Prostatakrebs, wegen dem sich Oskar Lafontaine kürzlich einer Operation unterziehen musste, ist die häufigste Krebsart beim Mann - mit rund 58.570 Neuerkrankungen im Jahr. An zweiter Stelle steht Darmkrebs mit 37.250 neuen Fällen und Lungenkrebs mit 32.850 Erkrankungen. Bei Frauen ist die häufigste Krebsart immer noch Brustkrebs (57.230 Neuerkrankungen), ebenfalls gefolgt von Darm- (36.000) und Lungenkrebs (12.190).
Bei Kindern sind bösartige Tumore die zweithäufigste Todesursache (1.800 Neuerkrankungen, vor allem Leukämien, Hirn- und andere Nerventumore sowie Lymphdrüsenkrebs). Trotzdem haben sich die Heilungschancen bei diesen Krebsarten enorm verbessert und liegen inzwischen bei 80 Prozent.
Genfaktoren und Lebensstil sind entscheidend
Krebs ist eine Krankheit, bei der Genfaktoren (Vererbung) eine wichtige Rolle spielen – zum Beispiel gibt es Gene, welche die Tumorbildung unterdrücken. Sind sie beschädigt, kommt es leichter zu Krebs. Einige dieser Genfaktoren sind bekannt und können durch einen Test abgeklärt werden (zum Beispiel verschiedene Brustkrebs-Gene), bei anderen Krebsarten, wie etwa Darmkrebs, ist ein erblicher Zusammenhang offensichtlich, aber nicht im Detail geklärt. In diesem Fall erhebt der Arzt eine Familien-Anamnese – er stellt eine Art Krebs-Stammbaum für die Familie auf – und bestimmt danach mögliche Präventionsmaßnahmen.
Der Lebensstil hat jedoch in jedem Fall entscheidenden Anteil an der Frage, ob ein Krebs ausbricht oder nicht. Jeder Mensch kann sein persönliches Risiko bereits wirkungsvoll senken, wenn er zwei negativen Einflüssen aus dem Weg geht: Tabakrauch (aktiv wie passiv) und UV-Strahlung.
Nicht rauchen, nicht bräunen
Zigaretten enthalten nicht nur Teer, der sich an die Schleimhäute der Bronchien heftet, sondern jede Menge belastender Chemikalien: 4.800 verschiedene Stoffe, von denen über 40 erwiesenermaßen krebserzeugend sind. Deshalb ist Rauchen nicht nur für Lungenkrebs, sondern nach Schätzungen für ein Drittel aller Krebsarten verantwortlich. 140.000 Menschen sterben in Deutschland jährlich an den Auswirkungen– das sind mehr Todesfälle als durch Aids, Alkohol, illegale Drogen, Verkehrsunfälle, Morde und Selbstmorde zusammen.
Regelmäßige Solarienbenutzer sind besonders von Hautkrebs bedroht und zwar umso mehr, je früher sie mit dem Bräunen begonnen haben, ergab eine Studie der Deutschen Krebshilfe. Minderjährige dürfen deshalb seit August diesen Jahres keine öffentlichen Solarien mehr benutzen.
Vorsorge: Qualität kontrollieren!
Unterschiedlich bewertet werden die Erfolge von regelmäßigen Screening-Untersuchungen zur Früherkennung, wie sie zum Teil von den Krankenkassen ab einem bestimmten Lebensalter angeregt und bezahlt werden (siehe Übersicht unten). Die Nutzen-Risiko-Analyse hängt unter anderem davon ab, wie "invasiv", also in der Körper eingreifend und möglicherweise belastend, die Verfahren sind und welche gesicherten Erkenntnisse es über ihren Nutzen gibt.
Deutschland stand lange Zeit in der Kritik, weil auch von weniger geschulten Ärzten sehr viele Brüste geröntgt wurden und der dabei verursachten Strahlenbelastung wenig Erfolge gegenüberstanden. Es wurden überdurchschnittlich viele falsch positive Befunde (neun von zehn) erhoben, die sich erst bei einer Biopsie klärten. Die Gesundheitspolitik hat darauf mit dem Ausbau eines flächendeckenden Netzes von über 140 qualitätskontrollierten Mammographie-Zentren reagiert. Große Erfolge zeichnen sich momentan noch nicht ab: Von 1.000 neuerkrankten Frauen kann eine durch den Mammographiebefund gerettet werden. Unabhängig von diesem statistischen Wert kann es für besondere Risikogruppen sinnvoll sein, sich regelmäßig mammographieren zu lassen. Weniger als 50 Prozent der anspruchsberechtigten Frauen beteiligten sich jedoch 2005 an den Screeningverfahren. Das regelmäßige Abtasten der Brüste durch die Frauen selbst bleibt ein notwendiges und kaum weniger erfolgreiches Verfahren.
