Als die Konfirmation erfunden wurde, war von "Kindern" die Rede – nicht davon, dass sie 14 Jahre alt sein sollten. In der "Ziegenhainer Zuchtordnung" von 1539, mit der der Reformator Martin Bucer in dem hessischen Städtchen die Konfirmation einführte, heißt es, dass "die Kinder, so nun durch die Catechismos im christlichen Verstande so weit bracht sein, daß man sie billich solle zum Tisch des Herren zulassen, an einem vornehmen Fest… vor aller Gemeinde... dargestellt werden..." sollen. Gut möglich, dass Bucer die katholische Firmung zum Vorbild nahm, denn die gab es bereits seit dem 12. Jahrhundert – ebenfalls ohne festes Alter: "Die Kinder waren zwischen sieben und zwölf Jahre alt", heißt es in den Fragen und Antworten zur Firmung auf katholisch.de. Als Sakrament gilt die Firmung seit dem Konzil von Florenz (1439-1445).
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In den evangelischen Landeskirchen dauerte es eine Weile, bis sich der neue Brauch und das Alter von 14 Jahren durchgesetzt hatten. "Das ist nicht vom Himmel gefallen", sagt Thorsten Moos, Professor für Religionspädagogik am Theologischen Seminar der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in Herborn, "sondern darauf haben sich Menschen im Laufe der Zeit verständigt. Die Spanne geht von zehn bis ungefähr 18 Jahren, in denen in den verschiedenen Zeiten und Kirchen konfirmiert wurde". Erst seit dem 18. Jahrhundert könne man von einer flächendeckenden Konfirmation in den evangelischen Landeskirchen sprechen, ergänzt der Tübinger Praktische Theologe Friedrich Schweitzer – zu einer Zeit also, in der "die meisten jungen Menschen die Schule im Alter von 14 Jahren verließen. Die Konfirmation markierte den Übergang von der Schule ins Arbeitsleben."
Auch heute bezeichnen viele die Konfirmation noch als Ritual für den Übergang ins Erwachsenenleben. Nach dem "Gesetz über die religiöse Kindererziehung" von 1921 stimmt das zumindest für die Gretchenfrage: "Nach der Vollendung des vierzehnten Lebensjahrs steht dem Kind die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will", heißt es in Paragraph 5. Doch erwachsen sind 14-Jährige deswegen noch lange nicht: Sie gehen weiterhin zur Schule und sind voll auf die Fürsorge ihrer Eltern angewiesen. "Die Konfirmandinnen und Konfirmanden sind vorher Jugendliche und sie sind nachher auch Jugendliche", stellt Friedrich Schweitzer fest, "das heißt, ich muss die Konfirmandenarbeit und Konfirmation konsequent als Begleitung von Jugendlichen auf einem Stück Weg in ihrer Jugendzeit auslegen."
Kinderglaube und Jugendglaube
Es ist nicht das einfachste Alter, das die Kirche sich da ausgesucht hat. "Siebte/achte Klasse – die Lehrer in den weiterführenden Schulen wissen ja, dass das die Jahrgänge sind, die am schwierigsten zu unterrichten sind", sagt Oberkirchenrat Stephan Goldschmidt, Referent für Gottesdienst und Kirchenmusik bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), "weil da die großen Umbrüche passieren. Es ist der Höhepunkt der Pubertät, eine Zeit der Unsicherheiten und der Selbstfindung, der Identitätsbildung". Sogar die Strukturen im Gehirn der Jugendlichen bilden sich in dieser Zeit vollkommen um: "Da werden Verbindungen abgebaut, dafür aber andere, in denen der junge Mensch drin steckt, total beschleunigt", erklärt Religionspädagoge Thorsten Moos. "Dieser Reduktions- und Spezialisierungsprozess läuft nach dem englischen Motto 'use it or loose it', also es wird nur das gestärkt, was tatsächlich auch gebraucht wird."
