"Bis vergangene Woche waren wir noch im Verteidigungskampf", sagt der Kaufmann fassungslos. Bachhuber rechnet am Donnerstag mit seiner Kündigung und der anschließenden Freistellung. Den Packen Anträge von der Arbeitsagentur hat er sich schon abgeholt, aber noch nicht durchgelesen und wieder abgegeben. Es ist das erste Mal in seinem Leben, dass er sich arbeitslos melden muss. Schon nächsten Montag wird in seinem Leben alles anders sein, er wird dann keinen geregelten Berufsalltag mehr haben. 20 Jahre war er bei Quelle, "die brechen jetzt einfach weg", sagt Bachhuber.
Wie in Watte gepackt, so fühlt er sich. Wie es bei ihm weitergeht, kann er nicht sagen, er weiß es bisher noch gar nicht. Zuletzt war er verantwortlich für das Objektmanagement der Quelle Technik-Shops, hat Eröffnungen, Umbauten, Schließungen geplant und begleitet. Damit ist jetzt Schluss. Der Tag hat viele Stunden, davor fürchtet er sich ab Montag. Er will nicht depressiv oder deprimiert werden, sondern versucht, realistisch seine Lage einzuschätzen. "Halteseile aufbauen", so nennt Bachhuber das.
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Zusammen mit drei Kollegen hat er überlegt, wie sie die Situation nutzen könnten, wie einen positiven Aspekt erkennen. Die kleine Gruppe ist fündig geworden: Sie wollen Betriebsräten in ähnlichen Situationen ihre Hilfe anbieten – ehrenamtlich. Das sieht er als Hilfe zur Selbsthilfe an, um den Schock zu überwinden. Als die Nachricht vom Aus bei Quelle kam, sind Kollegen am Arbeitsplatz zusammengebrochen, sie mussten mit Notarztwagen abtransportiert werden. Das hat sich ihm eingeprägt.
Nur von einigen wenigen Kollegen weiß Bachhuber, dass sie schon neue Stellen gefunden haben. Wie es für ihn selbst auf dem Arbeitsmarkt aussieht, kann er noch nicht einschätzen. Bachhuber war zwar 20 Jahre bei Quelle, ist aber kein Eigengewächs. Er hat Groß- und Außenhandelskaufmann gelernt, im Ausland und in der Handelsforschung gearbeitet. Darauf und auf seine guten Englischkenntnisse setzt der 46-Jährige. Ob er allerdings in der Region einen adäquaten Arbeitsplatz finden wird, ist unsicher.
Eltern nicht im Stich lassen
Weggehen – darüber hat Bachhuber auch schon nachgedacht. Doch die Familie ist ihm wichtig, und seinen Eltern geht es derzeit nicht gut. Diese "Kaltschnäuzigkeit", wie er es nennt, die Eltern im Stich zu lassen, die bringe er nicht auf. "Das war hier mal eine richtig gute Region", erzählt Bachhuber, aber seit den Pleiten von Grundig, AEG und jetzt Quelle "gibt es hier nur noch Krise". "Wenigstens können wir sagen, wir waren bei der größten Pleite der Nachkriegsgeschichte dabei." Galgenhumor.
Eine andere Wohnung, vielleicht ganz wegziehen – darüber hat auch Uta Plank schon nachgedacht. 38 Jahre ist sie bei Quelle gewesen, hat dort ihre Ausbildung zur Datenverarbeitungskauffrau absolviert, hat sich hochgearbeit – bis zur Business Intelligence, die die Kundendaten rund um das Kataloggeschäft analysiert. Ihre Ausbildung und der gute Ruf ihrer Abteilung könnten ihr vielleicht helfen, eine neue Stelle zu finden. Kollegen aus ihrer Abteilung haben teilweise schon andere Jobs – weit weg, in Hannover oder Duisburg. Auch eine Kollegin aus dem Einkauf bewirbt sich bundesweit.
Bis zuletzt hat Plank nicht an die Abwicklung geglaubt, auch, weil trotz der Insolvenz so ein wahnsinniger Einsatz bei allen spürbar gewesen sei. Und weil Quelle doch mal ein gutes, ein grundsolides Unternehmen gewesen sei. Sozial, förderungsbereit, mit Fähigkeiten und Kapazitäten, um beispielsweise einen Shoppingsender aufzubauen. Und mit einem "Wir-Gefühl", betont Plank, trotz der vielen Managerwechsel. Die Manager, die kamen und gingen, sich zum Teil nicht einmal in Nürnberg blicken ließen. Das hat das Unternehmen Substanz gekostet. Auf diese Manager ist die 54-Jährige richtig sauer, dass merkt man, wenn sie darüber spricht. Wie auch auf die Politiker. Karl Theodor zu Guttenberg, damals noch Wirtschaftsminister, der Mut zu machen versuchte mit dem Satz, dass auch in der Insolvenz eine Chance liege. Und der zusammen mit der Merkel-Regierung Quelle 650 Millionen Euro Bürgschaft verweigert hatte. Und Opel dagegen? Warum Opel und nicht Quelle?
Wer sind die wahren Freunde?
Diese Wut bricht aus ihr heraus, darauf findet sie keine Antworten. Andererseits sei sie sehr distanziert, habe sie selbst an sich festgestellt. Sie gehe zur Firma, mache ihre Arbeit – wovon es noch viel gibt. Ihre Mutter und ihre Schwester dagegen seien viel besorgter, viel aufgeregter gewesen, hätten auch geweint. Vielleicht sei sie selbst auch deswegen so distanziert, weil alles so schnell ging, weil sie alles noch gar nicht richtig begriffen hätte. Für die allernächste Zeit, so hat sich Uta Plank vorgenommen, will sie sich neu sortieren.
Vielleicht besucht sie eine Freundin in Österreich, vor der sie eingeladen wurde, schon kurz nachdem die Pleite bekannt geworden war. "In einer solchen Krise merkt man auch schnell, wer zu einem steht und sich wirklich kümmert. Oder ob jemand einfach nur so mal anruft und sich erkundigt", diese Erfahrung hat die Kauffrau gemacht. Dabei muss sie nicht nur mit ihrer eigenen Situation fertig gewerden, sondern ist gleich mehrfach belastet. Ihr Mann hat auch bei Quelle gearbeitet und ist jetzt natürlich auch seinen Job los.
Und als Betriebsrätin ist sie Ansprechpartnerin für die vielen Kolleginnen und Kollegen, die jetzt auch nicht wissen, wie es weitergeht. "Viele von denen waren noch nie in ihrem Leben arbeitslos, die wissen gar nicht, wie man einen Antrag stellt", sagt Plank. Genau wie sie selbst, die jetzt nicht einfach nur arbeitslos wird. Mit 54 hatte sie sich bereits Gedanken darüber gemacht, wie der Übergang in den Ruhestand aussehen könnte. Alles vorbei. Immerhin bleibt ihr ein Trost: Die Betriebsrenten sind gesichert – trotz Pleite.