KDA: Quelle-Pleite überrollt eine ganze Region

KDA: Quelle-Pleite überrollt eine ganze Region
Die Pleite von Quelle in Nürnberg und Fürth ist für die ganze Region ein harter Schlag. Erst vor knapp drei Jahren schloss AEG das Werk in Nürnberg. Die Folgen sind bis heute nicht verdaut. Der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt versucht den Quelle-Beschäftigten Hilfe zu geben.
21.10.2009
Von Frauke Weber

Frust, Wut, Depression, Aggression – die ganze Palette menschlicher Regungen erlebt Norbert Feulner vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) derzeit in Nürnberg. Nach der überraschenden Nachricht, dass beim Versandhaus Quelle in Nürnberg und Fürth die Lichter ausgehen, befinden sich die tausenden Mitarbeiter in einer Art Schockstarre. "Nach der Betriebsversammlung am Dienstag warfen Mitarbeiter ihre Quelle-Hemden auf die Straße, kickten sie mit den Füßen weg", berichtet der Seelsorger. Auch die Betriebsräte selbst mussten sich Kritik gefallen lassen, warum sie die Beschäftigten nicht viel früher vom bevorstehenden Aus informiert hätten. Doch schien das kaum möglich, denn manch Betriebsrat war von der Schließung selbst überrascht, so Feulners Eindruck.

Für die Region befürchtet er Schlimmes, da bisher nicht einmal die Folgen der Werksschließung von AEG 2006/2007 verkraftet sind. Bei den entlassenen Quelle-Beschäftigten handelt es sich in großer Zahl um un- oder angelernte Arbeitskräfte. "Weiterbildung wäre unbedingt notwendig, aber nicht einmal mehr für Qualifizierungs- oder Transfergesellschaften ist noch Geld da", weiß Feulner. In Nürnberg sei die Arbeitslosenquote mittlerweile doppelt so hoch wie im Durchschnitt Bayerns, über 60 Prozent seien Langzeitarbeitslose.

Um den Menschen beizustehen, laufen beim KDA, den Kirchengemeinden und Dekanaten die Anstrengungen auf Hochtouren. "Wir müssen sehen, was wir personell alles stemmen können". Wie hoch der Beratungsbedarf und wie groß die Dimensionen sind, kann er dabei noch nicht abschätzen. Ein sehr niedrig schwelliges Angebot existiert auf jeden Fall bereits im Internet: Auf der Seite www.chatseelsorge.de kann sich jeder mit seinen Sorgen und Nöten an Theologen wenden. Die Zeiten für den Chat sind auf der Seite angegeben. Am Freitag startet in Nürnberg zudem um 11.55 Uhr ein Mahnmarathon, der 24 Stunden dauert. Außerdem wird ebenfalls am Freitag in der "Straße der Menschenrechte" in Nürnberg ein neues Buch vorgestellt, dass den Titel "Menschenrecht auf Arbeit?" trägt.

Foto: dpaWie heftig die Entwicklung bei Quelle die Menschen in der Region überrollt hat, zeigt auch ein eine Einladung zum Gebet vom vergangenen Freitag. 100 Männer und Frauen waren der Einladung mit dem Titel "Licht aus bei Quelle?" gefolgt. Viele von ihnen hatten da gerade erst ihre Kündigungen erhalten – zum Januar 2010. Sie baten um Kraft, um die Situation durchzustehen, aber auch dafür, dass ihre Kollegen und Kolleginnen von Kündigungen verschont bleiben mögen – alles umsonst. Wie sehr die Hängepartie die Menschen leiden ließ, zeigt die deutliche Aussage eines Teilnehmers, die Feulner im Kopf geblieben ist: "Es ist, als wenn du als Reh bei Licht auf eine Kreuzung läuft und sie schießen auf dich."

Nach Grundig und AEG ist Quelle in der Region nun schon das dritte Unternehmen, das schließen muss. Und auch von AEG gibt es offenbar schlechte Nachrichten. Von den noch 700 verbliebenen Jobs sollen weitere 50 auf der Kippe stehen. Offenbar will der schwedische Eigner Electrolux die Entwicklungsabteilung nach Stockholm holen. "Das Leben ist doch kein Bahnhof", sagt Feulner dazu, "man kann die Menschen doch nicht heute von Nürnberg nach Stockholm und übermorgen nach sonst wo schicken". Schließlich hätten Beschäftigte wie auch die jetzt bei Quelle Entlassene in den Städten ihre Wurzeln, die Kinder gehen zu Schule, Familien sind Mitglieder in Sportvereinen.