Der Blick über den eigenen Tellerrand beginnt vor der Haustür: Grenzen sich Internetseiten, die etwas anbieten, was in den großen Zeitungen so nicht zu finden ist, selbst ab? Außerdem: Welche Erfolge feiern ARD und ZDF, wenn sie die EM-Einschaltquoten rausschicken? Und was sagt die AG Dok?
Eine Nachricht vom Hornberger Schießen zwar, aber sie enthält einen hübsch-universalwahren Satz:
"Dass es keine Lösung gebe, könne man jedoch nicht sagen."
Geäußert hat ihn Urs F. Meyer, Geschäftsführer des Verbandes Schweizer Medien, den die NZZ zitiert. In der Schweiz sind die Verhandlungen zwischen dem öffentlich-rechtlichen SRG und den Verlegern ausgegangen wie besagtes Schießen.
"Über ein Jahr haben die Verhandlungen zwischen den Verlegern und der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) gedauert. Eine Einigung ist dabei nicht zustande gekommen."
Der Streit kam auf, als die Politik der SRG erlaubte, Werbeflächen im Internet zu verkaufen. Dagegen liefen die Verleger Sturm, die sich, wie die Meldung nahelegten, nicht erst die Mühe machten, irgendwelche größeren Erzählungen als ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen zu bemühen.
"Sie sehe keinen Grund, weshalb die Verleger der SRG helfen sollten, ihr finanzielles Gleichgewicht wiederzufinden, indem sie neue Konkurrenz im Internet akzeptierten, sagte Valérie Boagno, Präsidentin des Westschweizer Verlegerverbandes Presse Suisse."
Dass es nicht zum Kompromiss gekommen ist wie bei einem ähnlichen Streit in Deutschland (siehe Altpapier), ist der Witz an der Bemerkung von Urs F. Meyer. Der erinnert nämlich daran, dass es zwei Lösungsvorschläge gibt – von jeder Partei einen. Leider führt der meldungshafte Text nicht weiter aus, wie die Modelle sich unterscheiden.
Aber der Blick über den eigenen Tellerrand ist doch immer lohnenswert. In Claudia Tieschkys SZ-Beitrag (Seite 15) über eine mögliche PC-Gebühr in Frankreich wird man etwa daran erinnert, dass öffentlich-rechtliches Fernsehen nicht überall 216 Euro im Jahr kostet wie bei uns – in Frankreich sind es 125, in der Schweiz 384 Euro.
In der Summe bedeutet das, dass in Frankreich der öffentlich-rechtliche Rundfunk weniger als halb soviel Geld wie der deutsche zur Verfügung hat. Man würde jetzt natürlich gern wissen, ob das Angebot auch weniger als halb so gut ist, aber davon handelt der Text leider nicht.
Viel zu erwarten ist von der Computer-Abgabe wohl aber nicht:
"Regierungskreise schätzen den Mehrwert pro Jahr auf mehr als 100 Millionen Euro. Gewerkschaftsvertreter rechnen mit nur 20 bis 30 Millionen Euro Plus, da die meisten Franzosen sowieso schon die TV-Steuer leisten."
Überlegt wird auch, das unter Sarkozy verhängte Werbeverbot nach 20 Uhr wieder einzuführen.
Wie gut das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen ist, lässt sich zum Abschluss der EM mit Zahlen belegen, wie sie etwa Meedia.de parat hält oder über die die Berliner berichtet (allerdings nicht online).
"'Fußball ist konkurrenzlos'"
Lautet die Überschrift nach einer Aussage von ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz, was man auch als Eingeständnis der eigenen Bedeutungslosigkeit lesen kann. Denn die Marktanteile von teilweise über 50 Prozent lassen sich dann ja schwer dem eigenen Programm gutschreiben.
Das würden die von der AG Dok vertretenen Dokumentarfilmer sicherlich ähnlich sehen. Oliver Kühn gibt in der FAZ (Seite 31) Einblick in die ökonomische Situation der Dokumentarfilmer, deren Gespräche mit der ARD momentan nicht weiterführen:
"Oft gebe es nur eine bestimmte Pauschalvergütung, welche die realen Kosten nicht abdecke. Die Sender seien nicht bereit, organisatorische Aufgaben der Produzenten anzuerkennen, und so werde oft nur die Hälfte der Kosten einer Produktion von den Auftraggebern finanziert, auf dem Rest blieben die Produzenten sitzen. Hinzu komme, dass die Sender durch Knebelverträge und den weitgehenden Zugriff auf sämtliche Rechte den Produzenten vielfältige Refinanzierungsmöglichkeiten nähmen. Wiederholungen, die Bereitstellung im Internet und Zugriffe auf Sendungsausschnitte würden nicht vergütet. Zudem müssten die Produzenten sämtliches Recherchematerial abgeben."
