Der kommentierte Aphorismus (V)

Der kommentierte Aphorismus (V)
In seiner Kolumne kommentiert Hasso Mansfeld Aphorismen. In dieser Folge hat er sich ein Wort von Immanuel Kant vorgenommen. Thema: die Angst vor dem Tod.
26.10.2009
Von Hasso Mansfeld

"Den Tod fürchten die am wenigsten, deren Leben den meisten Wert hat." - Immanuel Kant, Deutscher Philosoph, geboren am 22. April 1724 und gestorben am 12. Februar 1804 in Königsberg

Immanuel Kant meint hier die Qualität des Lebens. Der Wert, die Qualität des Lebens , die dadurch entsteht, dass man sich seiner eigenen Lebendigkeit bewusst wird, dass man seine Lebendigkeit nutzt und sich daran erfreut. Mit dem Wert des Lebens hat Kant sicherlich in keiner Weise irgendeinen Materialismus gemeint. Der Wert eines Lebens lässt sich nicht mit Geld messen und ist daher auch nicht von der Höhe der verfügbaren Einkommen abhängig. Es kommt vielmehr darauf an, den Herausforderungen, welche das Leben an einen selbst stellt, freudig entgegen zu treten und sich nicht vor den zu bewältigenden Aufgaben zu drücken oder gar zu fürchten.

Die Angst vor dem Tode ist daher nicht die Angst vor dem Herannahen des eigenen Endes, oder die Furcht vor der Auseinandersetzung mit der zeitlichen Begrenztheit der Existenz, sondern es ist die Angst vor der Lebendigkeit. So fürchtet derjenige den Tod am meisten, der es nicht schafft seiner Lebendigkeit Ausdruck zu verleihen. Seine größte Furcht ist es zu sterben ohne jemals lebendig gewesen zu sein. Für den römischen Philosophen Seneca war es denn auch das größte aller Übel, aus der Zahl der Lebenden zu scheiden, ehe man stirbt.

Von dem Moment unserer Geburt an ist es uns bestimmt zu sterben, der Tod ist demzufolge auch ein Teil unseres Daseins. So kann wahres Lebens nur ein Leben sein, in das auch der Tod integriert ist. Ein Leben, in dem der Tod verdrängt wird ist demzufolge kein Leben, beziehungsweise ein schlechtes Leben. Und ein schlechtes Leben, so formulierte es einst der französische Dramatiker Molière, führt zu einem schlechten Tode. So bestimmen wir nicht nur nicht über die Art und Weise unseres Lebens, sondern dadurch, dass wir über unser Leben bestimmen können, liegt es an uns wie wir sterben.
 


Über den Autor:

Hasso Mansfeld arbeitet als selbstständiger Kommunikations-Berater. Die Beschäftigung mit philosophischen Fragen ist fester Bestandteil seiner Beratungstätigkeit. Für seine Ideen und Kampagnen wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet.