Störungen im Betriebsablauf (Folge 17)

Störungen im Betriebsablauf (Folge 17)
Winter und noch Verdi-Streik im Nahverkehr: super Timing! Von Sorgen und Nöten einer Pendlerin, der auch das Auto nicht aus der Patsche helfen kann. Unsere Kolumnistin Ursula Ott hat's notiert.
05.02.2010
Von Ursula Ott

Meine Woche vom 31. Januar bis 5. Februar

Störungen im Betriebsablauf

Sonntag

Bei der Pendlerin herrscht diese Woche das große Zittern. Kommt der Zug, die S-Bahn, der Bus – oder nicht? Denn es ist nicht nur Winter. Es ist auch noch Verdi-Streik. Super Timing. Können die nicht im Sommer streiken, da demonstriert es sich auch netter als bei 5 Grad minus? Bei mir fängt die ICE–Woche so an: Ich fahre mit meinem Sohn nach Stuttgart auf ein Fest, auf dem Rückweg soll er alleine von Frankfurt nach Köln fahren. Das sollte gar kein Problem sein, der Junge ist zwölf, hat ein Handy, eine Bahncard 25, ein Mickymaus-Heft – was soll da schiefgehen? Am Frankfurter Flughafenbahnhof sieht alles gut aus, ich rufe ihn dreimal an, jedes Mal klingt er zwischen entspannt und genervt. Ja, Mama, alles in Ordnung, ja, der Papa holt mich ab in Köln. Als er in Siegburg ist, dem letzten Bahnhof vor Köln, mache ich mein Handy aus und gehe ins Fitness-Studio und die Sauna. Als ich nach zwei Stunden völlig entspannt wieder mein Handy aus dem Umkleide-Spind hole, sehe ich 23 verpasste Anrufe. Kurz nach Siegburg ist ein Tank geplatzt, Feuerwehreinsatz am Gleis, mein Sohn hat versucht, seinen Vater per Auto zum Gleis zu dirigieren, doch kaum war der da, fuhr der Zug weiter. O je. Auf jeden Fall hat er was zu erzählen morgen in der Schule. Und ich bin, na ja, nicht mehr ganz so entspannt. Nächstes Mal nehme ich das Handy mit in die Sauna.

Dienstag

Wir fahren nach Berlin, um eine Begegnung für "chrismon" zu moderieren. Der Kollege, der das Gespräch vorbereitet hat, hängt seit heute morgen auf www.unwetterzentrale.de. In diesem Winter sind schon zwei große "chrismon"-Interviews beinahe am Wetter gescheitert, und für Dienstagnacht ist wieder mal ein Sturmtief angesagt. Die Strecke von Köln nach Berlin, sagt der Kollege, könnte bei Hildesheim das Tief kreuzen. Und so ist es: am Hildesheimer Bahnhof bleiben wir eine halbe Stunde stehen, weil uns ein Schneepflug entgegen kommt auf dem Gleis. Und wer weiß, wer stärker wäre, Schneepflug oder ICE? Da wartet man ja gerne.

Mittwoch

Berlin sieht aus wie Sibirien, am Bahnhof Spandau türmen sich die Schneeberge so hoch wie die Bahnhofsschilder. Und auf den Gehwegen schlittert man sich so durch, die Stadt hat kein Geld für Streusalz. Zitter zitter, ob wohl der Flieger mit dem zweiten Begegnungs-Partner pünktlich ankommt? Die eine ist aus Berlin, die ist pünktlich zur Stelle, wir Journalisten auch, die Fotografin sowieso und Schnittchen stehen auch schon auf dem Tisch. Mit einer Stunde Verspätung kommt auch der andere, es ist uns jetzt schon fast egal, was er sagt, Hauptsache er ist da. So geht das nicht weiter: Wenn dieser Winter nicht endlich aufhört, verbrennen wir Journalisten unsere ganze Energie mit Logistik. Kommt er? Pünktlich? Fährt der Zug? Dabei würden wir uns ja lieber auf die Fragen konzentrieren.

Donnerstag

Wir fahren zurück nach Frankfurt und schreiben auf der Fahrt das Interview ab. Anderthalb Stunden Gespräch abtippen, dafür braucht man ziemlich genau vier Stunden, das passt. Wir haben extra in 1. Klasse und in Reservierung mit Tisch investiert und legen bereits am Berliner Hauptbahnhof los. Womit wir nicht gerechnet haben: In Spandau steigen zwei Geschäftspartner ein, die offenbar auch vier Stunden Zugfahrt verplant haben: in ein intensives Planungsgespräch. Das ist laut. Das nervt. Es geht um Golfplätze. Auf meinem Band geht es um Erinnerungsstücke. "Mit den fünf Sternen, das wird schwierig", sagt der Mann im Zug. "Jeder Mensch braucht ein Ding, an dem er hängt, sonst ist er verloren", sagt der Mann in meinem Kopfhörer. Ich bin auch bald verloren, in meinem müden Kopf mischen sich die Themen. Jeder Mensch braucht einen Golfplatz?

Freitag

Hurra, der Winter ist vorbei, heute morgen singen zum ersten Mal die Vögel, als ich das Haus verlasse. Dafür warnt der Hessische Rundfunk: Nichts geht heute morgen bei Bus und Bahn in Frankfurt. Verdi-Streik. Na prima, dann fahr ich zur Abwechslung mal wieder Auto. Das ist eine 5-Sterne-Idee, finden offenbar alle Hessen, am Darmstädter Kreuz treffen wir uns alle. Jeder Mensch braucht jetzt ein Wochenende. Sonst ist er verloren. Ich jedenfalls.



Über die Autorin:

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de

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