Tragisches Ende einer Kreuzfahrt

Tragisches Ende einer Kreuzfahrt
Ein tragisches Ende nahm eine Mittelmeerkreuzfahrt für zwei Urlauber: Sie starben, als während eines Sturms vor der spanischen Costa Brava drei große Wellen ihr Schiff trafen und einen Salon überfluteten. Die beiden Toten kamen aus Deutschland und Italien, 16 weitere Passagiere wurden verletzt. Das Kreuzfahrtschiff wurde wohl Opfer so genannter "Freak Waves", unberechenbarer Ozeanwellen, die über 30 Meter hoch werden können.
04.03.2010
Von Hanno Terbuyken

Etwa 70 Urlauber hatten sich auf dem Kreuzfahrtschiff "Louis Majesty" zu einem Drink im Salon versammelt und blickten auf die aufgewühlte See. Plötzlich zerbarsten die Scheiben und das Meer schwappte in den Raum. Ein 69-jähriger Urlauber aus Nordrhein-Westfalen und ein 52 Jahre alter Italiener wurden dabei getötet, 16 weitere Passagiere verletzt.

"Kinder kamen mir auf dem fünften Deck entgegen und schrien ganz furchtbar. Eine Riesenwelle hatte erst eins und dann weitere vier, fünf Fenster auf Deck fünf eingeschlagen", berichtete die Augenzeugin Renée Melms am Donnerstag der dpa am Telefon: "Eine Riesenmenge Wasser kam rein und schlug das Mobiliar um", sagte die 63-jährige Hamburgerin: "Es sind auch etliche Passagiere von den herumfliegenden Scheiben getroffen worden. Der Salon stand in null Komma nichts unter Wasser, und es tropfte in die darunter liegenden Decks." Dass zwei Passagiere gestorben waren, erfuhr sie erst später.

Zuvor hatte Renée Melms das Spektakel der aufgewühlten See genossen, genau wie die Passagiere im später überspülten Salon: "Ich hatte meine Kabine auf Deck 3, gefühlt sechs bis acht Meter über dem Wasserspiegel. Von dort aus konnte ich das gut beobachten, und am Anfang war es berauschend im wahrsten Sinne des Wortes, ein tolles Schauspiel", sagte Melms.

Unberechenbare Stürme vor der Costa Brava

Die "Louis Majesty", 40.876 Bruttoregistertonnen groß, war auf der Höhe von Cap Begur vor der Costa Brava im Nordosten Spaniens unterwegs, als die drei Acht-Meter-Wellen das 207 Meter lange Schiff frontal am Bug trafen. Das Seegebiet dort gehört wegen seiner oft unberechenbaren Stürme zu den gefährlichsten im ganzen Mittelmeer. Die spanischen Behörden hatten für die Costa Brava eine Sturmwarnung gegeben und Wellen von fünf bis sechs Metern Höhe vorausgesagt, berichtete der katalanische Fernsehsender TV3 am Donnerstag. Bis zu 100 Kilometer pro Stunde schnell pfiff der Sturm über das Mittelmeer.

Die drei acht Meter hohen Wellen, die die "Louis Majesty" von vorne trafen, waren aber möglicherweise nicht nur Sturmwellen, sondern so genannte "Freak Waves". Das sind Wellen, deren Ursprung bis heute nicht vollständig geklärt ist und die über 30 Meter hoch werden können. Dagegen nehmen sich die Wellen, die zwei Urlauber das Leben kosteten, eher klein aus. Allerdings seien Wellen über sechs Meter in dieser Gegend des Mittelmeers ziemlich ungewöhnlich, sagte ein Experte von der spanischen Universität Alcalá de Henares sagte dem staatlichen Rundfunk RNE. Ungewöhnlich ist auch, dass die im Vergleich kleinen Wellen so viel Schaden an dem elf Decks hohen Kreuzfahrtschiff anrichten konnten.

Warum waren die Wellen tödlich?

