Entwicklungsländer: Abkommen verteuert Aidstherapie

Entwicklungsländer: Abkommen verteuert Aidstherapie
Ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Indien droht die Therapie von Aids und anderen schweren Krankheiten in Entwicklungsländern stark zu verteuern.

Der Zugang zu günstigeren Nachahmer-Medikamenten (Generika) mit gleichen Wirkstoffen werde durch neue Regelungen erschwert, sagte der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Gesundheit, Anand Grover, den "VDI Nachrichten" (Düsseldorf). "Für Patente etwa sollen längere Laufzeiten gelten, bislang waren es 20 Jahre." Indien ist bislang ein großer Produzent von Generika, die vor allem in Enwticklungsländern günstig verkauft werden.

Grover fuhr im Gespräch fort: "Wenn die EU-Unterhändler erreichen, was in inoffiziell veröffentlichten Versionen steht, etwa längere Laufzeiten, wird die Einführung von Generika verzögert." Die Auswirkungen beträfen nicht nur den indischen Markt: "Viele Medikamentierungen werden dann unerschwinglich für den Großteil der Patienten in Indien, aber auch in vielen anderen Entwicklungsländern. Über 50 Prozent des Medikamentenbedarfs in Entwicklungsländern wird nämlich durch diese generischen Medikamente gedeckt."

"Schockierend, um es mal milde auszudrücken"

Ein kritischer Punkt sei auch die sogenannte Datenexklusivität, sagte der UN-Sonderberichterstatter in dem Interview. "Datenexklusivität zwingt Generikahersteller, noch einmal klinische Tests für bereits zugelassene Substanzen zu machen." Grover prangerte diese Regelungen an: "Es ist wirklich unethisch, Tests zu machen, wenn die Wirksamkeit und Sicherheit einer Substanz lange nachgewiesen ist. Manche der Regeln, die Indien jetzt abverlangt werden, etwa die Verknüpfung von Marktzulassung und Patent, gelten übrigens nicht in der EU. Die Gewinner sind multinationale Unternehmen."

Der Markt drohe stark eingeschränkt zu werden, ein heftiger Rückschlag, wie Grover meint. "Wir konnten bei HIV sehen, wie der Preis von antiretroviralen Medikamenten von 10.000 Dollar pro Patient und Jahr in den Jahren 1999 bis 2000 um bis zu 99 Prozent gefallen ist, nachdem die generischen Produkte auf den Markt kamen." Längere Laufzeiten bremsten eine solche Entwicklung. "Wenn es stimmt, dass die EU dementsprechende gesetzgeberische Aktivitäten etwa in Uganda beeinflusst hat, wie wir den Aussagen eines ugandischen Ministers gegenüber dem Magazin "Lancet" entnehmen mussten, wäre das komplett inakzeptabel. Es wäre schockierend, um es mal milde auszudrücken."

Auch die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat die zuständigen Bundesminister Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Rainer Brüderle (beide FDP) in einem offenen Brief aufgefordert, die Einschränkung der Generika-Produktion nicht weiter zu unterstützen, wie es das Abkommen vorsehe.

dpa