Gauck ruft zu Zivilcourage gegen Rassismus auf

Gauck ruft zu Zivilcourage gegen Rassismus auf
Zehn Jahre nach dem ausländerfeindlichen Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße haben am Pfingstwochenende Zehntausende Menschen mit einem Kulturfest am Ort des Attentats ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt. Bundespräsident Joachim Gauck und weiterer Politiker sowie Vertreter der Muslime und der Kirche forderten einen gesellschaftlichen Mentalitätswandel und ein entschiedenes Eintreten gegen rechte Gewalt.

"Im Alltag kann und muss jeder von uns etwas tun, damit Vorurteile und Hass das Miteinander der Vielen und der Verschiedenen nicht vergiften", sagte Gauck am Montag.

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Es gelte, nicht mitzulachen über einen rassistischen Witz und nicht mitzumachen bei übler Nachrede, sagt der Bundespräsident: "Wir zeigen, wie wir in unserem Land leben wollen: respektvoll und friedlich. Wir sind verschieden. Aber wir gehören zusammen." Gauck sprach bei der Abschlusskundgebung des dreitägigen Kulturfestes, bei dem bekannte Musiker wie Udo Lindenberg und die Band BAP auftraten. Das Fest stand unter dem Motto "Birlikte", das ist das türkische Wort für "Zusammenstehen".

Gauck traf bei seinem Köln-Besuch auch Opfer von damals und dankte ihnen, dass sie Deutschland nicht verlassen haben. Er erinnerte an ihr Leid durch den Terrorakt und die falschen Verdächtigungen. "Wir denken heute auch daran, wie viele Betroffene sich später alleingelassen oder sogar als Verdächtige behandelt fühlen mussten, wie viel Misstrauen damals gesät wurde", sagte er. Auch er habe erst spät erkannt, "dass ein menschenfeindlicher Fanatismus umgeschlagen war in Mord - ein böses Erwachen war das!"

NSU unter Verdacht

In der überwiegend von Türken bewohnten Keupstsraße im Kölner Stadtteil Mülheim war am 9. Juni 2004 eine mit Nägeln gespickte Bombe explodiert. 22 Menschen wurden bei dem Anschlag, hinter dem die rechtsextremistische Terrororganisation NSU vermutet wird, zum Teil schwer verletzt. Die Polizei hatte einen rechtsextremistischen Hintergrund jahrelang ausgeschlossen und die Täter in der türkischen Gemeinschaft vermutet.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) äußerte am zehnten Jahrestag sein Bedauern über die schweren Ermittlungspannen. "Ich schäme mich dafür, dass es der deutsche Staat über so viele Jahre nicht geschafft hat, dass unbescholtene Bürger besser beschützt worden sind", sagte Maas in Köln. Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, nannten es einen "Skandal, dass die Hintergründe der NSU-Verbrechen nach wie vor nicht restlos aufgeklärt sind". Auch ein radikaler Schnitt beim Bundesamt für Verfassungsschutz in personeller und struktureller Hinsicht lasse weiterhin auf sich warten, kritisierte er.

Zentralrat fordert lückenlose Aufarbeitung

Der Zentralrat der Muslime forderte ebenfalls eine lückenlose Aufarbeitung der NSU-Mordserie. Es sei begrüßenswert, dass zum Jahrestag ein großer Teil Kölns sich mit den Opfern solidarisiert habe, erklärte der Zentralrat am Wochenende. Doch so wichtig sei es auch, dass sich die gesamte Gesellschaft den schmerzhaften Erkenntnisse und Lehren aus den Terroranschlägen des "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU) stellt und die Opfer vollständig entschädigt.

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, sieht im NSU-Terror eine Folge rechtsextremen Denkens. "Wir haben durch den Terror der NSU gesehen, welche Wirkungen ein Ungeist zeitigt, der Menschen nach ethnischer Herkunft bewertet und sortiert", sagte Rekowski in einem Gottesdienst in Köln. Wenn der Geist der Gemeinschaft, der in allen Menschen Ebenbilder Gottes sehe, durch diesen Ungeist ersetzt werde, dann werde das Leben für Minderheiten zur Hölle.