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Genau darin liegt die große Chance der Konfirmandenarbeit mit 12- bis 14-Jährigen: "Gerade weil in dem Alter auch die Einstellung zur Religion einem Revisionsprozess unterworfen wird, muss die Kirche an der Stelle ein Angebot für Jugendliche bereit halten", ist Moos überzeugt. Ein früherer Zeitpunkt wäre aus seiner Sicht ungeeignet, "weil wir dann mit der Konfirmandenarbeit in eine Phase hineingeraten, die deutlich von dem gezeichnet ist, was man 'Kinderglaube' nennt. Und es ist gerade das Zeichen einer Konfirmandenarbeit, dass sie diesen Kinderglauben bearbeitet, damit umgeht und dann auch in einen Glauben von Jugendlichen überführt."
Einige Gemeinden probieren das Modell "3+8" aus, "das heißt man splittet den Konfirmationsunterricht auf in die Altersstufen dritte und achte Klasse", erläutert Stephan Goldschmidt. Während der Grundschulzeit seien die Kinder "den Glaubensfragen gegenüber aufgeschlossen und interessiert an biblischen Geschichten", das machen sich die Gemeinden bei diesem Modell zu Nutze. Doch der zweite Abschnitt kommt "zu der klassischen Konfirmandenzeit" – mit 14 Jahren. Offenbar stellt das niemand ernsthaft in Frage. Zu Recht, meint Friedrich Schweitzer: "Jugendliche brauchen eine Begleitung in ihren Orientierungs-und Glaubensfragen, und dafür gibt es eigentlich kein Alter das mehr oder weniger geeignet wäre. Deshalb bin ich durchaus der Meinung, wir sollten beim Alter von 14 Jahren bleiben."
"Ich möchte gerne diesen Segen empfangen"
Ein, zwei Jahre später, so wie es in der Schweiz üblich ist, ginge wohl auch noch – Hauptsache der Jahrgang wird beisammen gehalten. Würden die Kirchen allerdings erst junge Erwachsene im Alter von 18 oder 20 Jahren zur Konfirmation einladen, dann läge die Teilnahmequote sicher nicht mehr bei rund 90 Prozent der evangelisch Getauften eines Jahrgangs, dann hätten "viele im Zuge der Pubertät schon Abschied genommen von Kirche", vermutet Thorsten Moos. "Später verlieren die Jugendlichen sich aus den Augen, sie besuchen dann zum Teil die Universität, andere sind in einer Ausbildung, da läuft das dann auseinander", ergänzt Friedrich Schweitzer.
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Die Anglikanische Kirche hat das Alter für die Konfirmation freigegeben: Jeder, der über zehn Jahre alt sei und für sich selbst sprechen könne, sei zur Konfirmation zugelassen, heißt es auf der Website der Church of England. "Die Folge ist: Da nehmen heute noch etwa fünf Prozent nicht nur der Jugendlichen sondern der Kirchenmitglieder an der Konfirmation teil", erläutert Friedrich Schweitzer.
"Konfirmation ist was sehr Traditionelles", stellt Stephan Goldschmidt fest. Sie wird in den meisten Familien groß gefeiert, mit schickem Kleid oder Anzug, teuren Geschenken, gutem Essen. "Das zeigt, glaube ich, weniger, dass hier eine Schwelle im Leben der jungen Menschen erreicht ist, als dass unsere Gesellschaft entsetzlich arm an Ritualen ist und deshalb an solchen Ritualen ein sehr hohes Interesse besteht", analysiert Friedrich Schweitzer. "Man bringt die Familie zusammen, man stützt die Familie, das ist eine wichtige Bedeutung solcher Rituale."
Den Jugendlichen selbst geht es aber längst nicht nur um das Fest und die Geldgeschenke, wie oft behauptet wird. Fragt man Konfirmandinnen und Konfirmanden nach ihrer Motivation, bekommt man laut Thorsten Moos Antworten wie "Ich möchte gerne diesen Segen empfangen" oder "Ich interessiere mich dafür, was die Taufe in meinem Leben bedeutet." Außerdem haben "fast 80 Prozent von ihnen ein sehr positives Bild von Kirche", ergänzt Friedrich Schweitzer. Beides droht bei jungen Erwachsenen verloren zu gehen. Offenbar ist und bleibt also das klassische Alter von 14 Jahren die beste Gelegenheit für die Konfirmation.