Dies sei ein "Gebot der Selbstverständlichkeit", sagte Merkel am Dienstag in ihrer Regierungserklärung zur Afghanistan-Politik im Bundestag. In ihrer gut 15-minütigen Rede vor dem nahezu voll besetzten Plenum räumte die Kanzlerin indirekt zivile Opfer ein. Ähnlich äußerte sich auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Als einzige Fraktion forderte die Linkspartei den Abzug der deutschen Soldaten.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums kamen bei dem Angriff 56 Menschen ums Leben. Andere, unbestätigte Quellen berichteten von weit mehr als 100 Toten.
Möglichen zivilen Opfern sprach Merkel das "tiefe Bedauern der Bundesregierung" aus. Jeder, der unschuldig ums Leben gekommen oder verletzt worden sei, "ist einer zuviel". An die Adresse der Afghanen sagte sie: "Wir fühlen mit ihnen und ihren Angehörigen." Zugleich wies sie aber internationale Kritik am deutschen Einsatz ungewöhnlich scharf zurück. Sie stehe dafür, dass nichts beschönigt werde. Aber sie dulde auch keine Vorverurteilung. "Ich verbitte mir das im Inland wie im Ausland", sagte sie unter starkem Beifall.
Merkel und Steinmeier stehen zu Einsatz
Mit allem Nachdruck bekannten sich Merkel und der SPD-Kanzlerkandidat, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, zu dem Bundeswehreinsatz, für den in Afghanistan insgesamt 4240 deutsche Soldaten stationiert sind. "Deutsche Sonderwege sind grundsätzlich keine Alternative deutscher Außenpolitik", betonte Merkel. "Die Folgen von Nichthandeln werden uns genauso zugerechnet wie die Folgen von Handeln. Das sollte jeder bedenken, wenn er ein Zurseitetreten Deutschlands bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus fordert."
Steinmeier sagte in der von Wahlkampftönen weitgehend freien Debatte, die Bundeswehr sei keine Besatzungsarmee und deshalb sei sie auch "nicht für die Ewigkeit da". Aber: "Wir sind in unserem Engagement in Afghanistan nicht kopflos hinein gestolpert, deswegen dürfen wir auch jetzt nicht kopflos hinaus stolpern. Das ist nicht zu verantworten."
Merkel hatte auf die von Deutschland, Großbritannien und Frankreich angeregte Afghanistan-Konferenz noch in diesem Jahr verwiesen. Diese Konferenz müsse Zielvorgaben zu Zahl und Qualität der afghanischen Sicherheitsorgane erarbeiten sowie einen zeitlichen Rahmen für das Engagement der Staatengemeinschaft abstecken.
Mehr Verwirrung als Aufklärung
FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte die Informationspolitik der Regierung. Er lobte aber Merkels Worte des Bedauerns. Die Regierung habe mit ihrer Informationspolitik "eher zur Verwirrung als zur Aufklärung beigetragen", sagte er. Westerwelle sprach von einem "tragischen furchtbaren Freitag". Steinmeier, Merkel und Jung warnten zugleich vor frühzeitigen Schlüssen aus dem NATO-Bombenangriff.
"Eines verstehe ich nicht: Dass, bevor Untersuchungen abgeschlossen sind, Vorverurteilungen auch im Ausland stattfinden", sagte Steinmeier. Jung betonte: "Wenn es zivile Opfer gegeben hat, dann erfordert das unsere Teilnahme und unser Mitgefühl." Erneut rechtfertigte er den vom deutschen Kommandanten in Kundus angeordneten Luftangriff. Dieser habe eindeutige Hinweise gehabt, dass es sich bei den Entführern der Tanklastwagen um Taliban und andere regierungsfeindliche Gruppen gehandelt habe. Dieser deutsche Oberst dürfe jetzt nicht alleine stehen gelassen werden.
Kritik von Grünen und Linken
Heftige Kritik an Jung kam von den Grünen. Fraktionsvize Jürgen Trittin sagte: "Ihr Grundsatz lautet: Vertuschen, Leugnen, und - wenn es gar nicht anders geht - Entschuldigen für das, was Sie vorher bestritten haben." Jung sei inzwischen zu einer "Belastung für die deutsche Afghanistan-Politik" geworden.
Scharf ging Linksfraktionschef Oskar Lafontaine mit der Bundesregierung ins Gericht. Der Militäreinsatz in Afghanistan sei gescheitert und die Bundeswehr müsse abgezogen werden. In Afghanistan werde "mehr Unheil angerichtet Jahr für Jahr, weil immer mehr Menschen ums Leben gekommen sind, Soldaten und Zivilisten", sagte Lafontaine. (dpa)