"Acht Meter hohe Wellen sollten einem solchen Schiff eigentlich nicht schaden können", sagt Dr. Stefan Schimmels, Betriebsleiter des "ForschungsZentrums Küste" (FZK) in Hannover und Experte für Meereswellen. Er vermutet, dass die "Louis Majesty" das Opfer einer "ungünstigen Kombination aus Wellenhöhe und Wellenlänge" geworden ist. "Die absolute Höhe der Wellen ist im Vergleich zu anderen gemessenen Ereignissen nicht besonders bemerkenswert", stellt der Experte fest. Aber die Umstände machten die Wasserwände zerstörerisch: "Das Drei-Schwestern-Phänomen ist typisch für Freak Waves", erklärt Schimmels. Dabei treten drei hohe Wellen in kurzer Folge hintereinander auf. Die erste Welle lässt das Schiff in ein Wellental sinken, so dass die folgenden beiden mit großer Wucht von oben auf das Schiff prallen können. Die erste Welle sei dabei nicht das Problem, erst die beiden anderen richten den Schaden an.

Einem Bericht der Zeitung "La Vanguardia" zufolge war das auch auf der "Louis Majesty" so: Die erste Welle zertrümmerte nur die Fensterscheiben des Salons auf dem fünften Deck, direkt über dem Bug. Unmittelbar darauf schlug eine zweite Woge mit solcher Wucht in den Raum, dass sie Urlauber gegen eine Wand schleuderte. Tödliche Folgen habe erst die dritte Riesenwelle gehabt, schrieb das Blatt. Sie habe die Deckenverkleidung aus der Verankerung gerissen. Die herabstürzenden Teile hätten den Deutschen und den Italiener erschlagen.

"Dann herrschte nur noch Chaos"

"Ich habe Schreie gehört und dann das Wasser aus einem der Säle im fünften Stock stürzen sehen", zitierten italienische Medien Ervino Curtis, einen 63-jährigen Italiener. "In dem Moment, als ich den Salon betreten habe, ist ein Fenster zerbrochen und das Wasser hat alle überflutet. Dann herrschte nur noch Chaos."

Der Kapitän gab den Befehl, sofort Barcelona als den nächsten größeren Hafen anzulaufen. Die "Louis Majesty" war mit 1.350 Touristen und 580 Besatzungsmitgliedern an Bord auf einer zwölftägigen Kreuzfahrt von und nach Genua unterwegs. Unwetter hatten schon in den Tagen zuvor das Schiff gezwungen, die geplante Route abzuwandeln. Wegen des stürmischen Wetters hatte der Kapitän zuvor entschieden, auch Barcelona nicht anzulaufen und direkt Kurs auf Genua zu nehmen, als die Wellen über die "Louis Majesty" hereinbrachen.

Nach dem Unglück musste das Schiff dann aber umdrehen und doch nach Barcelona fahren. Im Hafen standen Krankenwagen bereit, die die Verletzten aufnahmen. Eine 62-jährige Frau hatte sich nach Medienberichten beide Beine gebrochen. Ein Ermittlungsrichter ordnete an, dass die "Louis Majesty" vorerst nicht wieder auslaufen darf. Die Entscheidung allerdings, den Schiffsbug in die Wellen zu drehen, war richtig, bestätigt Experte Schimmels. "Abwettern" heißt das im Fachjargon. Dadurch wird verhindert, dass die Wellen das Schiff zum Kentern bringen.

"Das Mittelmeer ist ein richtiges Meer"

Für Touristen ist das Mittelmeer durch den Unfall der "Louis Majesty" aber nicht unsicherer geworden. Solche Wellen passieren einfach, sagt Dr. Andreas Villwock, Pressesprecher des Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel: "Sicherlich kommt das im Mittelmeer nicht häufig vor", aber Passagiere auf Kreuzfahrtschiffen sollten nicht vergessen, dass sie ein unberechenbares Element befahren, trotz aller Seebeobachtungen und Wellenprognosen für die Schifffahrt. Viele denken bei Mittelmeer erst einmal an blaue Strände und bei Kreuzfahrten an Karibik-Feeling, sagt Villwock. Aber: "Das Mittelmeer ist ein richtiges Meer, da kann es richtig unangenehmes Wetter geben."

Renée Melms, die 63-jährige Hamburgern, hat das Unglück jedenfalls gut überstanden. Wieder an Land in Barcelona war von dem Unwetter nichts mehr zu spüren. Und dass sie sich nicht ein paar Minuten früher auf den Weg zum Deck 5 gemacht hatte, "dafür habe ich dem lieben Gott schon Danke gesagt".

mit Material von dpa

 

Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de, zuständig für die Ressorts Gesellschaft und Wissen, und schreibt das Blog "Angezockt".