Das Papier-Problem

Das Papier-Problem

Nur noch fünf Jahre Bestandsgarantie für die Holzpresse? Außerdem: erste Eindrücke von der kostenpflichtigen Internet-"Times", spannende Vorabmeldungen. Immerhin funtioniert Prantl noch.

Die vielleicht schönste Form der Selbstvergewisserung, die das Internet Journalisten und Journalismus-Freunden klassischen Zuschnitts bietet, ist die auch an dieser Stelle öfters gewürdigte Reihe "Wozu noch Journalismus?". Schon weil sich die Schlagzahl neuer Beiträge zuletzt nochmals erhöht hat, lohnt es immer mal wieder auf sueddeutsche.de zu klicken.

Wo man allerdings gerade etwas staunen muss. War doch Ende vergangener Woche dort ein Beitrag unter der eindringlichen Überschrift "Das Problem liegt im Papier" von Lukas Kircher und Peter Littger (der Anfang des Jahrtausends die Medienseite der Zeit, als diese noch eine hatte, leitete und inzwischen bei der Agentur Kircher/ Burkhardt arbeitet) erschienen. Doch von der Existenz dieses Beitrags zeugt nurmehr der Cache des praktischen Überwachungsservices Google.

Auf der "Wozu noch Journalismus?"-Überblicksseite fehlt inzwischen jede Spur. Was ist denn da passiert? Liegt das Problem gar nicht im Papier?

Falls doch, in fünf Jahren wird es sich davon gelöst haben. "Fünf Jahre bis zum Print-Sonnenuntergang" bloggt Thomas Knüwer, der als Hardcore-Onliner bekanntlich einer anderen Form von Selbstvergewisserung ("Your medium is dying!") zuneigt und diesen Simpsons-Clip auch am Ende seines Eintrags verlinkt.

Anlass bieten Knüwer Äußerungen Madi Solomons, des Director of Global Content Standards bei Pearson, wo u.a. die “Financial Times” erscheint. Die noch bekanntere Zeitung Times indes gehört Rupert Murdoch und hat in dieser Woche die letzte Vorstufe zum Aufrichten ihrer gespannt erwarteten Paywall gezündet. Nun muss sich registrieren, wer auf den Geschmack des künftig kostenpflichtigen Angebots kommen will.

Wolfgang Koydl wollte für die Süddeutsche (S. 15, nicht frei online). Die neue Website sei "nett gemacht, professionell gestaltet, sehr benutzerfreundlich". Aber...

"die Bezahl-Times bietet nicht wirklich etwas grundsätzlich Neues oder Anderes, was die Gratis-Konkurrenz nicht auch im Angebot hätte - allerdings durchaus den einen oder anderen Autor, der eine persönliche Gefolgschaft unter den Lesern hat und zahlendes Publikum anlocken soll. Es würde ja auch niemand fünf Euro für ein Kilo Kirschen zahlen, wenn er sie nebenan vom Baum pflücken kann."

Etwas unentschlossen klingt das. Würde niemand fürs Lesen der Texte eines Autors bezahlen, wenn er halt Texte eines anderen lesen kann? Mut machen kann da der von onlinejournalismus.de entdeckte hübsche Kommentar "Wenigstens funktioniert Prantl noch" in der Diskussion zu diesem sueddeutsche.de-Artikel rund um Roland Koch. Vielleicht würde Heribert Prantl sogar im Einzelverkauf funktionieren.

[listbox:title=Artikel des Tages[Knüwer über die Papierzukunft##Kramp/ Weichert: Wozu noch Hauptstadtjournalismus?##Hobby-Gerichtsreporter für Springer?? (Tsp.)##TAZ boykottiert wieder##Ärger über ARD/ ZDF, nun wg. Kinofilmen (KStA)##Skepsis gegenüber Onlinespenden (zeit.de)]]

Jede Woche noch mehr Papier als in der letzten Woche enthält die Wochenzeitung Die Zeit, aus deren 92-seitiger Ausgabe diese Woche fünf Supplements fallen, in denen es um Ernährung, Berlin als Stadt der Wissenschaft, die Geschichte einer Parfümeriekette, Reiseangebote sowie Vereinfachung (Zeit-Magazin) geht.

Unter medialen Gesichstpunkten interessant: was der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel im großen Politik-Interview über die Bild-Zeitung und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die deren Kampagen hätte "stoppen" sollen, sagte.

Zeit: "Die Kanzlerin hätte sich dezidiert gegen die Bild-Zeitung stellen sollen?"

Gabriel: "Ja, das wäre ihr Job gewesen! Da hätte sie sagen müssen: Das geht zu weit! - Wenn nicht sie, so wenigstens der Außenminister."

Zeit: "Mit seiner ganzen Autorität!"

Gabriel: "Die SPD jedenfalls hat dieses Spiel nicht mitgemacht. Es sind ja auch unsere Wähler, die 'Bild' lesen. Ich habe im Bundestag gesagt, ich schäme mich dafür, wie der deutsche Boulevard mit den Griechen umgeht... "

Zugegeben, soo interessant wie die gut geölte Maschinerie nahelegte, die die Zeit gestern durch eine Vorabmeldung, die z.B. bei meedia.de ankam (Freunde der Textanalyse könnten mal die Topstory dort und die Originalmitteilung auf Gemeinsamkeiten überprüfen) sowie via zeit.de anwarf, so interessant ist das dann doch nicht.
 



