Was wissen wir wirklich? - Zum Tod von Robert Enke

Was wissen wir wirklich? - Zum Tod von Robert Enke
Warum ausgerechnet er? Immer wieder stellten sich fassungslose Fans diese quälende Frage. Eine Antwort fanden sie nicht.
10.11.2009
Von Ralf Peter Reimann

Robert Enke ist tot. Vermutlich hat er sich selbst getötet. In Schlagzeilen konnte man die Wörter "Freitod" oder "Selbstmord" lesen. Schon die Wortwahl ist eine Kommentierung des Todes - und auch des Lebens - von Robert Enke. Freitod oder Selbstmord - beide Wörter drücken ein Urteil über einen Menschen aus und bewerten die Handlungsweise eines Menschen, der sich womöglich das Leben nahm. Statt zu werten, gilt es angesichts des Todes innezuhalten.

Der unzeitige Tot eines Menschen ist unfassbar und löst Betroffenheit aus. Wenn sich ein Mensch selbst das Leben nimmt, stellen sich unweigerlich die Fragen nach dem Warum. Warum hat er das getan? Hätte man es verhindern können?

Höhen und Tiefen

Als Nationaltorwart war Robert Enke eine öffentliche Person. Aus den Medien wissen wir um den Tod seiner zweijährigen Tochter vor drei Jahren. Als er und seine Frau danach ein zwei Monate altes Kind adoptierten, äußerten beide, wie glücklich und dankbar sie für ihre adoptierte Tochter seien. Höhen und Tiefen kannte Robert Enke in seinem Leben.

Wegen einer Erkrankung hat er die letzten vier Länderspiele verpasst und war auch für die beiden nächsten Länderspiele gegen Chile und die Elfenbeinküste am 14. und 18. November nicht nominiert worden. Allerdings war er weiter ein Favorit auf die Nummer eins bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika - so Medienberichte. Er war oben im Sport angekommen, aber er spielte zurzeit nicht in seiner Position.

Wenn man nur diese Schlaglichter aufs Leben von Robert Enke sieht, beginnt man schnell, Fragen nach dem Warum zu stellen und den Tod von Robert Enke erklären zu wollen.

Aber was wissen wir von Robert Enke? Wissen wir, was ihn im Inneren bewegt hat? Wie lebte er in den Lebensbereichen, welche die Öffentlichkeit nicht kannte.

(Zu) schnelle Deutungen

Es gibt jetzt bereits Stimmen, die seinen Tod in eine bestimmte Richtung deuten beziehungsweise  Deutungen ausschließen. Hier mag sich jeder fragen, von welchen Interessen diese Deutungen geleitet sind.

Vielleicht wird die Öffentlichkeit die Gründe, warum sich Robert Enke vermutlich das Leben nahm, nie erfahren. Vielleicht gibt es auch keine Gründe, die das Geschehen nachvollziehbar machen.

In der christlichen Tradition wurde die Selbsttötung lange als Sünde gebrandmarkt. Wer sich das Leben genommen hatte, dem wurde die kirchliche Bestattung verweigert. Die Hochschätzung des Wertes Leben hatte die moralische Verurteilung zur Folge, wenn sich jemand das Leben nahm. Zum Glück herrscht heute eine andere Sicht vor.

"Denn du Gott allein kennst das Herz aller Menschen", heißt es in der Bibel. In dieser Erkenntnis drückt sich aus, dass wir nicht über andere Menschen und ihre Beweggründe urteilen können. Dieses Urteil steht nur Gott zu.

Die Wertschätzung des Lebens sollte daher Raum für Trauer und Mitgefühl eröffnen - und für Respekt vor dem Leben von Robert Enke.


Ralf Peter Reimann ist von seiner Ausbildung her evangelischer Pfarrer und Informatiker. Er arbeitet in der evangelisch.de-Redaktion an den Schnittstellen zu Theologie und Technik.