Bis heute ist der Auftritt des einst mächtigen Ministers für Staatssicherheit der DDR am 13. November in der Volkskammer bei vielen Menschen als Lachnummer im Gedächtnis geblieben. Sein an die verärgerten Parlamentarier gerichteter Ausruf "Ich liebe doch alle, alle Menschen!" hat bis heute mit kleinen Nuancen überlebt.
Was war passiert?
Vier Tage nach dem Fall der Mauer kam die Volkskammer der langsam zusammenbrechenden DDR zusammen, um einen neuen Parlamentspräsidenten zu wählen und weitere Zeichen für einen Neuanfang zu setzen. Von einem einheitlichen Deutschland war noch keine Rede. Hans Modrow wurde mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Der Dresdner SED-Chef galt als Hoffnungsträger in der Partei und wurde auch vom Westen als "Kronprinz" Honeckers gehandelt. Als die scheidende Regierung von Willi Stoph zu ihrer Arbeit und Problemen des Landes Rede und Antwort stehen sollte, kam es zu dem denkwürdigen Auftritt Mielkes.
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Er berichtet den Abgeordneten, dass die Stasi die SED-Führung "hervorragend" über die Lage in der Bevölkerung unterrichtet habe. Über kleine und große Unzulänglichkeiten, auch über das Problem der Republikfluchten. Die Stasi habe "einen außerordentlich hohen Kontakt mit allen werktätigen Menschen", sagt Mielke, der sich öfter verhaspelt und mit der Grammatik auf Kriegsfuß steht. Gelächter ertönt. Die Realität war für viele DDR-Bürger ganz anders, als sie die Stasi sah.
"Ich liebe euch doch alle!"
Unmut macht sich unter den Abgeordneten breit. "In dieser Kammer sitzen nicht nur Genossen!", wird Mielke scharf ermahnt. Nach Meinung einiger Parlamentarier hat er die Zeichen der Zeit überhaupt nicht erkannt. Der 81-Jährige nimmt die Unmutsäußerungen mit sichtbarer Verwunderung auf und ruft schließlich jene Worte aus: "Ich liebe, ich liebe doch alle, alle Menschen! Na ich liebe doch!" Bei den Anwesenden und den Fernsehzuschauern erntet Mielke Gelächter und Kopfschütteln. Opfer der Stasi und der SED-Diktatur empfinden Mielkes Worte als Verhöhnung. In seinem Ministerium soll der Auftritt blankes Entsetzen ausgelöst haben.
Mielkes ebenfalls vorgetragene Kritik an der Parteiführung, die die Analysen seines Ministeriums unberücksichtigt gelassen habe, will niemand hören. "Glaubt mir, glaubt mir, wir haben die (Informationen) gegeben", beharrt Mielke trotzig. "Das Einzigste ist", fügt er später hinzu, "dass vieles, das wir gemeldet haben, nicht berücksichtigt wurde. Und nicht eingeschätzt wurde... Wir haben versucht, nach der Verfassung und den bestehenden Gesetzen einwandfrei zu arbeiten." Wieder Kopfschütteln.
Mielke stirbt zehneinhalb Jahre nach dem Mauerfall im Mai 2000. Seine letzte Wohnung hatte er zusammen mit seiner Frau in einem Plattenbau-Hochhaus in Berlin-Hohenschönhausen. Beerdigt wurde er in einem anonymen Massengrab. Das hätte er sich zu DDR-Zeiten mit Sicherheit nicht träumen lassen.