Zehn Jahre Babyklappe: Hilfe und Kritik gleichermaßen

Zehn Jahre Babyklappe: Hilfe und Kritik gleichermaßen
Vor zehn Jahren, am 8. April 2000, lag zum ersten Mal in Deutschland ein Säugling in einer Babyklappe. Die Diskussionen sind seit dem Zeitpunkt nicht weniger geworden - im Gegenteil.
06.04.2010
Von Sarah Salin

Der Verein SterniPark hatte das geschützte Wärmebettchen, in das Frauen anonym ihr Neugeborenes legen können, in Hamburg eingerichtet. Kein Kind dürfe schaden nehmen, weil seine Mutter überfordert ist, erklärt Leila Moysich, Leiterin des Projekts Findelkind bei SterniPark, die Motivation der Initiative. Heute gibt es bundesweit fast 100 Babyklappen, doch unter Politikern und Ethik-Experten sind sie heftig umstritten.

Ziel der Klappen ist es, dass ungewollt schwangere Frauen in Notsituationen nach der Geburt eine Möglichkeit haben, ihr Kind anonym in geschützte Obhut zu geben. "Wir helfen verzweifelten Frauen," sagt Moysich.

Kritisch steht dagegen der Deutsche Ethikrat zu den Babyklappen. Sie seien rechtswidrig und ethisch problematisch, heißt es einer Stellungnahme vom November 2009. In den vergangenen zehn Jahren seien 300 bis 500 Kinder zu "Findelkindern mit dauerhaft anonymer Herkunft" geworden. Mit deutlicher Mehrheit hat sich der Ethikrat für die Abschaffung von Babyklappen und aller Angebote zur anonymen Geburt ausgesprochen. Rund 130 Krankenhäuser in Deutschland bieten anonyme Entbindungen an.

Die Gesellschaft solle keine direkten oder indirekten Anreize bieten, Eltern aus ihrer Verantwortung zu entlassen, sagte der Vorsitzende des Ethikrates, Edzard Schmidt-Jortzig. Durch anonyme Geburten und Babyklappen würden "grundsätzlich falsche Signale" gegeben.

Flächendeckendes Netz von Beratungsstellen

Zudem gebe es in Deutschland ein flächendeckendes Netz gut erreichbarer Beratungsstellen und Adoptionsvermittlungsstellen, die sich um Probleme schwangerer Frauen und Mütter fachkundig kümmerten. Beratungsgespräche könnten auch anonym geführt werden, hieß es in der Stellungnahme. Die Einrichtungen könnten bei der Abgabe eines Kindes an staatliche Stellen helfen, ohne dass das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft verletzt werden müsse. Kinder ohne Wissen um ihre Eltern liefen Gefahr, psychisch zu zerbrechen.

Als Alternative schlug das Gremium vor, die bestehenden Beratungsangebote zu verbessern und ein Gesetz zur "vertraulichen Kindesabgabe mit vorübergehend anonymer Meldung" zu beschließen. Dabei wird der Frau zugesichert, dass ihre Daten ein Jahr lang ab Geburt des Kindes nur der Beratungsstelle und nicht den Meldebehörden mitgeteilt werden.

Die Empfehlung des Ethikrats trifft jedoch auf Gegenstimmen: "Babyklappen sind mehr als ein Ort der Ablage eines unerwünschten Babys", sagte Moysich. Sie seien vielmehr oft der einzig mögliche Zufluchtsort für verzweifelte Mütter in hoffnungslos erscheinenden Situationen. Die Empfehlung des Ethikrates sei "lebensfern", urteilte auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Jedes Kind, das durch eine Babyklappe gerettet oder vor Schaden bewahrt werde, sei ein Argument gegen die Entscheidung des Rates.

Der Ethik-Rat wies jedoch Vorwürfe zurück, er habe mit seiner Kritik an Babyklappen das Leben eines Kindes geringer gewichtet als die Kenntnis um seine Herkunft. Die Kritik gelte vielmehr dem Umstand, dass diese Angebote die Frauen nicht erreichten, die ihr Kind aussetzen oder gar töten, sagte Schmidt-Jortzig. Auch das Kinderhilfswerk terre des hommes stützt diese These: Die bestehenden Angebote hätten nicht dazu beigetragen, die Tötung von Neugeborenen zu verhindern. Auch sei die Zahl getöteter Neugeborener in den zehn Jahren seit der Existenz von Babyklappen nicht rückläufig.

Erreichen die Angebote die Frauen nicht?

Die Vorsitzende des Bundestag-Familienausschusses, Sibylle Laurischk (FDP), hat sich ebenfalls gegen die Einrichtungen ausgesprochen. Es gebe keine Hinweise darauf, das Babyklappen tatsächlich Leben retteten, sagte Laurischk am Donnerstag in Berlin. Stattdessen müsse die Beratung und Versorgung von Schwangeren verbessert werden. "Babyklappen sind kein Modell der Zukunft", sagte die Abgeordnete. Die Abgabe eines Kindes löse die Probleme meistens nicht. Mütter bräuchten vielmehr Schutz und Unterstützung in einer Notsituation.

Eine bundesweit qualifizierte wissenschaftliche Auswertung zu dem Thema gibt es bislang nicht. Im Koalitionsvertrag von Union und FDP heißt es, "das Angebot der vertraulichen Geburt sowie mögliche Rechtsgrundlagen sind zu prüfen". Doch bevor ein Gesetzesentwurf entstehen könne, müsse erst eine beim Familienministerium in Auftrag gegebene Studie vorliegen, teilte das zuständige Referat mit.

"Das Forschungsprojekt ist Anfang des Jahres gestartet", sagte dazu Doris Jansen-Tang, die in Bonn das Referat für Frauengesundheit des Bundesfamilienministeriums leitet. Bisher würden in einem ersten Schritt über die Beratungsstellen Daten erhoben. Später solle versucht werden, über die Stellen Kontakt zu betroffenen Frauen herzustellen. Erste interne Ergebnisse werden im Herbst erwartet. Die komplette Studie kann frühestens im Mai 2011 vorgelegt werden.

epd