Ein außergewöhnliches Leben in Deutschland

Ein außergewöhnliches Leben in Deutschland
Während sie aus ihrem Leben und von ihrem Glauben erzählt, übersetzt sie die Worte gleichzeitig mit ihren Händen in die Gebärdensprache. Erlebt hat die Frau, die heute in der Nähe von Marburg lebt, mehr, als es in einem Leben verkraftbar erscheint.
12.04.2010
Karlfried Petri

Ihre deutsche Mutter hatte sich in einen Afrikaner verliebt und wurde schwanger. Heiraten durfte sie ihn nicht. Abtreibungsversuche misslangen. Stephania wurde 1964 geboren. Ihr Vater wusste von der Geburt nichts. Er war bereits wieder in Afrika.

Sie wuchs in der Familie ihrer Mutter auf. Diese heiratete einen deutschen Soldaten. Stephania Sabel: „Der Mann schlug mich und misshandelte mich. Ich wurde auf der Toilette eingeschlossen und bekam Essensreste zu essen. Ich hatte Angst.“ Ihre Oma nahm sich ihrer an.

Opa war mein bester Freund

Für ihren Opa war das farbige  Enkelkind ein großes Problem, ein farbiger Bastard. Am Tag der Hochzeit ihrer Mutter blieb der Opa Zuhause und passte auf das Kind auf. Stephania Sabel: „An diesem Tag hat er sich in mich verliebt. Opa war mein bester Freund. Gott hat ein Wunder getan. Er hat das Herz meines Opas für mich geöffnet.“

Meine Oma hatte schon früher erkannt: Die Kleine kann nichts dafür. Sie wollte für das farbige Kind da sein. Bei ihren Großeltern ging es der kleinen Stephania gut. Sabel: „Der Glaube war in meinem Leben ein wichtiger Bestandteil. Ohne Gott und meine Großeltern hätte ich nicht überlebt.“

Sie wollte etwas von der Welt sehen und reiste mit 19 Jahren nach Afrika. Dort erkrankte sie an Kinderlähmung und konnte nicht mehr laufen. Stephania Sabel: „Es war schwer für mich, das zu akzeptieren. Ich wollte doch Sport studieren, Segeln, Judosport ausüben und tanzen. Ich hatte meinen Lebensplan geschrieben und da stand nicht drin: Rollstuhl, blind und gehörlos.“

Es war ein großer Schritt, diese Situation zu akzeptieren. Sabel: „Ich betete und wusste, dass Gott  mich gesund machen könnte. Aber es passierte nichts. Ich war sauer. Warum machte Gott nichts? Nach einiger Zeit habe ich gedacht: Wenn ich für Gott OK bin, warum kann oder will ich es dann nicht akzeptieren? Gott hat mein Leid nicht verhindert, mir aber das Gefühl gegeben, dass ich nicht allein bin. Gott ist da. Ich habe mich entschieden zu leben – mit Gott.“ Sie lacht, als könne sie es selbst nicht glauben. „Und es klappt.“

Mit der Zeit nahm ihre Sehkraft immer mehr ab. Heute hat sie einen Sehrest von 3 Prozent. Dr. Sabel schmunzelnd: „Ich erhielt eine Brille mit Gläsern dick wie Glasbausteine. Ich sehe nicht viel, aber ich bin dankbar, dass ich noch etwas sehen kann.“
Sie erlitt zudem immer wieder Hörstürze, konnte Medikamente nicht vertragen. Hörgeräte halfen nicht wirklich. Heute erlebt sie die Welt durch Vibrationen.

