Für CSU-Chef Horst Seehofer ist sie das "Meisterstück" der großen Koalition. Der Energieminister sieht die Reform indes nüchterner: "Sie ist der erste Schritt, um die Energiewende wieder in Gang zu bringen", sagt Sigmar Gabriel (SPD). Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die das Kabinett am Dienstag verabschiedete, soll vor allem den Anstieg der Stromkosten bremsen. Wie der umstrittene Stromtrassen-Ausbau vonstattengehen soll, bleibt weiter offen. Auch für die technologischen Probleme beim Speichern von Öko-Strom zeichnet sich keine schnelle Lösung ab.
###mehr-artikel###Zentrales Versprechen der Reform: Die Ökostrom-Umlage, mit der die Verbraucher die Förderung der Erneuerbaren finanzieren, "bleibt stabil". Derzeit beträgt sie 6,24 Cent pro Kilowattstunde, im Jahr 2006 lag sie noch bei 0,8 Cent. Um eine weitere Kostenexplosion zu stoppen, wird nun die Förderung begrenzt. Zum Beispiel bei der Windenergie an Land, für die es künftig einen "atmenden Deckel" geben soll. Wenn der Ausbau über einem vorgegebenen Zielkorridor von etwa 2500 Megawatt liegt, sinkt die Einspeisevergütung, wenn der Ausbau schwächer ist, steigt die Vergütung.
Vorgaben aufgeweicht
Dabei haben die Länder jedoch durchgesetzt, dass die vorgesehenen Obergrenzen nicht für den Austausch von alten durch neue Windkraftanlagen gelten. Aufgeweicht wurden auf Druck der Ministerpräsidenten auch die Vorgaben für Windenergie auf See und für Biomasse. Einen Bericht des "Spiegel", wonach diese Zugeständnisse den Verbraucher Milliarden kosten soll, wies das Wirtschaftsministerium als fehlerhaft zurück.
Was sich zweifelsohne auf die Kosten für den privaten Verbraucher auswirkt, sind die Industrieprivilegien bei der EEG-Umlage. Denn je mehr Ausnahmen es für Unternehmen gibt, umso höher die Belastung für den Bürger. Anders als zunächst geplant sollen nun Unternehmen, die ihren Strom selbst erzeugen, von der Umlage befreit bleiben. Die Bundesregierung argumentiert, dass sie dadurch Arbeitsplätze sichert.
Um "Hunderttausende Jobs" geht es nach den Worten von Sigmar Gabriel auch bei der neuen Beihilfeleitlinie der EU. Hintergrund: Die EU-Kommission hat die zahlreichen Ausnahmen für Unternehmen geprüft, weil sie von einer Wettbewerbsverzerrung ausgeht. Zwischenzeitlich hat sich Berlin mit der EU auf einen Kompromiss geeinigt. Demnach sollen etliche stromintensive Unternehmen auch weiterhin von den Rabatten profitieren. Details der Ausgleichsregelung sollen bis Mai in das Gesetz eingeflochten werden.
Verbraucherschützer und Experten halten sogar für möglich, dass im Ergebnis die EEG-Umlage steigt, weil die Rabatte ihnen zufolge für größere Strommengen gelten sollen. Der Forschungskoordinator des Freiburger Öko-Institutes, Felix Matthes, hat auf der Grundlage der in den vergangenen Wochen bekanntgewordenen Leitlinien-Entwürfe verschiedene Szenarios durchgerechnet und kommt zu dem Ergebnis: "Die Neuordnung der Industrieprivilegierungen wird die EEG-Umlage in jedem Fall nach oben treiben." Ob das schon in diesem Herbst spürbar werde, sei jedoch unsicher.
Matthes warnt jedenfalls davor, dass die Energiewende-Reform "in einem Schildbürgerstreich enden wird". Auch die Grünen haben in den vergangenen Wochen immer wieder vor zusätzlichen Belastungen für den Verbraucher zugunsten die Industrie gewarnt: Europarlamentariern Rebecca Harms kritisiert die Leitlinie als "haarsträubend".
