Aus dem Maschinenraum (11): Internet-Radio

Aus dem Maschinenraum (11): Internet-Radio
Internet-Radios bieten eine Menge Möglichkeiten. Zum Beispiel viele Sender, die über Antenne nicht zu empfangen sind. Allerdings ist die Installation nicht ganz einfach - findet unser Kolumnist Michael Stein
03.12.2009
Von Michael Stein

Manche Menschen sind farbenblind – sie können keine oder nur bestimmte Farben sehen. Andere Menschen sind nachtblind – sie haben Schwierigkeiten, in der Dämmerung zu sehen. Und dann gibt es Menschen, die sind technikblind. Neulich hab ich gedacht: Jetzt ist es bei mir auch so weit.

Da fragte mich nämlich eine Kollegin um Rat: Sie möchte ihren Eltern ein Internet-Radio zu Weihnachten schenken. Die Eltern wohnen in Norddeutschland und die Programme des WDR sind dort nicht per Antenne zu empfangen. Vor einiger Zeit hatte ich im Hörfunk mal über Internet-Radios berichtet und in dem Beitrag auch davon erzählt, wie gut das alles funktioniert, und wie relativ einfach man ein solches Radio an seinem W-LAN anmelden kann. Daher fragte mich die Kollegin nun, was man denn dafür so braucht und welches Gerät sich besonders gut bedienen lässt. Eigentlich wollte ich ihr da unser W-LAN-Radio empfehlen, das seit etwa zwei Jahren bei uns in der Küche steht und beinahe täglich im Einsatz ist. Zum ersten Mal seit längerer Zeit habe ich es mir daher nochmal ein wenig näher angeschaut.

Netzwerkfehler

Und dabei ist mir plötzlich schlagartig klar geworden, wie kompliziert das Ding eigentlich ist. Klar, wenn ich in die Küche gehe, dann schalte ich das Radio ohne Nachdenken ein und drücke auf eine der Stationstasten mit den eingespeicherten Lieblingssendern. Und meistens startet dann nach ein paar Sekunden der Livestream. Manchmal aber eben auch nicht, weil es einen "Netzwerkfehler" gibt, ein Verbindungsfehler aufgetreten ist oder die "Station nicht gefunden" wird. In letzterem Fall hat der Sender wieder die URL geändert, und ich muss am Computer den Radio-Datenbankdienst im Internet aufrufen sowie die neue Adresse suchen und einstellen. Beim nächsten Kontakt zwischen Radio und Netz wird dieses Update dann automatisch in den Speicher des Radios übertragen. Aber: Kann man ein Gerät, bei dem so etwas nötig wird, wirklich ernsthaft einem älteren Ehepaar empfehlen?

 

Als ich da so vor dem Gerät stand und mich mit der Fernbedienung und den zahllosen winzigen Knöpfchen mit den kryptischen Symbölchen durch die verschachtelten Menüs arbeitete, merkte ich – eigentlich zum ersten Mal so richtig – dass ein normaler Mensch, der sonst nur einen Kühlschrank, einen Radiowecker und vielleicht noch einen DVD-Rekorder bedient, mit einer solchen Hightech-Apparatur vermutlich heillos überfordert ist. Warum muss ein solches Gerät, das von außen so aussieht wie ein harmloses Küchenradio, eine so sperrige und komplizierte Bedienoberfläche wie ein Space-Shuttle haben? Sind wir in Sachen Gerätebedienung nicht längst schon ein bisschen weiter? Warum kann eine Firma, die ein solches Gerät entwickelt, vor der Markteinführung nicht einfach mit echten Technik-Laien ausprobieren, wie gut die damit zurecht kommen?

Gute Bedienung für gute Geräte

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich ist die Technik komplizierter geworden. In einem W-LAN-Radio steckt eine ganz andere Technik als in einem Kofferradio. Und natürlich sind immer mehr Menschen auch in der Lage, mit solch komplizierter Technik umzugehen. Die Frage ist nur: Wollen wir das wirklich? Wollen wir als Nutzer die Kompliziertheit der Technik tatsächlich immer so unmittelbar spüren und sehen? Liegt die Leistung von Entwicklern und Herstellern nicht gerade darin, ein technisch anspruchsvolles Gerät auch mit einer erstklassigen Bedienoberfläche auszustatten? Ganz ehrlich: Auch mir macht das manuelle Einrichten einer WPA2-Verschlüsselung und das Eintragen einer MAC-Adresse in einen W-LAN-Router einfach keinen Spaß. Und ich habe absolutes Verständnis dafür, dass die meisten Leute noch nicht einmal wissen wollen, was WPA2 überhaupt ist. Und ich habe Verständnis dafür, dass immer weniger Leute Lust haben, bei Problemen mit einem technischen Gerät eine Bedienungsanleitung durchzuklicken, die dem Gerät auf CD (!) beiliegt oder, noch schlimmer, ein "Manual", das man nur im Internet aufrufen kann. Darum: Leute, fangt endlich an Euren Job vernünftig zu machen, Ihr Entwickler und Produktmanager, Ihr Gerätedesigner und Software-Entwickler. Wir wollen bedienbare Geräte! Und wenn Ihr keine Ahnung habt, wie ihr das anstellen sollt, dann fragt vor der Markteinführung doch einfach jemanden, der sich damit auskennt. Nämlich uns, die Nutzer.

 


Über den Autor:

Michael Stein (Konfirmation 1976) arbeitet seit 1986 als Wissenschaftsjournalist mit Schwerpunkt Technik für Radio, Fernsehen, Print- und Online-Medien. Parallel zum Beruf studiert er seit 2004 in Wuppertal und Bochum Evangelische Theologie, um irgendwann einmal Journalist und Pfarrer zu sein. Für evangelisch.de schreibt er in seiner Kolumne "Maschinenraum" jede Woche über Technik, was wir mit ihr machen -und was sie mit uns macht.