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Allein, es nützt ihnen nichts, weil die Öffentlich-Rechtlichen sich marktkonform verhalten – Fußball treibt die Quoten hoch und Dokumentarfilmer, die für zu wenig Geld trotzdem arbeiten, gibt es genügend. Auch wenn der Klage eine gewisse, womögliche deutsche Form des Besitzstandanspruchs eignet (wieso gibt es so viele Dokumentarfilmer, wenn es gleichzeitig so wenig Geld gibt?) – die Debatte zielt aufs Selbstverständnis der Öffentlich-Rechtlichen, in dem offiziell von Quoten keine Rede ist, dafür von Bildungsauftrag und Grundversorgung.
Im FAZ-Feuilleton (Seite 29) berichtet Stefan Schulz von einem "Fachgespräch" zum Urheberrecht, zu dem die CSU-Landtagsfraktion geladen hatte, etwa den Regisseur Helmut Dietl. Ein Schritt nach vorn in der Auseinandersetzung scheint die Veranstaltung nicht gewesen zu sein, wenn Schulz am Ende konsensual bilanziert:
"Man war sich einig in diesem Gespräch: Das Urheberrecht ist zu erhalten und zu schützen, schon weil es als 'Waffe in den Verhandlungen um die Gehälter' der sechshundert Drehbuchautoren in Deutschland gebraucht werde, sagte Jochen Greve."
Greve ist selbst Drehbuchautor, und man hätte hier doch gern genauer gewusst, wie die Waffe Urheberrecht beim Kampf ums Gehalt zu handhaben ist. Nicht nur als AG-Dok-Mitglied.
ALTPAPIERKORB
+++ Dass der Blick über den eigenen Tellerrand mitunter nicht so leicht fällt, belegt Karin Schädler in dem TSP-Interview, das sie mit Ekrem Senol geführt hat, dem Chefredakteur der mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichneten Seite migazin.de. Schon die Einleitung – "Wie tickt die Migranten-Community? Das mit dem Grimme Online Award ausgezeichnete 'Migazin' gibt online Antworten" – lässt erkennen, dass die Perspektive des Tagesspiegel eine ist, die sich dem zumal in Berlin auf eine gewisse Weise präsenten Thema Migration von außen nährt. Die zweitbeste, voreingenommene Frage (die Karin Schädler einer Koch-, Auto- oder, wie bald bei Burda, Focus-Diabetes-Zeitschrift nie stellen würde): "Die meisten Autoren haben einen Migrationshintergrund. Sorgt so ein Projekt nicht auch für Abgrenzung?". Eindeutiger Hit unter den Fragen ist allerdings die Sorge um den unabhängigen Journalismus: "Die Grimme-Jury meinte, das 'Migazin' baue Klischees ab. Ist die Berichterstattung trotzdem kritisch?" Damit qualifiziert sich die Autorin für eine Key-Note-Speech beim nächstbestenen Branchentreffen. Thema: Warum kritischer Journalismus auch in Zeiten des Kürzens nicht auf Klischees verzichten darf. +++
+++ Jan Freitag unternimmt in der Berliner eine Tour d'horizon über das Aufgabenfeld der seit April amtierenden ZDFneo-Chefin Simone Emmelius: "Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf sind künftig exklusiv bei ProSieben unter Vertrag – oder jedenfalls 'exklusiver'. Mit Turnschuh, Schlips und Schlagfertigkeit sind sie bisher Aushängeschilder des Senders. Ihr Hybrid aus albernem Abistreich und echter Late-Night, 'neo Paradise', sorgt für Strahlkraft ins Kommerzpublikum, also für Youtube-Klicks und Mediathek-Zugriffe. Wie lange noch, ist aber offen." +++
+++ Im Fernsehen selbst läuft eine Dokumentation über "Das Gewissen der Superreichen" (22.45 Uhr, ARD). Hans-Jörg Rother findet sie im Tagesspiegel "brillant wie aktuell". +++ Torsten Wahl bemängelt in der Berliner (Seite 26) das Abgeschlossene an der Anlage: "Der Film über das Gewissen der Superreichen ist ohnehin keine kapitalismuskritische Analyse, sondern vergleicht eher die unterschiedlichen Philanthropie-Kulturen in Europa und Amerika." +++ In der TAZ ist Janina Bembenek enttäuscht: "Und so bleibt 'Das Gewissen der Superreichen' ein harmloser Dokumentarfilm über Milliardäre, die ihr Geld in die Welt verschenken." +++
+++ Ebenfalls in der TAZ: leichte Zweifel an Holtzbrincks Verkauf der Saarbrücker Zeitung an eine von drei parteinahen Stiftungen getragene Gesellschaft. Der Medienwissenschaftler Horst Röper gibt allerdings sein Plazet: "Da es sich jedoch um eine Übergangslösung handeln soll und die GsB angekündigt hat, einen neuen Investor suchen zu wollen, sieht Röper den Verkauf an die Parteistiftungen gelassen. 'Wenn das auf Zeit ist, ist es okay.'" Na, denn. +++
Neues Altpapier gibt's morgen gegen 9 Uhr.