Zwischen Schmuddel-Döner und Vanille-Imitat

Zwischen Schmuddel-Döner und Vanille-Imitat
Der aktuellste Bericht der obersten Lebensmittelkontrolleure wirft ein beunruhigendes Licht auf die Zustände in Deutschland - zum Beispiel auf Täuschungen bei Vanille-Eis. Ebenfalls nicht gut weg kommen die Hygienemaßnahmen in der Geflügelfleischproduktion. Auch den Verkauf von Döner prangern die Kontrolleure an.

Hygienemängel bei Hähnchen-Dönern, Schimmelpilz-Gifte im Reis und Mogelpackungen im Supermarkt - die Mängelliste deutscher Lebensmittel-Kontrolleure für das Jahr 2008 ist lang. Bei Besuchen in rund einer halben Million Betrieben der Lebensmittel- Branche hätten die Kontrolleure bundesweit rund 130.000 Verstöße registriert, vor allem im Bereich Hygiene, heißt es im jüngsten Bericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz zur Lebensmittelsicherheit.

"Wir können uns nicht zurücklehnen", bilanzierte Helmut Tschiersky-Schönburg, Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), am Montag in Berlin. Die Hygiene ließ bei bei 22 Prozent der kontrollierten Betriebe, die Geflügelfleisch zubereiten, zu wünschen übrig. Bei überprüften Betrieben, die Geflügelfleisch-Döner herstellen, war sogar jeder zweite Betrieb zu beanstanden. Beim Verkauf stellten die Kontrolleure immerhin bei einem Drittel der 875 getesteten Imbissbuden Hygienemängel fest.

Schimmelpilzgifte in Schokolade

2008 haben sich die Kontrolleure als einen Schwerpunkt den Umgang mit dem Gewürz Vanille vorgenommen. Das Gewürz gehört zu den beliebtesten, aber auch teuersten Gewürzen. Sehr beliebt ist es bei Eis-Herstellern. Doch das teure Gewürz verleitet viele Produzenten zu einem Etikettenschwindel. Die Verpackung wirbt mit echter Vanille, im Eis aber finden sich nur künstliche Aromastoffe oder naturidentisches Vanillin. Von 290 Vanilleeisproben waren 110 (38 Prozent) Mogelpackungen. Bei Vanillepuddingen und –soßen gab es dagegen keine Beanstandungen. Die Käse-Imitate, die in diesem Jahr Schlagzeilen machten, sind noch nicht Teil des Berichts.

Positiv wertete das Bundesamt dagegen Frischobst, Frischgemüse und Kartoffeln aus inländischer Bioproduktion. In den 350 Proben konnten kaum Pflanzenschutzmitelrückstände oder Schwermetelle gefunden.

Ein weiterer Untersuchungsschwerpunkt waren Gifte aus Schimmelpilzen. Wegen der hohen Toxizität und der krebserzeugenden Wirkung ist beispielsweise das Auftreten des Giftstoffes Aflatoxin B1 als problematisch anzusehen. Immerhin galten sieben Prozent der Reisproben als belastet. Noch schlechter sieht es bei Lakritzen und Schokolade aus: In 45 Prozent der Lakritzproben und sogar 60 Prozent der Schokoladenproben fanden sich hohe Anteile der Schimmelpilzgifte. Dies scheint besonders bedenklich, da vor allem Kinder gern Lakritze und Schokolade essen. In diesen Fällen forderte das Amt bessere Eigenkontrollen der Unternehmen.

Lebensmittelkontrollen sind Sache der Bundesländer, die Koordination und Auswertung aber übernimmt der Bund. 934 580 Kontrollbesuche gab es im Jahr 2008 in der deutschen Lebensmittelbranche. Damit warfen die Kontrolleure nach Angaben des Amtes einen kritischen Blick auf die Hälfte aller Betriebe, die mit Lebensmitteln zu tun haben.

Kritik von Verbraucherschützern

Im Jahr 2008 gab es rund eine Viertelmillion weniger Kontrollen als noch 2002. Der Rückgang erkläre sich durch aufwendigere Prüfungen, sagte BVL-Abteilungsleiter Gerd Fricke. Er betonte auch, dass die Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit bei den Betrieben liege - und nicht beim Staat.

Gegenwind erhielt das Bundesamt am Montag von der Verbraucherschutz-Organisation Foodwatch. Geschäftsführer Thilo Bode nannte den Lebensmittelbericht "die jährliche Bankrotterklärung des staatlichen Verbraucherschutzes". An den hohen Beanstandungsquoten habe sich nichts geändert. Statt mehr Kontrollen und härteren Strafen forderte Bode die öffentliche Nennung von Betrieben, bei denen Mängel festgestellt werden. Gegen Imitat-Betrug und Schmuddel-Restaurants helfe nur Abschreckung durch Transparenz.

In zwei Berliner Bezirken laufen zurzeit solche Testverfahren. Im Bezirk Pankow beispielsweise zeigt ein "Smiley" an der jeweiligen Eingangstür gute Betriebe an, die bei der amtlichen Lebensmittelkontrolle eine überdurchschnittliche Qualität und Hygiene nachgewiesen haben. Daneben ist auf den Internetseiten aber auch eine Negativliste veröffentlicht, in der Betriebe mit Hygienemängeln zu finden sind. Die schlechten Zustände eines jeden Betriebs auf der Negativliste sind mit Fotos dokumentiert. In der EU würden bereits ähnliche Modelle diskutiert, sagte BVL- Präsident Tschiersky-Schöneburg. Eine Empfehlung an die Bundesländer wollte er aber noch nicht abgeben.

dpa/web