Nicht alle Vorsorge-Verfahren sind gleich erfolgreich
Die Deutsche Krebshilfe führte 2005 mit den medizinischen Fachgesellschaften eine Bewertung der verschiedenen Screeningverfahren durch. Sie kritisierte grundsätzlich, dass durch viele Defizite in der je nach Bundesland unterschiedlichen Führung der Krebsregister die Analyse der Wirksamkeit schwierig ist. Abstrich und Zellkontrolle des Gebärmutterhalses werden als "sensitiv", also aussagestark beurteilt. Die Früherkennung des Eierstockkrebses (Sonographie und Tumormarker) ist noch in der Erprobung. Die Impfung gegen das krebserregende HPV-Virus vor dem ersten Geschlechtsverkehr, die seit 2006 auf dem Markt ist, bleibt wegen unklarer Datenlage zu ihrem Nutzen umstritten.
Die Stuhltests zur Ermittlung von verstecktem Blut im Stuhl sind laut Krebshilfe erfolgreich, wenn sie – im positiven Fall – von einer Darmspiegelung gefolgt werden: Tumore werden früher entdeckt, die Mortalität sinkt um bis zu 45 Prozent. Die Koloskopie wird nach einer deutlichen Anhebung der erforderlichen Qualitätsstandards als positiv bewertet. Noch nicht ausreichend positive Effekte zeigt eine "virtuelle Darmspiegelung" durch Computertomographie oder Magnetresonanz. Auch Tests auf Genfaktoren im Stuhl werden als noch nicht sicher genug eingeschätzt.
Verfahren zur Lungenkrebs-Früherkennung wie Computertomographie oder Sputum-(Schleim)-Proben zeigen kein klares Bild. Bei Lungen- und Bronchialkrebs, so die eindeutige Aussage der Experten, hilft nur die Primärprävention: nicht Rauchen!
Bei der Vorhersage von Prostatakrebs durch ein Prostata-spezifisches Antigen (PSA) wird die Gefahr der "Überdiagnostizierung" problematisiert: Von 10.000 an einem Prostatakarzinom operierten Männern sterben zehn an dieser Operation, 300 erleiden Inkontinenz und 4.000 werden impotent. Unklar ist bislang vor allem, welche Therapie eines Prostatakarzinoms das krankheitsbedingte Leiden oder die Sterblichkeit beeinflussen kann. Es fehlt auch der eindeutige Nachweis, ob bei durch PSA detektierten Tumorstadien eine invasive Behandlung dem kontrollierten Abwarten überlegen ist.
Die Hautkrebszahlen steigen drastisch an, während die Sterblichkeit leicht sinkt – vermutlich auch wegen der verbesserten Früherkennung. Schulungsprogramme für Ärzte sollen die Raten weiter verbessern. Einen Überblick über die Krebsfrüherkennung gibt auch die Stiftung Warentest.
Statistik zu den Neuerkrankungen an Krebs, Robert-Koch-Institut 2008.
Was die Kassen zahlen
Für einen Teil der Vorsorge-Untersuchungen übernehmen die Krankenkassen die Kosten:
Krebsvorsorge für Frauen:
- ab 20 Jahren: Untersuchung der inneren und äußeren Geschlechtsorgane.
- ab 30 Jahren: zusätzliche Tastuntersuchung der Brust.
- ab 50 Jahren bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres besteht alle zwei Jahre Anspruch auf ein qualitätsgesichertes Mammographie-Screening, eine Röntgenuntersuchung der Brüste.
Krebsvorsorge für Männer:
- ab 45 Jahren: Tastuntersuchung der Prostata sowie Inspektion des äußeren Genitales.
Für beide Geschlechter ab 35 Jahren besteht seit 1. Juli 2008 ein flächendeckendes Screening für Hautkrebs. Alle zwei Jahre übernimmt die Kasse eine qualitätsgesicherte Untersuchung der gesamten Körperoberfläche. Im Alter zwischen 50 und 55 Jahren übernimmt die Kasse die Kosten eines Stuhltests zur Darmkrebs-Früherkennung. Danach bietet sie eine Darmspiegelung (Koloskopie) an, die in der Regel nach zehn Jahren wiederholt wird.
Petra Thorbrietz ist freie Wissenschaftsjournalistin und schreibt unter anderem für evangelisch.de.
Zum Thema "Krebs" schreibt Stephan Wolters in seinem Blog "Gras in den Dünen" seine eigenen Erlebnisse auf. Er lebt seit 2006 mit der Diagnose einer kleinzelligen, aggressiven Krebsart und hat darüber auch zwei Bücher geschrieben, ebenfalls unter dem Titel "Gras in den Dünen". Sein Blog finden Sie hier auf evangelisch.de.