Arbeiterwohlfahrt-Chef Brückers will den Konsens: "Nur so erreichen wir die notwendige Akzeptanz in der Branche und gegenüber der Politik", sagte er dem epd. Er will auch den Arbeitgeberverband Pflege dabei haben. Der Verband war erst im Juni gegründet worden, um im Interesse der privaten Pflegeanbieter in die Mindestlohnverhandlungen einzugreifen. Der frühere Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) sah die Neugründung skeptisch. Unter Schwarz-Gelb aber haben die privaten Arbeitgeber, die eine Minderheit der Pflegeanbieter vertreten, an Gewicht gewonnen.
Im privaten Sektor arbeiten nach Angaben des Arbeitgeberverbandes Pflege 184.000 Pflegekräfte, vorwiegend bei Pflegediensten. Bei den großen Heimanbietern in der Altenpflege sind rund 40.000 Kräfte beschäftigt, heißt es. Insgesamt arbeiten in der Altenpflegebranche rund 600.000 Menschen.
Für die tarifgebundenen privaten Anbieter - im wesentlichen die großen Heim-Unternehmen wie Pro Seniore, Kursana oder die Marseille Kliniken - soll ab 2010 ein Tarifvertrag gelten, der auch einen Mindestlohn von 7,50 Euro im Osten und 8,50 Euro im Westen Deutschlands vorsieht. Jeder höhere Mindestlohn bringe die Privaten in Gefahr, besonders die ambulanten Dienste im Osten Deutschlands, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes Pflege, Friedhelm Fiedler, dem epd. Er hoffe "auf eine vernünftige Entscheidung".
Streit über Lohnhöhe
Mit der Gewerkschaft ver.di hingegen ist ein Altenpflege-Mindestlohn von 7,50 bis 8,50 Euro "nicht zu machen", so ver.di-Pflege-Experte Jürgen Wörner, der für ver.di in der Kommission sitzt. Er will, ebenso wie die Arbeitnehmervertreter der kirchlichen Anbieter, eine Untergrenze von mindestens 9,50 Euro durchsetzen. Das ist die untere Grenze der tariflichen Entlohnung für Pflegehilfskräfte im öffentlichen Dienst.
Bei den privaten Anbietern verdienen nach einer Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) - die zum Teil auf Daten des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) basiert - zehn Prozent der Pflegekräfte im Westen weniger als 8,50 Euro in der Stunde. Im Osten hat jede vierte Altenpflegerin weniger als 8,50 Euro pro Stunde, elf Prozent weniger als 7,50 Euro.
Mehr als die Hälfte der rund 600.000 Pflegekräfte in der Branche sind indes bei kirchlichen Arbeitgebern beschäftigt, die besser bezahlen. Bei der Diakonie liegen die Stundenlöhne für Pflegehilfskräfte zwischen rund neun Euro in den östlichen Bundesländern und rund elf Euro in Niedersachsen. Die Caritas zahlt ähnlich.
Kirchen größter Anbieter
Die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände sind die größten Anbieter in der Altenpflege. Daher hat das Wort der kirchlichen Vertreter Gewicht. Unter 9,50 Euro pro Stunde gehe gar nichts, hatte der Caritas-Arbeitnehmervertreter noch im Frühling dieses Jahres erklärt. Inzwischen haben sich die Kommissions-Mitglieder allerdings Stillschweigen verordnet, um die Verhandlungen nicht zu gefährden. Der Diakonie-Arbeitnehmervertreter Manfred Freyermuth spricht von einer "politisch brisanten Angelegenheit".
Wie viele Altenpflegerinnen überhaupt nach Tarif bezahlt werden, weiß niemand. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) kennt ambulante Dienste, die selbst einer Pflegefachkraft nur 4,50 Euro die Stunde bezahlen. Von unten kommen die Löhne durch die Pflege-Schwarzarbeit in hunderttausenden deutschen Haushalten unter Druck. Aber selbst die Pflegemindestlohn-Kommission kann bisher keine Angaben machen über das Ausmaß von Dumping-Löhnen.
Welcher Mindestlohn nun auch vereinbart wird: Möglicherweise gilt er nur zwei Jahre lang. Bis Oktober 2011 will die schwarz-gelbe Koalition alle Branchen-Mindestlöhne überprüfen und, wenn es Union und FDP notwendig erscheint, wieder abschaffen. So steht es im Koalitionsvertrag. Das würde dann auch für die Altenpflege gelten.