Der 1. Mai hat für viele Menschen in Berlin und Hamburg seinen freundlichen Schein verloren. Der Tag der Arbeit, Anlass für friedliche Kundgebungen mit anschließenden Familienausflügen und der Eröffnung der Grillsaison, ist in Kreuzberg oder im Hamburger Schanzenviertel der Tag für Krawall und Randale. Autonome und andere Chaoten setzen Autos in Brand, werfen Scheiben ein, liefern sich Schlachten mit der massiv aufgebotenen Polizei. Anwohner bleibt nur noch, sich zu verbarrikadieren oder aus ihren Wohnungen zu flüchten. Allein in Berlin gab es am 1. Mai 2009 480 verletzte Polizisten, 289 Festnahmen und Sachschäden in Millionen-Höhe.
Das größte Problem für die Sicherheitsleute: Deeskalationsstrategien laufen ins Leere, weil es den Randalierern um keinerlei nennenswerte politische Anliegen geht, die man möglicher Weise auch friedlich propagieren oder erörtern könnte. Die überwiegende Mehrheit der anreisenden Akteure hat keine politischen Motive. Mehr als die Hälfte der Festgenommenen 2009 in Berlin stand entweder unter erheblichem Alkoholeinfluss oder war bekifft. Ein "Konzept der ausgestreckten Hand" ist sinnlos, wenn auf der anderen Seite Leute agieren, die "nur ihren Spaß wollen" und darunter Schlägerei und Zerstörung verstehen.
Nervenkitzel für Chaoten
Das Schlimme dabei ist: Die Gewalttäter aus der autonomen Szene rufen postwendend martialische Rechte auf den Plan, die ihrerseits eine "harte Hand" fordern und "Draufhauen" meinen. Das garantiert den Nervenkitzel, den sich die Chaoten von einer zünftigen Straßenschlacht erhoffen.
Es ist richtig, wenn die Polizei fordert, dass man die gewaltbereite linke Szene präventiv besser in den Blick nehmen muss. Es ist richtig, polizeilich hart durchzugreifen. Noch wichtiger ist es aber, trotz des gesamten "Spaß-Terrors" als Mehrheitsgesellschaft die Ruhe zu bewahren. Cool bleiben und immer wieder darauf hinweisen, dass es um die Kultur des Protestes geht.
Der 1. Mai als Symbol
Gerade die Gewerkschaften haben in den vergangenen Jahren immer wieder auf die Geschichte des 1. Mai hingewiesen. Für die internationale Arbeiterschaft war dieses Datum zunächst ein Gedenktag für den Haymarket Riot am 1. Mai 1886 in Chicago als eine friedliche Kundgebung sich in eine blutige Auseinandersetzung mit der Polizei verwandelte, nachdem ein anonymer Bombenwerfer mit einem Sprengkörper einen Polizisten getötet hatte. Mehr als 30 Tote und einige hundert Verletzte waren die traurige Bilanz dieses Tages. Der 1. Mai wurde zum Symbol, auf friedliche Weise von der Freiheit zur Demonstration Gebrauch zu machen und seine Interessen öffentlich zu vertreten.
Das funktioniert dann, wenn jemand tatsächlich Interessen hat und nicht nur das eine: Blut muss fließen! Die Krawallmacher schaden nicht der staatlichen Macht, sie schaden den Arbeitenden, den friedlich Kämpfenden, weil sie die öffentliche Wirkung ihres Feiertages mit ihren Taten überschatten und wichtige Anliegen aus den Schlagzeilen verdrängen.
Arnd Brummer ist Chefredakteur von evangelisch.de und dem evangelischen Magazin "chrismon".