Meine Woche vom 15. bis 19. Februar
Montag
Tätäää. Rosenmontag! An diesem Tag mutiert der Pendelzug Köln-Frankfurt zu einer Art transsibirischen Eisenbahn: Er verbindet zwei Welten, ach was, zwei Planeten. Abfahrt in Köln, wo wir auf dem Weg zum Bahnhof nicht etwa Autos überholen, sondern: Gardepferde! Mottowagen! Bagagewagen! Und auf der Severinsbrücke schiebt ein alter Tiger sein Fahrrad durch den Schnee, als sei er direkt aus einem Janosch-Bilderbuch entsprungen. Köln ist heute nichts als Karneval. Und Frankfurt? Einen traurigen Stand mit "Krebbel" gibt es am Hauptbahnhof. Aber sonst tut sich nichts hier, gar nichts in Sachen Karneval. Abends dasselbe retour. Ich komme aus Frankfurt, der fleißigsten Stadt der Welt, nach Köln ins totale Chaos. Der Kölner Bahnhof, sonst modern und klinisch sauber, ist um 18.30 eine stinkende Kloake. Abgestandenes Kölsch, abgerissene Perückenzöpfe, angesäuerter Männerurin. Nein, man muss schon den ganzen Tag mitfeiern, um das lustig zu finden, direkt aus dem ICE kommend ist es nur – eklig.
Dienstag
Wer hätte das gedacht, ich komme doch noch unfreiwillig zu meinem Karnevalseinsatz. Das Kind hat zu viele Kamelle gegessen am Rosenmontag, jetzt spuckt es alles rückwärts. Mama muss daheim bleiben, nichts geht mehr. Man muss sagen, dass kein Magen, auch kein in Köln geborener Magen wie der meiner Kinder, diesem Ansturm von Viren gewachsen ist. Was meine Kinder betrifft, werden die Billig-Süßigkeiten in einem geregelten Kreislauf verwertet: Weiberfasnacht sammeln sie die ersten Kamelle ein beim Umzug "Jan und Griet". Am Sonntag werfen sie als Teilnehmer beim "Schull und Veedelszoch" vier Tüten Süßigkeiten, die wir am Samstag zuvor in der Schule verpackt haben. Am Rosenmontag fangen sie noch größere Mengen an Schokolade, Traubenzucker und Zuckerbonbons am Wegesrand wieder auf. Und am Dienstag – wollten sie einen Teil davon beim "Südstadtzug" wieder entsorgen, aber da hat zumindest einer der beiden Kindermägen schon kapituliert. Wen wundert's.
Mittwoch
Letzte Karnevalsmeldung: Das Motto 2011 soll heißen "Köln hat was zu beaten". Englisch, hui, dabei meldet die Bahn am selben Tag: Weg mit den Anglizismen, der Counter heißt jetzt wieder Schalter. Dafür hat sich die Bahn für Aschermittwoch, der in Köln wahrscheinlich bald Ash Wednesday heißt, was besonders Nettes einfallen: Schon morgens ist der halbierte ICE so überfüllt, dass ich auf dem Boden sitze, abends auf dem Rückweg dasselbe. Auf dem Boden, das ist total mies, es ist kalt, die Füße schlafen ein, der Rücken tut weh. Ich finde, das ist zu viel der Buße. Die Kollegen bei evangelisch.de fragen, auf was ich die nächsten 7 Wochen verzichte. Na, wenn hier einer das Motto "Näher!" lebt, dann ich, so nahe bin ich meinen Mitreisenden noch nie gekommen. Aber muss ich mich dabei so quälen? Ich bin evangelisch, ich muss das nicht haben mit diesen Selbstkasteiungen und dem ganzen Quatsch.
Donnerstag
Doch, ich bin sicher, wir sollten die Bahn als Kooperationspartner zu "7 Wochen ohne" mit ins Boot holen. Nächstenliebe wird diese Woche im ICE wörtlich genommen, wir halten außerplanmäßig in Montabaur, weil ein medizinischer Notfall an Bord ist. Und weil sich kein Arzt oder Notfallsanitäter an Bord befindet. Zumindest meldet sich keiner, trotz mehrerer Durchsagen. Ich bin da immer misstrauisch, seit ich mit meiner besten Freundin nach USA geflogen bin, die ist Krankenschwester. Und als seinerzeit auf dem Flug nach Boston die Durchsage kam, es werde medizinische Hilfe gesucht, tappte sie mir auf den Fuß "Ich hab Urlaub." Am besten, man wird nicht krank in Flugzeugen oder Zügen.
Freitag
Es ist gestern Abend dann noch spät geworden, weil am Frankfurter Flughafen Fernbahnhof ein herrenloser Koffer entdeckt wurde. Kein Zug durfte einfahren. War gar nix, aber ich bin eine Stunde zu spät nach Köln gekommen. Wir haben dann alle ziemlich viel telefoniert mit unseren Handys, Iphones und Blackberries. "Ich bin im Moment nicht operativ", brüllte mein eh schon reichlich unsymapthischer Sitznachbar in sein Telefon. Operativ? Es klang wie wie depressiv oder sexuell inaktiv. Stimmt im Zweifelsfall ja auch. Und heute Morgen die Hiobsbotschaft: das Bahnchaos wird noch drei Jahre dauern, es müssen 67 Achsen ausgetauscht werden. Der Bahn-Technikvorstand Volker Kefer nennt das "überlagerte Effekte", der Winter überlagert das Achsenproblem. Überlagerte Effekte? Ich nenne das: Passionszeit. Schönes Fasten-Wochenende!
Über die Autorin:
Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de
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