[linkbox:nid=13100;title=Bilder einer Amtszeit]
Auf einer Pressekonferenz hat Margot Käßmann den Rücktritt von ihren Ämtern als EKD-Ratsvorsitzende und hannoversche Landesbischöfin verkündet. Käßmann sagte, dass sie einen schweren Fehler begangen habe, den sie sehr bereue. Alle Vorwürfe, die zu machen seien, habe sie sich gemacht, so die 51-Jährige. Letztlich sei sie aber zu dem Schluss gekommen, dass Amt und Autorität beschädigt worden seien. Respekt und Achtung auch vor ihrer eigenen Person hätten sie zu dem Schritt gebracht. Wäre sie im Amt geblieben, hätte sie in Zukunft nicht mehr die Freiheit gehabt, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, erklärte sie. Ihre persönliche Überzeugungskraft wäre nicht mehr anerkannt worden. Käßmann nimmt Abschied von ihren Ämtern, die sie mit "Leib und Seele" gern ausgefüllt hatte. Für die Zukunft will sie Pastorin in der Landeskirche bleiben. "Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand", mit diesen Worten und dieser Überzeugung schloss Käßmann ihre Erklärung.
Die Erklärung im Wortlaut:
"Am vergangenen Samstag habe ich einen schweren Fehler gemacht, den ich zutiefst bereue. Auch wenn ich ihn bereue, aber, und mir alle Vorwürfe, die in dieser Situation berechtigter Weise zu machen sind, gemacht habe, mir selbst, kann und will ich nicht darüber hinwegsehen, dass das Amt und meine Autorität als Landesbischöfin sowie als Ratsvorsitzende beschädigt sind.
Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so wie ich sie hatte. Und die harsche Kritik, etwa an einem Predigtzitat wie "Nichts ist gut in Afghanistan", ist nur durchzuhalten, wenn persönliche Überzeugungskraft uneingeschränkt anerkannt wird.
Einer meiner Ratgeber hat mir gestern ein Wort von Jesus Sirach mit auf den Weg gegeben: "Bleibe bei dem, was Dir dein Herz rät". Und mein Herz sagt mir ganz klar: Ich kann nicht mit der notwendigen Autorität im Amt bleiben. So manches, was ich lese in den letzten Tagen, ist mit der Würde des Amtes nicht vereinbar. Aber mir geht es neben dem Amt auch um Respekt und um Achtung vor mir selbst, und um meine eigene Geradlinigkeit, die mir viel bedeutet.
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Hiermit erkläre ich, dass ich mit sofortiger Wirkung von allen meinen kirchlichen Ämtern zurücktrete. Ich war mehr als zehn Jahre mit Leib und Seele und sehr gerne Bischöfin, und habe auch all meine Kraft in dieses Amt gegeben. Ich bleibe Pastorin der hannoverschen Landeskirche. Ich habe 25 Jahre nach meiner Ordination vielfältige Erfahrungen gesammelt, die ich gerne auch in Zukunft an anderer Stelle einbringen werde.
Es tut mir leid, dass ich viele enttäusche, die mich dringend gebeten haben, im Amt zu bleiben. Und die mich auch vertrauensvoll in meine Ämter gewählt haben. Ich danke allen Menschen, die mich so wunderbar getragen haben in diesen letzten Tagen mit Grüßen, E-Mails, SMS und auch Blumen, die alle meiner Seele sehr, sehr gut getan haben. Dem Rat der EKD danke ich besonders, dass er mir gestern Abend ausdrücklich das Vertrauen ausgesprochen hat.
[linkbox:nid=5574,3955,5421,4749;title=Die Wahl des Rates der EKD auf der Synode 2009]
Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der hannoverschen Landeskirche und der EKD, die mich haupt- und ehrenamtlich unterstützt haben. Insbesondere danke ich meinem allerengsten Team, das mir in so manchem Sturm die Treue gehalten hat. Ich danke allen Freundinnen und Freunden, allen guten Ratgebern, auch in diesen Tagen, und ich danke meinen vier Töchtern, dass sie diese Entscheidung so klar und deutlich mittragen und heute auch hier mit anwesend sind, was nicht selbstverständlich ist.
Zuallerletzt: Ich weiß aus vorangegangenen Krisen: Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand, und für diese Glaubensüberzeugung bin ich auch heute dankbar.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit."
Gradlinigkeit und Klarheit werden fehlen
Die EKD hat mit tiefem Bedauern auf den Rücktritt reagiert. "Die Gradlinigkeit und Klarheit in ihren theologischen, soziopolitischen und gesellschaftlichen Positionen werden der Evangelischen Kirche in Deutschland fehlen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der EKD-Synodenpräsidentin, Katrin Göring-Eckardt sowie des stellvertretenden EKD-Vorsitzenden, Nikolaus Schneider. "Ihr Rücktritt ist ein schwerer Verlust für den deutschen Protestantismus." Käßmanns Spitzenamt bei der EKD werde bis zu einer Neuwahl im November ihr Stellvertreter Nikolaus Schneider, der Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, übernehmen, erklärte die Kirche. Eine Neuwahl werde voraussichtlich bei der nächsten Synodentagung vom 5. bis 10. November in Hannover erfolgen.
Der Vizepräses der EKD-Synode, Günther Beckstein, hat mit Bedauern auf den Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann reagiert. "Es ist ihre Entscheidung, die ich respektiere", sagte Beckstein am Mittwoch dem epd. "Von mir aus hätte sie bleiben können", sagte der ehemalige bayerische Ministerpräsident und CSU-Politiker. Nach evangelischem Amtsverständnis sei ein Bischof oder eine Bischöfin auch nur ein fehlbarer Mensch.
Beckstein erinnerte daran, dass Käßmann im Unterschied zu ihrem Vorgänger Wolfgang Huber, der ein disziplinierter Intellektueller gewesen sei, stets eine "tiefe Menschlichkeit" habe durchblicken lassen. "Käßmann hat ergreifende Predigten gehalten", so Beckstein. Nach Einschätzung Becksteins wird der Rat der evangelischen Kirche demnächst eine andere Persönlichkeit in den Ratsvorsitz wählen. Eine Alternative wäre, bis Oktober abzuwarten, wenn die nächste Synode tagt.
[linkbox:nid=12869,11190,11270,11191,9412;title=Mehr zu ihrer Amtszeit]
Käßmann war im Oktober vergangenen Jahres als erste Frau an die Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt worden und repräsentierte in dem Amt 25 Millionen Protestanten. Öffentliche Aufmerksamkeit erlangte sie zum Jahreswechsel mit Kritik am militärischen Engagement Deutschlands in Afghanistan.
1999 war Käßmann als Bischöfin der hannoverschen Landeskirche eingeführt worden, mit knapp drei Millionen Mitgliedern die größte in Deutschland. Die Theologin war zuvor Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags und hatte sich in den 80er Jahren im Ökumenischen Rat der Kirchen profiliert.
Die Bischöfin war 26 Jahre lang mit dem Pfarrer Eckhard Käßmann verheiratet, von dem sie sich im August 2007 scheiden ließ. Die beiden haben vier Töchter. Im Sommer 2006 erkrankte Margot Käßmann an Brustkrebs und nahm ihren Dienst zwei Monate nach ihrer Operation wieder auf.
Hier geht es zur Bildergalerie zur Amtszeit Margot Käßmanns als Vorsitzende des Rates der EKD.