Die Lage in den chilenischen Erdbebengebieten wird zunehmend explosiv: Aus Vororten der Stadt Concepción, die von dem verheerenden Beben mit mehr als 700 Toten besonders schwer betroffen war, wurden am Montag Schießereien zwischen bewaffneten Bürgerwehren, Plünderern und dem Militär gemeldet. In der Gemeinde San Pedro de la Paz seien zwei Menschen getötet worden, sagte die Journalistik-Dozentin Claudia Lagos der Deutschen Presse-Agentur dpa.
In Concepción gingen ein Kaufhaus und ein Großmarkt nach Plünderungen in Flammen auf. Dabei sollen nach unbestätigten Berichten bis zu 20 Menschen ums Leben gekommen sein. Marineinfanteristen versuchten, ein Abgleiten der Großstadt in die Anarchie zu verhindern, und gaben Schüsse in die Luft ab.
Einbrüchen und Plünderungen
Unterdessen stattete Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva als erster Staatschef Chile nach dem Beben einen Besuch ab. Er sagte jede erdenkliche Hilfe zu. Am Dienstag wurde auch US-Außenministerin Hillary Clinton in Santiago erwartet. Sie wollte sich vor Ort einen Eindruck von dem Ausmaß der Katastrophe machen.
Allerdings sahen sich viele Bürger zu Einbrüchen und Plünderungen von Lebensmittelgeschäften gezwungen, da auch zwei Tage nach dem Beben der Stärke 8,8 noch immer kaum Wasser und Lebensmittel in Concepción angekommen waren - und schon gar nicht in den kleineren Ortschaften des Katastrophengebiets. Die Versorgung mit Wasser, Strom und Gas ist ebenfalls seit dem Beben am Samstagmorgen unterbrochen.
Flugzeugabsturz
Unterdessen verunglückte eine kleine Propellermaschine auf dem Weg nach Concepción. Die sechs Menschen an Bord seien dabei ums Leben gekommen, hieß es. Bei den Passagieren habe es sich um Helfer sowie um Mitarbeiter einer Universität gehandelt, teilte die Behörde für Zivilluftfahrt mit.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte dem südamerikanischen Land Hilfe beim Wiederaufbau zu. In einem Telefonat mit Präsidentin Michelle Bachelet stellte Merkel über die Nothilfe hinaus Unterstützung in Aussicht, teilte Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach in Berlin mit. Auch bei der EU in Brüssel ging eine Bitte um Hilfe aus Chile ein. Benötigt würden vor allem Unterstützung beim Bau von Brücken, medizinische Betreuung, Anlagen zur Wasseraufbereitung und Telekomverbindungen, sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Brüssel.
Minister: Zahl der Toten wird steigen
Die Zahl der registrierten Todesopfer wurde mit 723 angegeben. Die Zahl werde jedoch weiter steigen, sagte Innenminister Edmundo Pérez Yoma. «In den Küstenregionen hat ein Tsunami ganze Ortschaften fortgerissen. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr schlechte Nachrichten werden wir bekommen.» Das Erdbeben vom Samstag ist das fünfstärkste Beben gewesen, das jemals gemessen wurde.
Vor allem in Maule und Bíobío gelten zahlreiche Menschen noch als vermisst. Die genaue Zahl der Obdachlosen war unbekannt. Die Zahl der zerstörten oder beschädigten Wohnungen wurde mit etwa zwei Millionen angegeben.