Medienseite, was Netzneutralität noch mal ist. Und auch, dass die amerikanische Federal Communications Commission (FCC), an deren Vorgaben sich amerikanische Internetanbieter wegen eines neuen Urteils eines Washingtoner Bezirksgerichts nicht länger halten müssen, eigentlich Opfer "dessen, was man landläufig als Schuss ins Knie beschreibt", wurde. Der Text steht derzeit nicht frei online. Aber solange Netzneutralität noch besteht, kann man sich ja anderswo informieren, und zu solchen Themen stets gut bei netzpolitik.org.
Wo man dann gleich auch auf die Information stößt, dass die europäische Netzneutralitätsverordnung, an der in Brüssel gearbeitet wird und "welche eigentlich Netzneutralität EU-weit sichern soll", Gefahr laufen könnte, "das genaue Gegenteil" zu erreichen.
"Wenn es also die NSA nicht schafft, das Internet kaputt zu machen, dann könnte es spätestens nach dieser Verordnung soweit sein",
schreibt Kirsten Fiedler.
[+++] Ja, ist dieses Internet denn nun kaputt? "Alle deutschen Blogger haben @saschalobo geantwortet", fasst Lars Gurow (@gurow) die große, von der starken Marke Sascha Lobo angestoßene Diskussion (Altpapier vom Dienstag) sehr schön in der ersten Hälfte eines Tweets zusammen, dessen zweite Hälfte ("Damit bewiesen: Internet ist NICHT kaputt, sondern vollendet") beinahe schon wieder eine Diskussion vergleichbaren Ausmaßes anstoßen könnte, zumindest wenn Gurow Lobo'sche Reichweite hätte.
Zumindest wurde Lobo mit dem Argument begegnet, dass wenn das Internet an sich kaputt sei, dann ja nicht nur Küchenmesser an sich kaputt sein müssten, sondern sogar das Wasser an sich, mit dem auch Henryk M. Broders Mutter ihre leckeren Suppen kochte. "Veränderung ist" halt "eine Espressokanne: Der Druck muss hoch genug sein" (Friedemann Karig u.a. bei Carta), und "wenn man einen Hund vor einen großen Fleischtopf setzt, ist es nicht zielführend, ihm zu sagen, dass er aber nur langsam und nicht alles fressen darf" (Thomas Stadler u.a. bei Carta), und man ist allen dankbar, die nicht alles aufzählen, was sie jeweils irritiert. Außerdem ist "Der längst überfällige 'Lobo-hat-Recht-Artikel'" erschienen (lousypennies.de), mit dem Stephan Goldmann die frische Argumentionsfigur "WIR Journalisten hätten ... müssen", neu oder wieder in die Debatte wirft, die so sogar noch zur Journalismusdebatte werden könnte. Hey!
Allerdings, wer den Eindruck, dass Lobo in weiten Teilen Recht hat, unwillentlich, aber nicht unerheblich verstärkt und ja wirklich ein Kaliber ist: Evgeny Morozov. Seine gestern ganzseitig im gedruckten FAZ-Feuilleton erschienene und hier erwähnte Replik steht nun frei online. Mein Eindruck auch nach dem zweiten Durchlesen: Vielleicht ist bei Übersetzungen, vielleicht schon von Lobos Text ins Englische, Sinngehalt verloren gegangen. Jedenfalls zählt dieser Morozov-Text, anders als andere desselben Autors, sicher nicht zu den 100 wichtigsten der aktuellen Digitaldebatte.
Noch 'ne Meinung zum Lobo-Artikel:
"Egal ob ihr Sascha Lobo nun gut findet oder nicht oder keine Ahnung habt, wer er eigentlich ist, ihr solltet ihn euch durchlesen, um euch darüber klar zu werden, dass die kleine, bunte Welt der YouTube-Schminkvideos, der Meme-Blogs und der Frühstücks-Instagramfotos in Gefahr ist. ACTA war nur der Anfang, die NSA und ihre Freunde sind hingegen der Endgegner."
Das stand, schon am Montag, bei amypink.com, also in einer Ecke des deutschen Internets, die in dieser anderen Ecke hier eher selten auftaucht, die sich aber ebenfalls für "eine der innovativsten und mutigsten Online-Publikationen unserer Zeit" hält. Dass in seiner eigenen Filterbubble jeder selbst der Star ist oder sein kann, ist ja Vor- und Nachteil dieses Internets zugleich.
[+++] Zum Schluss zurück nach Europa, das ja u.a. auch der Geburts-Kontinent des World Wide Web ist.
Tagesaktueller Star seriöser Politikressorts ist Frankreichs Staatspräsident François Hollande - sicher nicht ganz allein wegen seiner Reformideen, sondern natürlich auch wegen Presseberichten über eine Affäre mit einer Schauspielerin. Schon letzte Woche guckte ein Süddeutsche-Artikel, welche Presse genau darüber berichtet hatte: die französische Closer war's, also ein Blättchen, das als "Europas größtes People-Magazin" nicht nur von deutschen Kiosken geläufig ist, sondern über die britische Tochter sogar zum deutschen Bauer-Verlag gehört (wobei bei der französischen Ausgabe Silvio Berlusconi involviert ist, noch so ein Sympathieträger ...).
