Erdogan greift Regierungskritiker scharf an

Foto: dpa/Oliver Berg
Erdogan greift Regierungskritiker scharf an
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat bei seinem Köln-Besuch Kritik am Verhalten seiner Regierung nach dem Bergwerksunglück in Soma scharf zurückgewiesen. Er bezichtigte am Samstag "illegale Kreise", die gewaltsamen Proteste der vergangenen Tage in Istanbul angezettelt zu haben.

"Solche Organisationen und ein Teil der Medien in Deutschland haben leider versucht, das Soma-Unglück auszuschlachten und dabei die Türkei und die türkische Regierung zu beschimpfen", sagte Erdogan unter Buh-Rufen aus den Reihen der etwa 15.000 Besucher in der Lanxess-Arena.

Vor dem Auftritt Erdogans hatten seit dem Nachmittag Zehntausende Menschen gegen die Rede des islamisch-konservativen Politikers protestiert. Nach Schätzungen der Polizei vom frühen Abend beteiligten sich bis zu 30.000 Menschen an dem friedlichen Protest. Die Alevitische Gemeinde Deutschland sprach von mehr als 50.000 Demonstranten. Erdogan war als Gastredner zum zehnjährigen Bestehen der Union der Europäisch-Türkischen Demokraten (UETD) eingeladen worden. Die UETD gilt als europäischer Ableger der in der Türkei regierenden AKP.

Bei dem Unglück vom 11. Mai in Soma waren 301 Bergarbeiter ums Leben gekommen. Kritiker halten Erdogan und seiner AKP vor, Sicherheitsbestimmungen vernachlässigt zu haben. Gegen Proteste von aufgebrachten Demonstranten, bei denen in Istanbul zwei Menschen getötet wurden, war die türkische Polizei massiv vorgegangen. Dazu sagte Erdogan in Köln: "Das sind illegale Organisationen, das sind Kreise, die das Volk terrorisieren wollen." Das werde er jedoch nicht zulassen.

"Terrorist", "Diktator" und "Mörder" auf Flugblättern

Erdogan betonte, dass die Türkeistämmigen an ihren Wohnorten immer für die Integration gewesen seien. Dabei müssten sich jedoch ihre Kultur bewahren können. Bei Religion, Sprache und Tradition könnten die Türkeistämmigen keine Zugeständnisse machen. "Wenn man von der Assimilation spricht, dann sagen wir nein", betonte der Regierungschef.

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Die Aleviten und andere Kritiker der türkischen Regierung, die zu dem Protest in Köln aufgerufen hatten, werfen Erdogan einen autoritären Regierungsstil vor. Sie sahen in dem Besuch in Köln einen Wahlkampfauftritt, mit dem der islamisch-konservative Politiker für seine erwartete Kandidatur bei der türkischen Präsidentschaftswahl im August habe werben wollen.

Auf Transparenten und Flugblättern wurde der türkische Ministerpräsident als "Terrorist", "Diktator" und "Mörder" bezeichnet. Vor dem Erdogan-Auftritt hatten sich am Freitagabend in Köln mehrere hundert Anhänger und Gegner des türkischen Ministerpräsidenten verbale Auseinandersetzungen geliefert. "Wir mussten die aufgebrachten Gruppen vor einem Restaurant voneinander trennen", sagte ein Sprecher der Polizei. Es sei dabei allerdings zu keinen nennenswerten Zwischenfällen gekommen.

In dem türkischen Restaurant hätten der türkische Vizeregierungschef Bülent Arinc und der türkische Botschafter Hüseyin Avni Karslioglu zu Abend gegessen. Als das bekannt wurde, versammelten sich spontan 300 Anhänger und Gegner der türkischen Regierung.