Altpapierkorb

Leif Kramp und Stephan Weichert, die bei der sueddeutsche.de-Reihe "Wozu noch Journalismus?" als Herausgeber fungieren, haben gerade das Buch "Die Meinungsmacher. Über die Verwahrlosung des Hauptstadtjournalismus" herausgebracht, aus dem zeit.de einen Vorabdruck (zum Selberausdrucken) bringt. Diese Verwahrlosung, sie hängt womöglich mit Hummercremesuppe und teurem Bordeaux zusammen... +++ Die Bild-Zeitung sucht "Hobby-Gerichtsreporter", und zwar per Zeitungsannonce, gestern in Berliner Morgenpost und TAZ. "Im 'Morgenpost'-Publikum werden pensionierte Stenografen vermutet, im 'taz'-Kreis Menschen, die Spaß an der gerichtsnotorischen Auseinandersetzung zwischen 'taz' und 'Bild' haben", folgert Joachim Huber (Tagesspiegel). +++

+++ Im August '09 verkündete die TAZ ihren Boykott der Leichtathletik-WM (siehe Altpapier damals). Der damals auf einer Podiumsdiskussion etwa auch von Claudio Catuogno gefasste Entschluss, "dass wir uns beim nächsten Mal viel früher um das Problem kümmern", wird nun auf die Probe gestellt. "Das nächste Mal ist jetzt", meint die TAZ zur alpinen Ski-Weltmeisterschaft 2011 in Garmisch-Partenkirchen. Auch hier würden die Akkreditierungsbestimmungen nach Boykott schreien. +++

+++ Politik: Huch, wenn Roland Koch von allen politischen Ämtern zurücktritt, bleibt er dann dennoch im ZDF-Verwaltungsrat, in dem er so tatkräftig wirkte? Dieser Sitz "ist nicht an politische Amtszeiten gekoppelt" (TAZ). +++ Der Verlag der Rheinischen Post macht sich das seit Januar geltende neue nordrhein-westfälische Landesmediengesetz zunutze und will den lokalen Fernsehsender Center.tv Düsseldorf komplett übernehmen (FTD).+++ Zu Bernd Neumanns Anregungen (siehe Altpapier), die GEZ-Gebühren "auch ein Stück kompetitiv machen", bloggt 3sat-"Kulturzeit"-Redaktionsleiter Armin Conrad wütend: "Wir werden uns auch mit den Originaltönen und Interviews des Kulturstaatsministers genauer beschäftigen müssen und überprüfen, ob sie denn 'kompetitiv' sind. Und das sieht vielleicht nicht gut für ihn aus..." +++

+++ Andererseits, ARD und ZDF wissen selbst mit ihren Lizenzen für Hollywoodfilme nichts anzufangen, zürnt Jan Freitag in der DuMont-Presse zwischen Köln und Berlin: "Selbst auf den angeblich anspruchsvollen Rückzugsorten von Montag bis Mittwoch" laufen "Schnulzen, Shows und Sport ..., während TV-Premieren wie 'L. A. Crash' oder 'Good Night, Good Luck' nachts erfolgen - alle massentauglich, starbesetzt und teuer im Ankauf". +++ Nach den Erfolgen deutscher TV-Serien wie "Mord mit Aussicht" (ARD) und "Danni Lowinski" (Sat.1), "testet RTL nun ebenfalls eine Serie", schreibt die Süddeutsche wegen dieser RTL-Meldung. Dabei dreht RTL eigentlich eine Menge Serienpiloten, von denen man bloß nach den Drehstartmeldungen meist nichts mehr hört... +++

+++ "Die 'Heute Show' beweist, dass das ZDF satirefähig ist" - und zwar sogar als Subjekt! Das schreibt Hans Hoff in seinem Oliver Welke-Porträt (Süddeutsche). +++ N24 ist Dokumentations-fähig. Zumindest empfiehlt die FAZ die heutige Sendung "Krieg im Indianerland - Die Bundeswehr in Kundus" (16.15 Uhr): "'Für uns ist es Krieg', meint ein Soldat. 'Und das ist eigentlich alles, was man dazu sagen kann.'“ +++ Außerdem geht's ebendort um das Finale der US-Serie "Lost". Nina Rehfeld schreibt: "Kaum ein Fan dürfte das Ende trockenen Auges überstanden haben". Allerdings hätte dem Artikel ein "Spoiler" à la SPON ("Bitte nur lesen, wenn Sie Staffel 6, Folge 17 bereits gesehen haben!") gut getan. +++

+++ Digitalien: Wird Google auf das Auflaufen des Ultimatums des Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar reagiert haben, fragt der Tagesspiegel gespannt. +++ Und kümmert sich, wiewohl wg. der Holtzbrinckschen VZ-Gruppe nicht völlig unbefangen, um Datenschutz bei Facebook. +++ "Das iPad wird sich mit Sicherheit auf absehbare Zeit nicht zum einzigen Internetzugang entwickeln", zerstreut Stefan Münker in der Zeit (S. 62) Befürchtungen, die er zuvor erweckte. +++ Die BLZ bespricht das "meisterhafte Videospiel" "Red Dead Redemption". +++ Während zeit.de sich skeptisch mit Spenden als Erlösquelle für Onlinejournalismus befasst.
 

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag

 

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