Nun also hat Sonja Álvarez vom Tagesspiegel nachgeschaut, ob denn die aktuelle deutsche Ausgabe den Scoop bzw. frankophiler: Coup der Kollegen aufgreift. Antwort: Nein,
"stattdessen setzt Chefredakteur Tom Junkersdorf auf dem Titel konsequent auf nationale Themen: Sylvie Meis und die 'Enthüllung, wie sie Männer aussucht', ein 'Sex-Geständnis' von 'Dschungelcamp'-Kandidatin Melanie, 'fieses Mobbing' bei Mesut Özils Freundin Mandy Capristo".
Statt Hollande sozusagen eine Holländerin. Sylvie Meis ist ja die ehemalige Sylvie van der Vaart.
+++ Deutschlandfunk-Moderator Jürgen Liminski bekam von seiner Chefredakteurin, Birgit Wentzien, nach einem Interview öffentlich erklärt, er sei "seiner Aufgabe als Moderator nicht gerecht geworden". (stefan-niggemeier.de, evangelisch.de). +++
+++ "Das darf Steffen Kottkamp, der frühere Geschäftsführer des Kinderkanals Kika, wohl als Erfolg für sich verbuchen" (FAZ, S. 31): Statt eines Rechtsstreits vor dem Erfurter Arbeitsgericht hat er sich mit dem Kika-zuständigen MDR außergerichtlich geeinigt. In der SZ-Meldung dazu schreibt Christopher Keil: "Kottkamp hat inzwischen die Firma SK Media Consult gegründet. Zu den ersten Kunden zählt der BR". +++
+++ Außerdem reitet die FAZ ein wenig auf einem Tweet der rheinland-pfälzischen CDU-Fraktionsvorsitzenden Julia Klöckner herum, der aber eigentlich nur auf den gestrigen FAZ-Artikel verweist, mit dem die überraschend ausgerufene allerneueste Rundfunkbeitrags-Senkungs-Diskussionsrunde noch nicht recht in Gang kommen wollte. Wer dennoch erwägt, einzusteigen, wird im Tagesspiegel fündig. +++
+++ Bild-Zeitungs-Reaktion auf die ARD-Pressekonferenz vorgestern (Altpapier gestern): "138 TV-Premieren strahlt die ARD dieses Jahr im Hauptprogramm (20.15 Uhr) aus. Dabei greift der Sender mal tief und mal richtig tief in die Tasche! Jetzt machte die ARD öffentlich, was der TV-Abend bei ihr so kostet..." Allerdings stehen diese "Sendeplatzprofile", auf die das Blatt sich bezieht, schon seit Herbst online. +++
+++ "Der Kölner Dompropst Norbert Feldhoff, 74, kennt sich auch in der Welt der Medien gut aus. Als Schauspieler hat er sogar mal in einem 'Tatort' mitgewirkt": So leitet Hans Leyendecker in der SZ seinen Text über das große Kölner Dom-Express-Versöhnungsinterview ein, das gestern im DuMont-Boulevardblatt erschien. "Der Boulevard erklärt das große Mea Culpa: 'In der Berichterstattung sind Fehler gemacht worden, auch von uns'". +++
+++ Einmal noch auf das-vierte.de gucken: Morgen kommt stattdessen ein weiterer Disney-Sender ins frei empfangbare Fernsehen. "Er will mit einem besonderen, erwachseneren Profil in der Primetime die Abteilung deutsches Kinderfernsehen kräftig aufmischen – sicher ist das dann ein Konkurrent für Kika, Nickelodeon, vor allem aber Super RTL", das ja zum Teil ebenfalls Disney gehört... (Tagesspiegel). +++
+++ "Seien Sie mein Hanns Joachim Friedrichs", soll Helmut Thoma einst zu Heiner Bremer gesagt haben, woraufhin dieser diesen Wunsch zwar abgelehnt haben soll, aber das RTL-"Nachtjournal" entwickelte, das nun 20 Jahre alt wird (Tagesspiegel, DPA/ newsroom.de). +++
+++ Dass es nicht klug von der bayerischen Landesregierung sein könnte, auf eine kritische "Mein Kampf"-Ausgabe zu verzichten, merkt Michael Schmalenstroer bei Carta an. +++
+++Und dass (während Netflix in den Niederlanden, wie das oben erwähnte Holland ja tatsächlich heißt, schon mal nach deutschen Mitarbeitern sucht) die gute unter den ca. 250 deutschen Krimiserien der letzten Jahre, "KDD - Kriminaldauerdienst", demnächst bei Watchever, dem deutschen Video-on-demand-Angebot des französischen Vivendi-Konzerns, zu sehen sein könnte, weiß meedia.de. +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.