Die Bons sind klein, gelb und versprechen Genuss: eine Tasse Kaffee oder Cappuccino, ein Stück Kuchen, ein Brot oder ein belegtes Brötchen. Im "Café Martin Luther" im hessischen Hanau sind die Bons mit Klammern an roten Bändern befestigt, die an einer Wand hängen. Die Bons können von jedem Gast abgenommen werden, der bereit ist, sich einladen zu lassen. Denn bezahlt hat die versprochene Ware bereits ein anderer Gast.
In den sechs Bistros und Cafés der Martin-Luther-Stiftung - einer diakonischen Einrichtung, die Altenzentren betreibt - gibt es die Aktion seit dem vergangenen Dezember. Der Grundsatz ist einfach: mit wenig Aufwand einem Fremden etwas Gutes tun.
Viele Menschen müssen auch am Brot sparen
Volker Klug, Geschäftsführer der zuständigen Martin-Luther-Service GmbH, hatte von einer ähnlichen Hilfsaktion in Hamburg gelesen. Im Hamburger Stadtteil Wandsbek gibt es den "Wandsbäcker", einen einfachen kleinen Bäckerladen mit einigen Stehtischen. Inhaber sind Sören und Hekmet Özer. Im Türkeiurlaub, erzählt Hekmet Özer, haben sie und ihr Mann Geschäfte kennengelernt, in denen es "Brot am Haken" gibt: Jemand zahlt mehr als er mit nach Hause nimmt und spendet so eine Kleinigkeit für jemanden, der wenig hat.
Zurück in Hamburg haben sich die Özers im Sommer 2008 entschieden, das "Brot am Haken" anzubieten. "Ich hätte niemals gedacht, dass es hier so viele arme Menschen gibt", sagt Hekmet Özer. 2006 hatte die Familie ihren Bäckerladen eröffnet und seitdem beobachtet, dass viele Menschen auch am Brot sparen müssen.
"Armut kann jeden treffen"
Es gibt aber auch diejenigen, die bereit sind, von ihrem Wohlstand etwas abzugeben. Familie Özer zumindest ist mit ihrer privaten Aktion von Anfang an auf Begeisterung gestoßen. "Viele Kunden haben gleich mitgemacht." Potentielle Empfänger aber "hatten zuerst keinen Mut, etwas anzunehmen", erinnert sich Hekmet Özer. Aber sie kenne ihre Kundschaft und habe dann einfach ein paar Menschen angesprochen, ob sie sich heute nicht mal zu einem Stück Kuchen einladen lassen oder noch ein Brot mitnehmen wollten.
Inzwischen werde die Aktion sehr gut angenommen, sagt die Geschäftsinhaberin. An diesem Vormittag hingen Bons für vier Brote, drei Stück Kuchen, zehn Tassen Kaffee und zwei belegte Brötchen an Haken über dem Tresen. Das sei "ganz normal", bilanziert Hekmet Özer und freut sich über die Hilfsbereitschaft ihrer Kunden. "Armut kann jeden treffen. Wir sind doch nur die Brücke zwischen jenen, die mehr und jenen, die weniger haben", fügt sie hinzu. Die Özers selbst geben jeden Abend ihre nicht verkaufte Ware an die Hamburger Tafel.
Gegenseitiges Geben und Nehmen
Auch in Hanau war es einfacher, Spender zu finden als Empfänger, sagt Servicemanagerin Kornelia Buhl. Die Menschen seien es wohl nicht gewohnt, dass ihnen jemand etwas Gutes tun wolle, vermutet sie. Zettel mit Hinweisen auf die Aktion liegen auf den Tischen des Cafés, eigens angesprochen werden die Gäste mittlerweile nicht mehr. "Das ist gar nicht nötig", sagt Aleksandra Büchold vom Service und zeigt lächelnd auf die vielen Bons, die an dem roten Band an der Wand hängen.
Nachdem ihr die Zurückhaltung aufgefallen war, hatte sich auch Aleksandra Büchold zunächst gezielt an die Menschen gewandt, die zwar manchmal einen Blick auf die Kuchentheke geworfen, sich aber nie etwas ausgesucht hatten. Inzwischen funktioniere das gegenseitige Geben und Nehmen reibungslos, sagt Büchold. Schließlich leben im benachbarten Altenzentrum rund 800 Menschen. Darunter seien genügend, die sich ein Stück Torte im Café nicht leisten könnten.