Stille, Trauer und Zuversicht: Eine Stadt im Gedenken

Stille, Trauer und Zuversicht: Eine Stadt im Gedenken
Stille, Trauer und Zuversicht: Winnenden schaut zurück und nach vorn. Mit klammen Händen und Tränen im Gesicht legten die Schüler der Albertville-Realschule am Donnerstag Steinplatten und rote Rosen für ihre erschossenen Klassenkameraden und Lehrerinnen nieder. Ein Jahr nach dem Amoklauf formten sie aber auch einen "Weg in die Zukunft", mit Kieselsteinen, beschriftet mit Worten der Hoffnung: "Liebe", "Frieden" oder "Engel".

"Der 11. März ist klar ein Teil unseres Lebens geworden. Doch wir wollen nicht, dass er unser Leben beherrscht", sagte ein Schüler bei der Gedenkfeier. Bundespräsident Horst Köhler, der bereits im Vorjahr zu den Trauernden gesprochen hatte, fand bei dichtem Schneetreiben und klirrender Kälte warme Worte des Trostes: "Nichts ist mehr, wie es vorher war; das ist wahr. Aber was jetzt ist, das ist eben auch so viel mehr als Nichts. Etwas Neues ist im Entstehen begriffen."

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Wieder erinnerte Köhler an die Eltern des 17 Jahre alten Amokschützen. Sie waren von der Stadt nicht zur Gedenkstunde eingeladen worden. "Ich füge auch heute hinzu: Auch die Familie des Täters hat ein Kind verloren. Auch für sie ist eine Welt zusammengebrochen." Köhler forderte außerdem vor den mehreren hundert Trauergästen weitere Beschränkungen für den Zugang zu Waffen und strengere Regeln für Medien.

Kirchenglocken und stille Trauer

Die Eltern und Verwandten der 15 Toten hatten sich bereits am frühen Morgen in der Hermann-Schwab-Halle gegenüber der Realschule versammelt. Nach Angaben eines Teilnehmers wurden dort auf einer Videoleinwand Bilder aus dem Leben der Opfer gezeigt und Gedichte vorgetragen, teilweise mit Musik untermalt. Schüler schmückten im Saal einen Laubbaum mit Symbolen wie einer Sonne, einem Engel oder einem Fußball. Auf diesen sind die Namen der Toten eingraviert. Der Baum soll auf dem Hof der Albertville-Realschule eingepflanzt werden, die nach einem Umbau im Herbst 2011 wieder bezogen werden soll.

Zum Zeitpunkt des Gewaltverbrechens vor einem Jahr um 9.33 Uhr bildeten die Trauernden eine Menschenkette an der Schule. Um 9.33 Uhr läuteten in Winnenden alle Kirchenglocken. In der Innenstadt verließen viele Menschen die Geschäfte und gesellten sich zu den Passanten, die auf den Straßen stehen blieben und im Gedenken verharrten.

Tränen flossen, die Stille wurde von vereinzeltem Schluchzen durchbrochen. Zugleich läuteten alle Kirchenglocken in Winnenden. "Es war ohne jede Aktion, außer mit vielen, vielen Tränen und Worten, die man nicht gefunden hat. Es war ein Stück Abschluss des Geschehens, aber auch ein Blick in die Zukunft", beschrieb Regierungsschuldirektor Wolfgang Schiele den nicht-öffentlichen Gedenkteil. "Wir sind aufmerksamer geworden. Sensibler", sagte der Oberbürgermeister von Winnenden, Bernhard Fritz (CDU).

Mühsamer Weg in die Zukunft

Neben Köhler waren auch viele Politiker der baden-württembergischen Landesregierung dabei, um ihre Anteilnahme und Unterstützung zu zeigen. Unter ihnen Ministerpräsident Stefan Mappus, Innenminister Heribert Rech, Kultusministerin Marion Schick (alle CDU), Justizminister Ulrich Goll (FDP). Sie hielten sich mit Ansprachen zurück, um der Trauer der Schulgemeinschaft genügend Raum zu geben. Die Leiterin der Albertville-Realschule, Astrid Hahn, sagte über die Zukunft: "Es wird ein langer Weg für unsere Schule werden. Ein Weg, der sicher nicht gerade verläuft. Er wird manchmal verschlungen sein. Er wird holprig sein. Er wird mühsam sein."

Frische Blumen und brennende Kerzen schmückten den Friedhof im Dorf Weiler zum Stein, wo ebenfalls des Amoklaufes gedacht wurde. Vier Opfer des Amokläufers, Schulfreundinnen mit Geburtsdaten aus den Jahren 1992 bis 1994, liegen hier direkt nebeneinander begraben. Kristina, Jana, Chantal und Steffi - auf ihren Grabsteinen steht das gleiche Todesdatum: 11. März 2009. Trauende zündeten Kerzen an, auch ein Kranz mit frischen Blumen liegt auf einem Grab. Schnee bedeckt die Erinnerungsstücke, Postkarten, Fotos und Blumen.

Landtag berät über Bericht des Sonderausschusses

In Wendlingen, wo der Amoklauf sein Ende gefunden hatte, erinnerte nur wenig an das blutige Geschehen vor genau einem Jahr. Am Rathaus war Trauerbeflaggung aufgezogen. Flaggen mit Trauerflor wehten auch im Gewerbegebiet vor dem Autohaus, wo der Täter einen Kunden und einen Verkäufer getötet hatte. Kurz danach hatte sich der Amokläufer auf dem Parkplatz davor selbst erschossen.

Am Nachmittag wollte der Landtag in Stuttgart über den Bericht des Sonderausschusses zum Amoklauf beraten. Das Gremium empfiehlt unter anderem, die Zahl der Schulpsychologen auf 200 zu verdoppeln. Zudem sollen mehr Gewaltpräventionsberater und Beratungslehrer eingesetzt werden. An allen Schulen des Landes soll es ein Anti-Gewalt-Programm geben.

dpa