Trotz ihrer Behinderung sei sie immer sie selbst geblieben. Ärgerlich ist die kraftvolle Frau darüber, wenn andere Menschen ihr Grenzen setzen wollen und sie wie ein kleines Kind behandeln, sie manchmal sogar einfach duzen. Sabel: „Hallo – ich bin 45 Jahre alt.“ Sie schildert humorvoll, wie sie in Afrika von einem Boot gezogen mit einem Gleitschirm über das Wasser geflogen ist. Man hatte es ihr nicht zugetraut. Grenzen werden von ihr erst einmal hinterfragt. Sabel: „Ich lebe mein Leben. Dazu gehört, dass ich Spaß habe.“

Ergreifend erzählte sie, wie sie ihren Vater kennen lernte. Mit einem alten Bild ihres Vaters im Gepäck reiste sie nach Afrika.   Auf dem Flughafen in Kinshasa zeigte sie voller Gottvertrauen das Foto herum: „Kennen sie diesen Mann?“ Es dauerte keine drei Stunden, da wurde ihr Name gerufen. Ein Mann hatte das Bild in die Hand bekommen, der die Person auf dem Bild kannte – ihr Bruder, der sie zu ihrem Vater brachte. „Es war ein tolles Gefühl, zum ersten Mal meinen Vater in den Arm zu nehmen.“

Das intelligente junge Mädchen wollte studieren. Auch hier versuchten Menschen ihr Grenzen zu setzen und sie in eine Behindertenwerkstatt abzuschieben. Sie solle nicht so verrückte Gedanken im Kopf haben. Sabel: „Wieder eine Grenze für mich im Kopf eines anderen.“ Sie besuchte das Gehörlosenkolleg in Essen und studierte anschließend. Sie promovierte über „Gottesdienste für taubblinde und geistig behinderte erwachsene Menschen“. Heute hat sie viele Berufe. Sie ist Dipl. Sozialpädagogin, Dipl. Religionspädagogin, Diakonin, Pastorin und vieles mehr. Zurzeit schreibt sie an ihrer Habilitation. Sabel: „Mein schönster Beruf ist allerdings Mutter sein.“

Schon immer hatte sie sich nach einem Kind gesehnt. Einen Mann, der zu ihr gepasst hätte, hat sie nicht. Künstliche Befruchtungen schlugen fehl. Schließlich ergab es sich, dass sie Ijan, den drei Monate alten Sohn ihrer Schwägerin adoptieren konnte, der in Afrika nicht überlebt hätte. „Das Kind ist mein ganzes Glück. Er ist nun 3 Jahre und 5 Monate alt, frech und gesund.“ Mutter und Kind haben die deutsche Staatsangehörigkeit.

Sie erzählt, wie sie mit dem Kind in der Deutschen Botschaft in Kinshasa den Kriegsausbruch erlebte, wie ihr Vater, Prinzregent des Afrikanisch-Kongolesischen Königshauses Isumo, ihr offenbarte, dass sie aus einem alten Königshaus stamme und eine geborenen Prinzessin des Volkes Isumo sei. „Ich war platt und erschrocken, als er mir sagte: ‚Du sollst meine Nachfolgerin werden.‘“ Ihr Volk ist ein hungerndes Volk. Wie soll sie für sie sorgen? Gedanken, die nun das Leben der Kronprinzessin bestimmen.

Die 44.000 Menschen der Isumo haben sich mittlerweile dazu entschlossen, Dr. Prinzessin Stephania Sabel zu ihrer Königin zu krönen. Für den 17. Juli 2010 ist die Krönung geplant. Dann wird sie ihren Vater wiedersehen. „Viele Kinderaugen werden strahlen wenn ich komme.“ Mein Volk, so erzählt sie später im Gespräch, wird sie von Deutschland aus regieren. Ihre Aufgabe als Königin fordert von ihr, die Tradition des Volkes zu wahren und den Menschen humanitär zu helfen. In die Staatspolitik der Demokratischen Republik Kongo, zu der das Volk gehört, darf sie sich nicht einmischen.

Um organisatorisch helfen zu können, gründete sie InsumoForLife e.V.. Der Verein hat sie kürzlich als Pastorin angestellt. „Jetzt reise ich wie eine Art Wanderpredigerin umher und sammle Spenden für mein hungerndes Volk in Afrika.“ Die Medien wurden auf die außergewöhnliche Frau aufmerksam.