Der dumpf-diffusen Angst vor Islamisierung in den Weg stellen

Der dumpf-diffusen Angst vor Islamisierung in den Weg stellen
Eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung wünscht sich den Satz "Der Bau von Minaretten ist verboten" in der Verfassung des Landes. Was für ein verheerendes Signal.
01.12.2009
Von Katrin Göring-Eckardt

Was für eine Angst schwingt in dem Ergebnis der Volksabstimmung mit, was für eine unterschwellige Feindseligkeit gegen die muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Es gehe ja nicht um die Religionsfreiheit, beschwichtigen manche: Die solle ja nicht beschnitten werden. Muslime sollten ihre Religion ja frei ausüben dürfen – nur eben ohne Minarett.

Menschenrechte verteidigen

Ich bin erschrocken über dieses Votum. Es ist ausgrenzend und es steht im Widerspruch zu den Werten, auf die die europäischen Gesellschaften zu Recht stolz sind. Die Menschenrechte, zu denen das Recht auf freie Ausübung der Religion gehört, sind Errungenschaften, um die uns viele Völker auf der Welt beneiden. Diese Menschenrechte müssen wir verteidigen – offensichtlich mehr denn je gegen fremdenfeindliche Haltungen in unserer eigenen Gesellschaft.

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Der Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, Thomas Wipf, hat recht, wenn er sagt, dass ein Minarett-Verbot keine Probleme lösen, sondern neue schaffen wird. Religionsfreiheit und Minderheitenrechte dürfen nicht in einem Referendum zur Abstimmung gestellt werden – sie sind unantastbare Grundlage unserer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung in Europa.

Diese Menschenrechte eignen sich auch nicht für einen Kuhhandel nach dem Motto: Wie du mir, so ich dir. Die Tatsache, dass es in islamisch geprägten Ländern schwierig ist, Baugenehmigungen für Kirchen zu erlangen, darf doch gerade nicht als Argument dafür herhalten, nun den Muslimen das Recht, das wir uns in anderen Ländern wünschen, in Europa zu verweigern.

Kampagne hat irrationale Ängste geschürt

Befürworter des Minarett-Verbotes verweisen auf eine weit verbreitete "Angst vor Islamisierung", die man ernst nehmen müsse. Tatsächlich muss man diese Angst und die damit verbundenen Ressentiments ernst nehmen – aber nicht, indem man sie verteidigt oder Verständnis dafür zeigt, sondern indem man immer und immer wieder aufzeigt, wie irrational sie sind. Man mache sich doch einmal klar, dass es in der Schweiz zum heutigen Zeitpunkt genau vier – vier! – Moscheen mit Minaretten gibt. Das Plakat, mit dem für das Minarett-Verbot geworben wurde, bedient diese irrationalen Ängste auf unverantwortliche Weise. Die verschleierte Frau, die Minarette, die sich wie Mittelstreckenraketen auf der Schweizer Fahne erheben schüren die Ängste, die mit der Realität nichts zu tun haben.

Gerade Christinnen und Christen sollten sich einer solchen fremdenfeindlichen Haltung, einer solchen dumpf-diffusen Angst entschieden in den Weg stellen. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat in den vergangenen Jahren immer wieder für einen offenen, kritisch-konstruktiven Dialog mit den Musliminnen und Muslimen geworben, hat ihn selbst geführt, ist dafür von verschiedenen Seiten gescholten worden. Aber nur ein solcher Dialog, in dem auch umstrittene Themen sachlich diskutiert werden, kann Verständnis entstehen lassen und schließlich auch Vertrauen. Eine Einschränkung der Religionsfreiheit durch den Staat wie durch ein Minarett-Verbot steht dem entgegen.


 

Katrin Göring-Eckardt ist Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und Grünen-Politikerin.