Grenzen der Macht: US-Präsident Obamas erstes Jahr

Grenzen der Macht: US-Präsident Obamas erstes Jahr
Kalt war es vor einem Jahr in Washington, groß der Andrang um das US-Capitol, und riesengroß die Hoffnung vieler, als Barack Obama dort den Amtseid ablegte und 44. Präsident der USA wurde. Wohl mehr als eine Million Menschen waren am 20. Januar 2009 zur Amtseinführung des ersten afro-amerikanischen Präsidenten gekommen.
19.01.2010
Von Konrad Ege

Obama versprach der frierenden Menge einen Neuanfang. "Wir haben die Hoffnung der Furcht vorgezogen", sagte er bei seiner Antrittsrede. Die Herausforderungen seien real und die Probleme groß. "Aber lassen Sie mich dies sagen: Amerika wird sie lösen."

Auch im Januar 2010 ist es kalt, und kalt weht der politische Wind. Seine Landsleute hätten gutes Recht, über die wirtschaftliche Entwicklung im ersten Amtsjahr enttäuscht zu sein, sagte Obama im Interview mit dem Magazin "People." Es sei ihm auch nicht mehr gelungen, die Menschen in den USA so "zusammen zu bringen wie bei der Amtseinführung". Und er habe "Washington" nicht verändern können. Beim Amtsantritt hatte er das Ziel gesetzt, den politischen Umgangston zu verbessern und Schluss zu machen mit den "Vorwürfen und den abgenutzten Dogmen, die unsere Politik zu lange gelähmt haben".

 

Republikaner versuchen, die Gesundheitsreform zu kippen

Zum Regieren braucht ein Präsident den Kongress. Das konservative Amerika hat von Anfang an gar kein Interesse gezeigt, mit Obama "zusammen" zu kommen. Vor allem konservative christliche Verbände stellten sich nach acht Jahren guter Beziehungen zum Weißen Haus quer. Denn Obama befürwortet legalen Schwangerschaftsabbruch und embryonale Stammzellforschung.

Die Republikaner stimmten im Kongress fast geschlossen gegen Obamas Konjunkturprogramm, und sie versuchen gegenwärtig, die Gesundheitsreform zu kippen, Obamas wichtigste innenpolitische Initiative. Und auch bei der Klimapolitik wird gemauert: Einflussreiche Republikaner vertreten die Auffassung, der Treibhauseffekt sei gar nicht bewiesen.

[linkbox:nid=10295;title=Fotogalerie zur Amtszeit von Obama]

Bei Kundgebungen haben Demonstranten den Präsidenten wüst beschimpft. Er wolle den "Sozialismus" einführen, und man solle ihn "nach Kenia zurückschicken". Die Tatsache, dass ein Schwarzer regiert, hat wohl etwas mit den Anfeindungen zu tun. Gelegentlich koche weißer Rassismus hoch, sagte der frühere US-Präsident Jimmy Carter im Sommer.

Umgekehrt haben sich afro-amerikanische Aktivsten und die Arbeitsgemeinschaft der schwarzen Kongressabgeordneten beschwert, dass Obama wirtschaftlich gesehen zu wenig tue für Afro-Amerikaner: Die Arbeitslosenrate unter Schwarzen liegt bei fast 17 Prozent, unter Weißen bei neun.

"Auf der Grundlage von Werten und Haltungen" handeln

Umfragen zufolge hat Obama das Ansehen der USA im Ausland gewaltig verbessert. Dazu hat unter anderem sein Versprechen bei Amtsantritt beigetragen, das US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba zu schließen. So begeistert war man in Oslo vom neuen Präsidenten, dass man ihm der Friedensnobelpreis verlieh. Nur selten habe jemand der Menschheit Hoffnung gegeben wie Barack Obama, lobte das Nobelkomitee. Seine Diplomatie beruhe auf dem Konzept, dass führende Politiker "auf der Grundlage von Werten und Haltungen" handeln müssten, die "von der Mehrheit der Weltbevölkerung geteilt werden".

Zehn Tage vor der Preisverleihung stellte Obama allerdings in der US-Militärakademie West Point Pläne für eine Eskalierungsstrategie in Afghanistan vor - denn "die Sicherheit der Vereinigten Staaten und des amerikanischen Volkes" stehe auf dem Spiel. Da erntete Obama ausnahmsweise einmal Beifall bei den Republikanern.

Politiker "mit großen Fähigkeiten und großen Widersprüchen"

Unter massiven Druck der Republikaner geriet Obama wegen seines Guantánamo-Versprechens. Da musste er schließlich einräumen, dass er seinen Zeitplan nicht einhalten werde. Auch die von Menschenrechtlern geforderte Untersuchung von Vorwürfen, wonach in Guantánamo gefoltert wurde, findet nicht statt. Obama sagt, er wolle in die Zukunft blicken.

Obamas wichtigste Wähler - Afro-Amerikaner, Gewerkschafter, junge Menschen - ziehen eine gemischte Bilanz. Obama sei ein Politiker "mit großen Fähigkeiten und großen Widersprüchen", kommentierte Robert Borosage, Direktor der linksliberalen "Kampagne für Amerikas Zukunft." Seine Reden seien visionär, in der Alltagspolitik sei Obama aber eher moderat und bereit zu Kompromissen. Doch trotz mancher Enttäuschungen: Demokraten, Menschenrechtler, Friedensaktivisten und Umweltschützer haben keine große Wahl. Damit sie ihre politischen Ziele durchsetzen können, müssen sie weiter auf Obama setzen.

epd