Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die Finanzhilfe für Griechenland verteidigt. Mit der Unterstützung Athens werde gegenwärtig "die Stabilität des ganzen Euroraums verteidigt", sagte Schäuble am Mittwochabend in den ARD-"Tagesthemen". Zugleich räumte Schäuble ein, dass der gesamte Umfang der deutschen Finanzhilfe noch nicht bekannt sei. Angesichts der Dringlichkeit der griechischen Finanzprobleme erörterte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel das Thema am Abend in einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama. In einer Mitteilung des Weißen Hauses hieß es knapp, Obama und die Kanzlerin hätten die "Bedeutung entschlossenen Handelns Griechenlands und einer rechtzeitigen Unterstützung" seitens des Internationalen Währungsfonds und Europas erörtert.
Schäuble: Genaue Zahlen unbekannt
Am Mittwoch wurde bekannt, dass Griechenland zur Abwehr einer Staatspleite in den nächsten Jahren deutlich mehr Geld braucht als angenommen. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sprach von insgesamt 135 Milliarden Euro bis 2012. Auf Deutschland könnten nach Angaben Brüderles 25 bis 30 Milliarden in diesem Zeitraum zukommen.
"Nein, die (Zahl) weiß niemand", sagte dagegen Schäuble am Abend. Gegenwärtig werde diese genaue Zahl in den Gesprächen und Verhandlungen zwischen dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission mit der griechischen Regierung ja ausgehandelt. Gleichzeitig äußerte Schäuble die Erwartung, dass die massive Hilfe für Griechenland den deutschen Steuerzahler nicht belastet. "Wir hoffen, dass es gar nichts kostet, weil das nicht um Steuergelder gehen wird, sondern es geht um die zur Verfügungstellung eines Kredits damit Griechenland auch weiterhin zahlungsfähig bleibt", sagte der Minister.
Für ein rechtzeitiges Hilfspaket von EU und Internationalem Währungsfonds müssten Bundeskabinett, Bundestag und Bundesrat bereits in der kommenden Woche den Anteil Deutschlands daran gesetzlich beschließen. Für Griechenland wird am 19. Mai die Rückzahlung von rund neun Milliarden Euro fällig.
Umfassende Regelung gefordert
Die SPD-Bundestagsfraktion verlangt statt einer bloßen Finanzhilfe für Griechenland eine umfassende Regelung zur Verhinderung ähnlicher Schuldenkrisen. Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier sagte am Mittwochabend im ZDF: "Es muss eine richtige Regelung sein. Das kann nicht nur eine Ermächtigung für ein paar Milliarden an die Bundesregierung sein, darin muss auch Vorsorge getroffen werden, dass sich ähnliche Fehlentwicklungen (...) nicht wiederholen." Zugleich drängte der Oppositionschef die Regierung aber zur Eile. "Wir können Griechenland nicht weiter trudeln lassen."
Bundesbankpräsident Axel Weber forderte eine deutliche Verschärfung der finanzpolitischen Regeln in der EU. "Der deutsche Steuerzahler profitiert von einem stabilen Euro, und den gilt es zu bewahren", sagte Weber der "Bild"-Zeitung (Donnerstag). Dazu diene auch die an harte Auflagen geknüpfte vorübergehende Unterstützung Griechenlands. "Damit dies aber eine absolute Ausnahme bleibt und es in Zukunft erst gar nicht mehr so weit kommt, müssen wir als eine zentrale Lehre die finanzpolitischen Spielregeln in der EU deutlich schärfen."
Wie die Oppositionsparteien verlangten auch Unionspolitiker eine Beteiligung der Gläubigerbanken an Finanzhilfen sowie harte Sparauflagen für Griechenland. Die Bundesregierung sieht dies skeptisch. Der Chef der deutschen Unionsabgeordneten im EU-Parlament, Werner Langen (CDU), äußerte in der "Welt" (Donnerstag) den Eindruck, "dass im Bundesfinanzministerium die Interessen der Banken über die Interessen der Steuerzahler gestellt werden".
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, forderte in der "Mitteldeutschen Zeitung" (Donnerstag), die Gläubigerbanken unter Druck zu setzen, damit "sie Griechenland die Schulden stunden oder erlassen". Unionsfraktionsvize Michael Fuchs verlangte in der "Welt" eine Umschuldung Griechenlands, also eine verzögerte Rückzahlung der Schulden.
Wie SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte auch der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir die Bundesregierung auf, sich für die Einführung einer Finanzumsatzsteuer auf europäischer Ebene einzusetzen. Bei einem Steuersatz von 0,01 Prozent könne Deutschland pro Jahr 14 Milliarden Euro einnehmen, sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstag).
"Ratingagenturen haben versagt"
Die Rating-Agenturen wurden heftig kritisiert. Die Schuldenkrise war wegen ihrer späten Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands, Portugals und Spaniens noch verschärft worden. Mehrere Ökonomen forderten in der "Welt" deshalb, den Einfluss der Bewertungsagenturen zu beschneiden.
Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger fragte: "Die Ratingagenturen haben von Beginn der Finanzkrise an versagt, warum sollte sich die Europäische Zentralbank (EZB) in dieser kritischen Phase überhaupt noch auf ihr Urteil verlassen?" Der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirates des Finanzministeriums, Clemens Fuest, sagte, das Urteil der Rating-Agenturen werde an den Märkten überbewertet. Auch aus Sicht der Chefs des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Dennis Snower und Michael Hüther, sollte ihnen ihre herausragende Rolle genommen werden.