Während katholische und evangelische Bischöfe in Deutschland einen Neuaufbruch der Kirche und die Aufklärung aller Vorwürfe forderten, schwieg Papst Benedikt XVI. bei der Ostermesse auf dem Petersplatz in Rom zu dem Skandal. Der Dekan des Kardinalskollegs, Angelo Sodano, hatte zu Beginn der Messe mit dem Papst betont, das "Volk Gottes" lasse sich nicht vom "Geschwätz des Augenblicks" beeindrucken.
Beim traditionellen Segen "Urbi et Orbi" (der Stadt und dem Erdkreis) sagte der Papst am Sonntag, die Menschheit erlebe derzeit eine "Krise, die tiefe Veränderungen verlangt". Gleichzeitig forderte er eindringlich ein Ende von Krieg und Gewalt, insbesondere in Afrika und im Nahen Osten. In Anwesenheit von Zehntausenden Pilgern und Touristen sprach Benedikt nach der Ostermesse bei strömendem Regen Glückwünsche in 65 Sprachen.
Die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" bezichtigte internationale Medien unterdessen, "grobe Propaganda gegen den Papst und die Katholiken" zu verbreiten. Bischöfe und Kardinäle aus aller Welt verteidigten demnach in ihren Predigten während der Osterzeit das Kirchenoberhaupt gegen "verleumderische Attacken und eine diffamierende Kampagne".
Bischof prangert Misshandlung der Kirche an
Der Pariser Erzbischof, Kardinal André Vingt-Trois, sieht in den Vorwürfen wegen des Umgangs mit sexuellem Missbrauch durch Kleriker der Vatikanzeitung zufolge eine "Offensive zur Destabilisierung des Papstes". Der Vorsitzende der Spanischen Bischofskonferenz, Antonio María Rouco Varela, sprach in Madrid von dem derzeit "so sehr beleidigten und angegriffenen" Papst. Benedikt wurde in den vergangenen Wochen von Kritikern immer wieder vorgehalten, dass er als Erzbischof von München und Freising und in den 90er Jahren als Chef der römischen Glaubenskongregation die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen verschleppt habe.
Der Erzbischof von Mexiko-Stadt, Norberto Rivera Carrera, beklagte der Vatikanzeitung zufolge "Lügen und Bösartigkeiten wegen einiger unehrlicher und verbrecherischer Priester". Der Erzbischof von Lima, Kardinal Juan Luis Cipriani, prangerte eine Misshandlung der Kirche durch "Feinde", "mangelnden Respekt" und "demonstrativen Zynismus" an.
Der päpstliche Hausprediger Raniero Cantalamessa bat derweil um Entschuldigung für seinen aus dem Brief eines jüdischen Freundes zitierten Vergleich zwischen dem Holocaust und Vorwürfen wegen Missbrauchsskandale gegen den Vatikan. Vatikansprecher Federico Lombardi hatte sich wenige Stunden, nachdem Cantalamessa während der Karfreitagsliturgie in Anwesenheit des Papstes den Vergleich gezogen hatte, von der Äußerung distanziert.
Zollitsch: Kirche braucht Neuanfang
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, erklärte angesichts des Missbrauchsskandals, die Kirche brauche einen Neuanfang. Die abscheulichen Verbrechen, die dunklen Seiten der Kirche sowie "die Dunkelheiten in uns" müssten in den Blick genommen werden, schrieb der Freiburger Erzbischof laut Mitteilung seiner Diözese in seiner Osterbotschaft. Trotz des Missbrauchsskandals sollten die Kirchenmitglieder jedoch engagiert für ihren Glauben eintreten, forderte er. Wegen einer Erkrankung hatte Zollitsch seine Teilnahme an den Oster-Gottesdiensten abgesagt.
Der amtierende Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sagte in seiner Osterpredigt in Düsseldorf, Ostern sei ein Zeichen dafür, dass der Tod nicht das letzte Wort habe. Der Glaube an die Auferstehung des gekreuzigten Jesus Christus sei eine "Lebensmacht", "die auf Gottes Zukunft hin schon hier und schon jetzt unser irdisches Leben verändert."
Zu den Missbrauchsfällen sagte Schneider im Deutschlandfunk, die Kirchen müssten alles tun, um sie nicht zu verharmlosen. Sie müssten den Opfern helfen und sie anerkennen. Ihre Interessen seien bei der Aufklärung "maßgeblich". Im Umgang mit den Tätern riet der rheinische Präses zu einer konsequenten Strafverfolgung.
Impuls für die Heilung verletzter Seelen
Der katholische Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, bezeichnete die sexuellen Übergriffe durch Priester und Ordensleute als "verabscheuungswürdige Verbrechen". Die bekanntgewordenen Fälle müssten Impuls sein, neu aufzustehen für unversehrtes Leben und die Heilung verletzter Seelen, sagte Fürst in Stuttgart.
Als "besonders abscheulich" verurteilte der bayerische evangelische Landesbischof Johannes Friedrich den Missbrauch von Kindern. Die schrecklichen Taten wiegten noch schlimmer, wenn sie in der Kirche geschähen, weil die Menschen mit Recht erwarteten, dass die Kirche Kinder als Gottes geliebte Geschöpfe achte und ihr Leben schütze, sagte Friedrich in München.
Ostern ist das älteste und wichtigste Fest der Christenheit. Es erinnert an die Mitte des christlichen Glaubens: die Auferstehung Jesu Christi von den Toten nach seinem Leiden und Sterben am Kreuz. Das Osterfest ist daher ein Symbol für den Sieg des Lebens über den Tod. In der frühen Christenheit fanden oft Taufen an diesem Tag statt.