Sieben Shows hat es gedauert - nun steht fest: Lena fährt für Deutschland zum Eurovision Song Contest nach Oslo. Beim Finale am Freitag entschieden sich die Zuschauer mehrheitlich für sie. Ob Lena aber in Oslo den selben Erfolg haben wird wie beim heimischen Publikum, ist etwas fraglich. Denn die eigentlich spannende Frage beim Finale war: Wie sind die Songs? Und leider muss man feststellen, dass der ganz große Wurf nicht dabei war. "Bee", "Satellite", "I care for you" und "Love Me" hießen die Songs, die zur Auswahl standen. Satellite wurde es schließlich und wie bei den anderen Titeln hatte man beim ersten Hören nicht den Eindruck, es mit einem echten Siegerkandidaten für Oslo zutun zu haben. Allerdings gibt es auch Lieder, die wachsen – so genannte "Grower". Lieder, die einem erst dann richtig gefallen, wenn man sie öfters gehört hat. "No No Never" von Texas Lightning war so ein Song.
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Die Show selbst ging zäh los. Die "historische Zusammenarbeit" der ARD mit ProSieben wurde gelobt, es folgten einige Einspieler zur Gastgeberstadt Oslo und ehemaligen Grand-Prix-Höhepunkten: Lordi, Nicole, Abba, Katja Ebstein. Ja, so vielseitig ist der Grand-Prix. Durchaus emotional war aber der Rückblick auf die Entwicklung der beiden "Stars" Jennifer und Lena im Laufe der Shows. Vor allem der Ausschnitt mit Lena beim ersten Vorsingen war beeindruckend. Wer auch immer sie nach diesem beinahe bizarren Auftritt in die Runde der letzten 20 geschickt hat, er scheint ein sehr gutes Auge (oder Gehör) für Talent zu haben!
Nicht optimal
Jennifer machte ihre Sache beim ersten Titel "Bee" gut. Und das, obwohl das Lied nicht unbedingt für sie gemacht war. "Bee" ist ein netter Feel-Good-Titel, der beim ersten Hören nicht unbedingt ins Ohr geht. "Grottenlangweilig", lautete der Kommentar einiger Zuschauer über Twitter. Für den Grand-Prix daher nicht unbedingt optimal.
Bei Lena machte der Titel aber gleich ein wenig mehr Spaß. Sie interpretierte "Bee" leichter und "luftiger". Man nahm ihr die "Biene" ab, die frei und fröhlich von Blüte zu Blüte fliegt und das Leben genießt – natürlich wohl wissend, dass die Jungs nur Augen für sie haben. Lena hat zwar eine Unschuldsattitüde, aber eigentlich hat sie es auch faustdick hinter den Ohren. "Du hast mir den unbekannten Song so verkauft, als wäre es Deiner", lobte dann auch Xavier Naidoo. Und Raab ergänzte: "Man läuft Gefahr, zum Esoteriker zu werden."
Auch der zweite Titel – Satellite – gehörte für Jennifer in die Kategorie Ballade. Ein Titel, der ebenfalls nicht unbedingt wie für sie gemacht schien. Aber anders als "Bee" bleibt er im Ohr, was für einen Hit wichtig ist. Für ihre Interpretation bekam Jennifer viel Zuspruch von der Jury. "Guter flow", lobte Naidoo, der überhaupt viel denglisch sprach und dennoch forderte, es müsse mal wieder ein deutsches Lied zum Grand-Prix.
Up-Tempo-Nummer
Erneut ganz anders klang das Lied bei Lena, die aus "Satellite" eine Up-Tempo-Nummer machte - die ihr aber nicht wirklich lag. Es machte den Eindruck, als sei "Satellite" viel zu tief für ihre Stimme. Manchmal sprach sie mehr, als dass sie sang. "Du musst nicht alles schnell machen", sagte auch Stefanie Kloß (Silbermond). Lob bekam Lena aber von Xavier Naidoo und Stefan Raab. Und auch das Publikum entschied schließlich, dass "Satellite" Lenas Titel für Oslo werden sollte. Als sie den Titel später nochmals sang, klappte es immerhin etwas besser.
