Die derzeitige Lage in Afghanistan kann nach Einschätzung des Publizisten Roger Willemsen nur durch die Arbeit von Hilfswerken verbessert werden. Das wirke zwar angesichts wiedererstarkender Taliban, der lähmenden Korruption und des Drogenhandels wie ein Tropfen auf den heißen Stein. "Aber indem wir Brunnen, Schulen und Gesundheitsstationen bauen, retten wir schlicht Leben", sagte Willemsen dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der Einsatz der Internationalen Schutztruppe ISAF habe die Situation der Menschen hingegen nur verschlechtert: "Es werden unendlich Leidensgeschichten geschrieben." Die Soldaten hätten weder die Infrastruktur verbessert noch Korruption, Drogenhandel und alltägliche Gewalt eingedämmt. Einer der führenden Köpfe unter den Dealern sei ein Amerikaner, der mit Wissen auch deutscher Politiker seine Geschäfte betreibe, sagte Willemsen, der 2006 das Buch "Afghanische Reise" veröffentlicht hat.
Unendlich viele Leidensgeschichten
Viele Menschen fürchteten die Schutztruppen mehr als die eigenen Terroristen, berichtete Willemsen: "Besatzer schaffen immer ein starkes Feindbild." Wenn hiesige Politiker wie Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) auf die Unterdrückung der Frauen verwiesen, sei das reine Propaganda: "Es soll niemand so tun, als gehe es den Schutztruppen darum, die Rechte der Frauen zu schützen." Der Moderator ist Schirmherr des Afghanischen Frauenvereins, der am 3. Mai sein 20-jähriges Bestehen feiert.
Verbessert habe sich die Lage etwa im Bildungsbereich, betonte Willemsen. "Wir haben Schulen für Mädchen, die ersten Studentinnen und sogar die ersten Hochschul-Absolventinnen." Verfassungsrechtler vor Ort hielten den Demokratisierungsprozess für unumkehrbar. Sogar einige Taliban schickten mittlerweile ihre Töchter zur Schule. Viele seien jedoch desillusioniert: "Wenn die Menschen sehen, dass im Parlament Drogenbarone, ehemalige Warlords und Strohmänner Pakistans sitzen, fragen sie sich natürlich, was für eine Demokratie das sein kann."