Afghanistan: Nicht gewinnen – Vertrauen schaffen

Afghanistan: Nicht gewinnen – Vertrauen schaffen
Friedensstifter müssen keinen Krieg gewinnen, sondern Vertrauen. Viele Afghanenen haben mit den Taliban nichts am Hut, sie wollen endlich wieder Frieden in ihrem Land.
29.01.2010
Von Hans Erich Thomé

Die junge Frau lebt in Kundus, im Norden von Afghanistan. Mit den Taliban, die die schwer zugängliche Gebirgsregion im Umkreis der Stadt immer noch beherrschen, hat sie nichts im Sinn. Sie hofft, dass endlich Ruhe einkehrt. Und Frieden. Und dass die ausländischen Soldaten im Land helfen, diesen Frieden zu schaffen.

An einem frühen Morgen wird ihr Nachbarhaus aus der Luft von eben diesen Soldaten beschossen. Man sagt, dort hätten Terroristen Unterschlupf gefunden. Leider ist der Beschuss aus der Luft nicht sehr präzise. Auch das Haus der jungen Frau wird getroffen. Ihre Schwester, ihr Schwager und deren Kinder sterben. In der Sprache der Militärs handelt es sich um einen Kollateralschaden, einen Begleitschaden, der sich im Krieg nicht immer vermeiden lässt. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Für die junge Frau allerdings ist es die Katastrophe ihres Lebens. Und das Ende ihrer Hoffnung auf Frieden. In den uniformierten Fremden, die mit ihren gepanzerten Fahrzeugen durch die Straßen patrouillieren und den Verkehr kontrollieren, sieht sie keine Freunde mehr sondern Feinde. Hilfe auf dem Weg zu einer besseren Zukunft erwartet sie von denen nicht mehr.

"Selig sind die Friedensstifter". Jesus sagt das in seiner Bergpredigt. Mit großem Risiko für Leib und Leben sind auch deutsche Soldaten in Afghanistan im Einsatz, um Frieden zu stiften. Mit besten Absichten engagieren sie sich, wollen helfen, eine Zivilgesellschaft aufzubauen, in der es sich wieder ohne Angst leben lässt. Aber es ist nicht einfach mit dem Friedenstiften. Dazu gehört nicht nur eine angemessene militärische Strategie. Was helfen Schläge gegen die Taliban, wenn dabei auch Unschuldige leiden? Die Soldaten vor Ort haben inzwischen gelernt, dass militärische Erfolge nicht unbedingt geeignet sind, dem Frieden näher zu kommen. Friedenstifter müssen nicht Kriege gewinnen sondern Vertrauen: Menschen ausbilden und begleiten. Sie dazu befähigen, dass sie ihre Probleme selbst lösen können. Wer Vertrauen gewinnt, nimmt dem Terror seine Sympathisanten.

Vorgestern haben sich die Regierungen der Länder, die in Afghanistan für Frieden sorgen wollen, in London getroffen und ihre Strategie überprüft. Es sieht so aus, dass sie ihre Lektion gelernt haben: Friedensstifter müssen keinen Krieg gewinnen, sondern Vertrauen. Bleibt nur zu hoffen, dass es gelingt.


Professor Hans Erich Thomé ist seit 1995 am Theologischen Seminar Herborn in der Ausbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer tätig, Schwerpunkt ist die Gestaltung von Gottesdiensten und Predigten.