Als eigenen Song wählte sich Jennifer dann "I Care For You", natürlich eine etwas rockigere Nummer, die ihr gut lag und auch von den Zuschauern für sie ausgewählt wurde. "Für Dich am stärksten", lobte Xavier Naidoo, kritisierte aber auch, sie habe "die Spannung nicht durchgehalten". Raab wiederum freute sich, dass Jennifer "richtig bock" gehabt habe: "Das war ein echter Knaller." Lena hatte sich einen Titel mit dem Namen "Love Me" ausgesucht, der klang, wie Lenalieder eben klingen. Etwas trivial wirkte das stetige "Ding Dong" in dem Titel, womit "Love Me" letztlich wie eine aufgepeppte Türklingel wirkte. Aber natürlich hielt auch dies die Jury nicht davon ab, munter Komplimente zu verteilen. Beim Publikum hingegen fiel der Song - knapp - durch.
Ein gelungenes Experiment
Unterm Strich war "Unser Star für Oslo" ein gelungenes Experiment. Was hat uns die Sendung nicht alles geboten! Vor allem Jennifer Braun steigerte sich von Runde zu Runde. In der ersten Ausgabe legte sie zwar mit "I´m Outta Love" einen rockigen Auftritt hin, war aber nicht so überzeugend wie Christian Durstewitz, Leon Taylor oder auch Maria-Lisa Straßburg, die – so schnell kann es gehen – schon fast wieder in Vergessenheit geraten ist. Bierzelttauglich rockte sich Jennifer bis ins Finale und drehte erst in der letzten Ausgabe so richtig auf, als sie mit Christina Aguileras "Hurt" Christian Durstewitz, der wie fürs Finale gesetzt schien, die Show stahl.
Und Lena? Sie war der Favorit des Anfangs. Mit ihrem eigenen Lenastil, für die irgendein kluger Musikkritiker noch die richtige Bezeichnung finden muss, sang sie unbekannte Lieder von Adele oder The Bird and The Bee, hüpfte fröhlich durch die Gegend und charmierte mit dem Publikum. "Die Menschen werden Dich lieben", sagte Marius Müller-Westernhagen gleich in der ersten Ausgabe zu ihr und behielt recht. "Never trust the hype", gab ihr aber auch Adel von "Ich und Ich" mit auf den Weg und könnte ebenfalls recht behalten – die Zukunft wird es zeigen.
Mehr auf die Sahne hauen!
Die Quoten auf ProSieben und im Ersten blieben insgesamt etwas hinter den Erwartungen zurück und sehr weit hinter denen von anderen Castingformaten wie "Deutschland sucht den Superstar". Raab sei nicht so bissig wie gewohnt gewesen und somit für die ARD, bei der Bravheit mit Moderatoren wie Jörg Pilawa oder Frank Elstner ja durchaus ein Markenzeichen sein kann, kein Zugewinn, monierten einige Kritiker. Der "Stern" urteilte gar, Raab habe früher "jeden angepinkelt", inzwischen sei er quasi stubenrein und dürfe auch ins Wohnzimmer.
Alles Unsinn! Klar: Die Jury-Mitglieder hätten ruhig mal etwas auf die Sahne hauen dürfen, aber wahrscheinlich wollten sie es sich einfach mit niemandem verscherzen, die meisten müssen ja auch noch Platten verkaufen und Konzertsäle füllen (Merke: Fisch mit Gräten gibt es ständig, Star mit Rückrat selten!). Aber solange ProSieben nun nicht dafür, dass es am öffentlich-rechtlichen Auftrag Grand Prix mitgewirkt hat, einen Teil der Rundfunkgebühren für sich reklamiert, war die Kooperation mit dem Ersten ein echter Erfolg. Dem Öffentlich-Rechtlichen brachte Raab zumindest einige junge Zuschauer. Vor allem aber schickt Deutschland diesmal eine Sängerin nach Oslo, die schon jetzt eine große Fangemeinde hat. Und diese Fans werden auch Ende Mai vor dem Fernseher sitzen, wenn es gilt, die Daumen zu drücken.
Wer war Oscar?
Welchen Platz irgendein Oscar machte, der angeblich sang und "swingte" während sich im Hintergrund eine Dita von Teese räkelte als trete sie bei einem Tingeltangel auf der Reeperbahn auf, interessierte im vergangenen Jahr nun wirklich niemanden. Die deutschen Fans in Moskau schämten sich sogar ein wenig. In Oslo können sie etwas stolzer auftreten – wäre da nicht dieses Lied!
An here the points from the evangelisch.de-Jury
Lena: 12 points
Jennifer: 12 points
Song: 8 points
Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de und betreut die Ressorts Medien und Kultur