vv

vv
vv

Frankfurt/Main (ddp-hes). Was die Veranstalter des Symposiums «China und die Welt - Wahrnehmung und Wirklichkeit» in Frankfurt am Main eigentlich vermeiden wollten, ist nun doch geschehen. Während auf dem Podium die beiden regimekritischen Autoren Dai Qing und Bei Ling stehen, kommt es zum Eklat. Die offizielle chinesische Delegation verlässt am Samstag den Saal im spanischen Kulturinstitut Instituto Cervantes. Alle Bemühungen um eine einvernehmliche Verständigung über die Teilnehmer des Symposiums zur Vorbereitung der diesjährigen Buchmesse (14.-18. Oktober), so scheint es in diesem Moment, waren vergebens.

Der Generalsekretär des deutschen P.E.N.-Zentrums, Herbert Wiesner, ruft den Delegierten hinterher: «Bitte verlassen Sie nicht den Saal! So zeigen Sie keine Gesprächsbereitschaft, ist kein Dialog mehr möglich.» Wiesner hat sich erfolgreich für ein Kommen der zunächst ein- und dann ausgeladenen Pekinger Schriftstellerin und Journalistin Dai Qing nach Frankfurt eingesetzt. Der Schriftstellerverband P.E.N. veranstaltet das Symposium gemeinsam mit der Buchmesse und dem Organisationskomitee des Ehrengastlandauftritts.

Die Ausladung Dais und ihres im Exil in Boston lebenden Kollegen Bei Ling brachte der Leitung der Buchmesse den Vorwurf ein, sie beuge sich der Zensur durch die chinesische Staatsführung. Diese hatte erklärt, ihre Delegation werde den Raum verlassen, sollten Dai und Bei anwesend sein.

Am Samstagmorgen vor Beginn des Symposiums scheint sich die deutsche Seite durchgesetzt zu haben. Dai Qing und Bei Ling erklären vor dem Eingang zum Instituto Cervantes, sie hofften auf eine offene Diskussion. «Ich danke den chinesischen Beamten, die diesmal nachgegeben haben. Diese Fähigkeit sollten sie trainieren,» sagt Dai.

Drinnen bei der Eröffnung des Symposiums sagt Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU), es dürfe niemand ausgeladen werden, auch wenn ein anderer Gast dies wünsche. Buchmesse-Direktor Juergen Boos sagt, die Chinesen seien Mitveranstalter, und erklärt, der Skandal um die beiden Autoren sei entstanden, weil die Veranstalter zu wenig miteinander gesprochen hätten. P.E.N.-Generalsekretär Wiesner erklärt: «Die Panne ist repariert.» Dann bittet er Dai und Bei für ein persönliches Statement auf das Podium.

Dai beginnt gerade zu sprechen, als die chinesischen Delegierten aufstehen und gehen. Boos sagt mit rotem Kopf, er sei «enttäuscht». Wiesner gibt sich überrascht: «Es gab vorher Signale, dass sie sitzen bleiben.» Die Autoren Dai und Bei rufen ihre Landsleute zum Verbleib auf, das zeuge von «politischer Weisheit». Eine knappe halbe Stunde lang weiß niemand im Instituto Cervantes, ob die chinesische Delegation das Symposium platzen lässt. Dann betritt sie wieder den Tagungssaal.

Ein merklich erleichterter Juergen Boos entschuldigt sich im Namen der Buchmesse und des P.E.N.-Zentrums bei den chinesischen Partnern, «dass wir das Programm eigenhändig verändert haben». Er betont zum wiederholten Mal, die Chinesen zeigten Willen zum Diskurs, indem sie sich als Gastland auf der Buchmesse und somit außerhalb ihres Souveränitätsgebiets präsentierten.

Der ehemalige Botschafter Chinas in Deutschland, Mei Zhaorong, erklärt aufgebracht, er und die anderen Delegierten fühlten sich «ungerecht behandelt». Sie seien anders als die beiden Dissidenten nicht begrüßt worden und seien «hier für eine Diskussion, nicht für Demokratie-Unterricht». Die Deutschen predigten Demokratie, «diktieren aber die Bedingungen», schimpft Mei.

Das Programm des Symposiums sei zugunsten der Statements von Dai und Bei geändert worden, «das können wir nicht akzeptieren», sagt Mei. Die beiden Autoren sprächen nicht für die Mehrheit der 1,3 Milliarden Chinesen. Nur wegen des Einlenkens von Boos seien sie zurückgekehrt.

Kurz darauf spricht der eben noch so wütende Botschafter Mei mit ruhiger Stimme über «die Rolle Chinas in der Welt». In der ersten Reihe, mit Herbert Wiesner als Puffer zwischen sich und den chinesischen Offiziellen, sitzen Dai Qing und Bei Ling und hören zu.