Vertreter der großen Kirchen in Deutschland haben sich erneut nachdrücklich gegen aktive Sterbehilfe ausgesprochen. Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Jung, lehnte am Donnerstag in Frankfurt am Main eine gesetzliche Regelung ab, die eine medizinische Unterstützung zum Suizid schwer kranker Menschen ermöglichen würde. Es müsse verhindert werden, dass Menschen "manipulativ in eine Situation gebracht werden, für sich oder andere zu entscheiden, das Leben aktiv zu beenden".
Auch der katholische Psychotherapeut und Bestsellerautor Manfred Lütz warnte vor einer "Freigabe des Tötens" per Gesetz. Wenn man eine solche Tür öffne, führe das für alte, kranke oder behinderte Menschen zu einem unerträglichen Druck, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Das wäre schrecklich und würde die humane Temperatur der Gesellschaft auf den Gefrierpunkt absenken." Die Kirchen wollen mit der derzeit laufenden "Woche für das Leben" auf die Schutzwürdigkeit des Lebens "in allen seinen Phasen" aufmerksam machen. Die Veranstaltungsreihe endet am Samstag.
Jung: Leben ist unverfügbares Geschenk
Jung sagte in seiner Rede vor dem EKHN-Kirchenparlament, nach christlichem Verständnis bleibe das Leben ein unverfügbares Geschenk und habe höchsten Respekt verdient. Um unnötiges Leiden zu verhindern, sollten alle medizinischen Möglichkeiten genutzt werden. Deshalb unterstütze die Kirche die Hospizbewegung. Würdige und respektvolle Sterbebegleitung sei "immer eine persönliche Herausforderung, aber zugleich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", betonte der Kirchenpräsident. Er halte eine flächendeckende palliativ-medizinische Versorgung und die Einrichtung von mehr Hospizen für dringend nötig.
###mehr-artikel###
Lütz verwies ebenso auf die Hospizbewegung und rief die Kirchen auf, die entsprechenden Angebote "stärker in den Vordergrund zu stellen". Viele Menschen hätten den Eindruck, die katholische Kirche wolle die Menschen nicht sterben lassen, unterstrich der Mediziner zugleich. "Das ist nicht unsere Auffassung." Man müsse Menschen, die sterben wollten, auch sterben lassen. Weder das Töten noch die manipulative Verlängerung des Lebens respektierten die Würde des Menschen, sagte der Leiter eines psychiatrischen Krankenhauses in Köln.
Die Freigabe der Sterbehilfe in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden hatte eine heftige internationale Diskussion ausgelöst. In Deutschland steht die gezielte Herbeiführung des Todes eines Patienten unter Strafe. Beihilfe zum Suizid ist aber erlaubt. Der Bundestag soll nach dem Willen der Regierungskoalition im Herbst 2015 über eventuelle gesetzliche Regelungen entscheiden. Dabei wird voraussichtlich der Fraktionszwang aufgehoben. Zuvor soll es eine breite gesellschaftliche Debatte über das Thema geben.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz will Suizidbeihilfe nur dann bestraft wissen, wenn sie geschäftsmäßig angeboten wird. Ein Gesetzentwurf sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor, wie die "Welt" am Donnerstag berichtete. Wer an einer Selbsttötung nur teilnimmt, soll nach dem Willen der Verfasser straffrei bleiben, wenn der Patient ein Angehöriger ist oder ihm sonst nahesteht. Der Entwurf wurde von dem Gießener Staatsrechtler Steffen Augsberg und Stiftungsvorstand Eugen Brysch verfasst.