ÖKT: Ein Glaubensfest, das heikle Themen nicht ausspart

ÖKT: Ein Glaubensfest, das heikle Themen nicht ausspart
Glaubenstreffen und politisch-gesellschaftliche Bestandsaufnahme: Zwei Monate sind es noch bis zum Ökumenischen Kirchentag im Mai in München. Nach dem Willen der Veranstalter sollen dabei auch heikle Fragen nicht ausgeklammert werden. Erwartet werden weit mehr als 100.000 Besucher.
10.03.2010
Von Bernd Buchner

Gewalt und Missbrauch an katholischen Schulen, eine alkoholbedingt zurückgetretene EKD-Ratsvorsitzende, Stillstand im konfessionellen Gespräch: Die Kirchen in Deutschland können sich zurzeit über mangelnde schlechte Presse nicht beklagen. Der Ökumenische Kirchentag (ÖKT) im Mai in München will hingegen ein anderes, positives Bild des Glaubens und seiner Rolle in der Gesellschaft vermitteln – zugleich aber heikle Fragen nicht ausblenden, wie bei der Programmvorstellung am Mittwoch in der bayerischen Landeshauptstadt deutlich wurde.

Das Christentreffen vom 12. bis 16. Mai wolle auch Themen behandeln, "die uns gegenwärtig bedrücken und beschämen", sagt der evangelische ÖKT-Präsident Eckhard Nagel. So soll der sexuelle Missbrauch an kirchlichen Einrichtungen im Mittelpunkt zweier Expertenrunden stehen. Der jüngst ernannte Missbrauchsbeauftragte der katholischen Bischofskonferenz, der Trierer Oberhirte Stephan Ackermann, rief sogar persönlich in München an, um einen entsprechenden Vorschlag zu machen und seine Teilnahme zuzusagen.

Fast 3.000 Veranstaltungen

Im 720-seitigen ÖKT-Programmheft, das 2.950 Veranstaltungen auflistet, konnten die neuen Entwicklungen nicht mehr berücksichtigt werden. Auch Margot Käßmann ist dort noch als Bischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aufgeführt. "Die Einladung an sie bleibt bestehen", so Nagel. Käßmann selbst hat sich nach Angaben der Veranstalter noch nicht entschieden, ob sie in München dabei ist. Die Termine, zu denen sie als Ratschefin eingeladen wurde, wird wohl ihr kommissarischer Nachfolger übernehmen, der rheinische Präses Nikolaus Schneider.

"Wir spüren alle, dass wir in einer Phase tiefgreifender Veränderungen sind", betont der katholische ÖKT-Präsident Alois Glück, als er die inhaltlichen Leitlinien des Treffens umreißt. "Unsere Art zu leben und zu wirtschaften ist nicht zukunftsfähig." Der CSU-Politiker spricht von einer verbreiteten gesellschaftlichen Angst, der die Christen etwas entgegensetzen wollten. Nicht umsonst lautet das Motto des Ökumenischen Kirchentags "Damit ihr Hoffnung habt". Es ist dem 1. Petrusbrief aus dem Neuen Testament entnommen.

Zahllose Prominente

"Hoffnung in Zeiten der Verunsicherung" lautet folgerichtig das Motto einer der zentralen ÖKT-Podiumsveranstaltungen – erwartet wird dort auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie ist eine von zahllosen Prominenten, die sich das größte Christentreffen in Deutschland nicht entgehen lassen wollen. Neben Größen aus Politik, Wirtschaft oder Kultur sind auch kirchliche "Stars" vertreten, etwa Jörg Zink, Hans Küng, Anselm Grün oder der neue ÖRK-Chef Olav Fykse Tveit. Andere Namen fehlen hingegen, so der päpstliche Ökumeneminister Walter Kasper oder Jürgen Fliege.

Die internationale Finanzkrise, die Frage nach sozialer Gerechtigkeit sowie der Zustand der Ökumene dürften die wichtigsten Schwerpunkt des Kirchentags werden. "Die Finanzkrise war kein Betriebsunfall", sagt Glück (im Bild rechts neben Eckhard Nagel) und übt heftige Kritik an einer Wachstums- und Freiheitsideologie, die ohne Verantwortung auszukommen glaubt. Doch Christen, so der frühere bayerische Landtagspräsident, säßen nicht auf dem "moralischen Hochsitz": Ihnen gehe es um eine Verbindung von Werten mit entsprechender Sachkompetenz und Engagement.

"Feiern und ausgelassen sein"

Abseits der großen Podien und Diskussionsveranstaltungen, die in der Neuen Messe München stattfinden, will sich der ÖKT mit einem vielfältigen geistlichen und kulturellen Angebot in der ganzen Stadt bemerkbar machen. Er mache ein "ganz besonderes Angebot für Menschen, die auf der Suche nach Orientierung sind", erläutert Nagel. Das Treffen wolle ein "lebensnaher Ort des Glaubens und des Betens sein, auch ein Ort der Begegnung". Manchen ernsten Themen zum Trotz: "Wir wollen miteinander feiern und ausgelassen sein."

Und die Ökumene, die dem Münchner Glaubensfest den Namen gegeben hat? Viel ist von Eiszeit die Rede, in diesen kalten Vorfrühlingstagen ein passendes Bild. Etwa im Amts- und Kirchenverständnis gebe es einen "verschneiten Zugang" zwischen Katholiken und Protestanten, so Nagel. Im Mai ist es wärmer, doch ein gemeinsames Abendmahl ist in München nicht vorgesehen. Immer wieder warnen die Veranstalter vor als provokant empfundenen Aktionen, wie sie am Rande des 1. Ökumenischen Kirchentages im Jahr 2003 in Berlin stattfanden.

Kein gemeinsames Abendmahl

Bei dem Münchner Treffen ist immerhin eine gemeinsame Segnung von Brot, Öl und Trauben vorgesehen – im Rahmen einer großen orthodoxen Abendfeier auf dem Odeonsplatz. Dort, am nördlichen Abschluss der Innenstadt, sollen in den ÖKT-Tagen auch 1.000 Tische platziert werden, die zum Verweilen, Plaudern sowie zum Essen und Trinken einladen. So wird die Idee der "Tischgemeinschaft", die von den Christen aller Konfessionen so schmerzlich vermisst wird, zumindest auf dieser symbolischen Ebene Wirklichkeit.


Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de für die Ressorts Politik und Religion.