Ab 2010 kein Shopping an allen Adventssonntagen mehr

Ab 2010 kein Shopping an allen Adventssonntagen mehr
Die großzügige Regelung zur Ladenöffnung an Sonntagen im Land Berlin ist teilweise verfassungswidrig. Die Berliner Regelung von 2006, die an allen vier Adventssonntagen die Öffnung der Geschäfte erlaubt, verletze das Recht auf Religionsfreiheit und verstoße gegen den Sonntagsschutz des Grundgesetzes, urteilte das Bundesverfassungsgericht.

Damit gab das höchste deutsche Gericht einer Klage der beiden großen Kirchen teilweise statt. Von dem Urteil gegen die bundesweit liberalste Ladenöffnung wird eine Signalwirkung auch für andere Bundesländer erwartet. Bis zum Jahresende dürfen die Berliner Geschäfte an den Sonntagen allerdings noch geöffnet bleiben. Das Verbot verkaufsoffener Adventssonntage greift erst ab 2010. Die Kirchen und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßten die Entscheidung.

Sonntag "Tag der seelischen Erhebung"

Nach dem seit November 2006 geltenden Berliner Ladenöffnungsgesetz dürfen die Geschäfte in der Bundeshauptstadt an bis zu zehn Sonntagen jährlich zwischen 13 und 20 Uhr öffnen. Darunter sind alle vier Sonntage vor Weihnachten. Nach dem sogenannten Weimarer Kirchenartikel 139, der aus der Reichsverfassung von 1919 ins Grundgesetz übernommen worden war, sind Sonntage grundsätzlich Tage der Arbeitsruhe und der "seelischen Erhebung".

"Das gesetzliche Schutzkonzept für die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe muss diese Tage erkennbar als solche der Arbeitsruhe zur Regel erheben", sagte Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier. Die Einwände der Richter richten sich vor allem gegen eine flächendeckende Ladenöffnung an mehreren Sonntagen hintereinander, ohne dass es dafür eine - über das bloße "Shopping-Interesse" hinausgehende - Rechtfertigung gäbe. Die Freigabe eines geschlossenen Zeitblocks von etwa einem Zwölftel des Jahres sei nicht mit dem Schutz der Sonntagsruhe vereinbar.

Die übrigen Vorschriften zur Sonntagsöffnung in Berlin billigte das Gericht im Grundsatz. Bei den vier Sonntagen, die die Senatsverwaltung "im öffentlichen Interesse" freigeben darf, ordnete das Gericht aber an, die Öffnung auf die Zeit zwischen 13 und 20 Uhr zu begrenzen. Darüber hinaus dürfen Berliner Geschäfte an zwei weiteren Sonntagen etwa bei Firmenjubiläen oder Straßenfesten ihre Waren verkaufen.

"Geschenk der Christen an die Gesellschaft"

Der Sonntag sei nicht allein aus religiösen Gründen geschützt, argumentierte das Gericht. Als grundsätzlicher Tag der Arbeitsruhe sei der Sonntag eine wesentliche Grundlage dafür, dass die Menschen sich erholen und ihr soziales Zusammenleben organisieren könnten.

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Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Katrin Göring-Eckardt, begrüßte das Urteil. Der arbeitsfreie Sonntag ohne Ladenöffnungen habe etwas Verbindendes in der Gesellschaft, sagte Göring-Eckardt unmittelbar nach der Verkündung des Urteils am Dienstag im ZDF. Der Sonntag sei "ein Geschenk der Christen an die Gesellschaft". Sonntagsruhe bedeute, Begegnungen möglich zu machen, sagte sie weiter. Die Priorität liege bei der Familie, bei der Gemeinschaft.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, sprach vor der Entscheidung in Karlsruhe von einer "prinzipiellen kulturellen Frage". Es gehe darum, ob gemeinsame Lebensrhythmen Vorrang bekommen vor einer "totalen Ökonomisierung des Lebens", sagte der CSU-Politiker am Dienstag im ZDF. Ansonsten werde der gesellschaftliche Zusammenhang gefährdet. "Jede große Kultur hat auch einen Ruhetag", argumentierte Glück für eingeschränkte Ladenöffnungen an Sonntagen. Den Kirchen gehe es mit ihrer Klage nicht zuvorderst darum, den Gottesdienstbesuch zu sichern, sondern den kulturellen Wert des Sonntags zu erhalten.

Staatsrechtler: Bahnbrechende Entscheidung

Der Staatsrechtler Hans Michael Heinig sprach von einer bahnbrechenden Entscheidung. Das Gericht mache damit klar, dass die Verfassung nicht einfach für den Kommerz verletzt werden dürfe, sagte der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD. Indem es das Klagerecht der Kirchen zugelassen hat, habe das Verfassungsgericht "juristisches Neuland" betreten. Tatsächlich war es in dem Gerichtssenat auch umstritten, ob die Kirchen aus eigenem Recht den Sonntagsschutz überhaupt einklagen können. Drei der acht Richter stimmten dagegen, weil sie den Sonntagsschutz nur als "objektiv-rechtliche" Pflicht ansahen.

Für die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sagte die stellvertretende Vorsitzende Margret Mönig-Raane, das Urteil es sei ein "großer Erfolg" für die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und das Erzbistum Berlin. Die Gewerkschaft hatte die Kirchen bei ihrem Vorgehen gegen die Ladenöffnungen unterstützt.  Bundesweit könnten Millionen Einzelhandelsbeschäftigte und ihre Familien den Sonntag nun gemeinsam genießen, sagte Mönig-Raane.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist online als Pressemitteilung sowie im Volltext nachzulesen. 

epd/dpa