Keine wirklichen Einsparungen
Mit der Reform dreht die Bundesregierung noch an einigen weiteren Stellschrauben - aber auch sie versprechen keine wirklichen weiteren Einsparungen. So sollen Stromanbieter künftig ihren Strom selbst vermarkten, die Abnahmeverpflichtung wird abgeschafft. Nach Angaben des Öko-Institutes werden jedoch bereits jetzt 80 Prozent der EEG-Strommengen direkt vermarktet. Auswirkungen auf den Preis sind demnach nicht zu erwarten. Kleine Energieversorger warnen zudem, dass die neue Regelung vor allem die großen Stromkonzerne begünstigt.
Bis 2050 sollen, so steht es im Gesetzentwurf der EEG-Reform, mindestens 80 Prozent des deutschen Bruttostroms durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Bis dahin sind wohl noch etliche Gesetzesnovellen notwendig. Nächster Schritt: Ab 2017 soll die Förderung mithilfe eines Ausschreibungsverfahrens geregelt werden.
Schon die von manchen Kritikern als "Reförmchen" belächelte EEG-Novelle hat etliche Interessengruppen in Wallung gebracht: Umweltverbände, Bundesländer, Industrielobbys, Verbraucherschützer - jede mit ihren spezifischen Anliegen. Das zeigt, was für ein hochkomplexes regulatorisches Werk das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist - weitere heftige gesellschaftliche Debatten sind zu erwarten.
Im Überblick: Die wichtigsten Details der Reform
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollen das Großprojekt Energiewende besser steuern. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fördert seit 14 Jahren klimafreundliche Stromerzeugung aus Sonne, Wind, Wasser und Biogas mit Milliarden-Summen. Die Kosten werden auf den Strompreis umgelegt.
Ziele: Es gibt mehr als 4000 EEG-Vergütungssätze - immer wieder wurde die Förderung gekürzt oder Boni verändert. Den zum Anschlussdatum gültigen Fördersatz gibt es auf 20 Jahre garantiert. Die Reform soll nun die schrittweise Abkehr von den garantierten Zahlungen einleiten. Die Vergütung soll für neue Anlagen auf 12 Cent je Kilowattstunde im Schnitt sinken. Von 25 Prozent soll der Ökostromanteil günstiger als bisher auf 40 bis 45 Prozent bis 2025 und auf 55 bis 60 Prozent 2035 steigen. Ab 2017 soll es Ausschreibungsmodelle geben - den Zuschlag für einen Windpark könnte dann das günstigste Angebot bekommen.
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Windenergie: Es soll einen jährlichen Zubau von 2500 Megawatt (MW) geben, die Anfangsvergütung 8,9 Cent je Kilowattstunde betragen. Wird der Korridor überschritten, gibt es für diese Windräder weniger Geld. Der Austausch alter durch neue, leistungsstärkere Windräder an bestehenden Standorten wird nicht in den 2500 MW-Deckel einbezogen.
Windkraft im Meer: Hier soll es zwar eine hohe Anfangsvergütung von rund 18 Cent je Kilowattstunde geben, aber die Ziele werden gekürzt. Statt 10 000 Megawatt sollen nur noch 6500 Megawatt bis 2020 installiert werden und 15 000 Megawatt bis zum Jahr 2030.
Biomasse: Auch wegen der Zunahme von Maisanbauflächen soll der Zubau auf nur noch 100 Megawatt pro Jahr gedeckelt werden. Neue Anlagen sollen vor allem mit Abfall- und Reststoffen gefüttert werden. Da die Anlagen anders als Sonne und Wind berechenbar Energie liefern, soll die Produktion stärker auf den aktuellen Bedarf ausgerichtet werden.
Eigenstrom: Die Kosten für die Bürger steigen auch, weil zunehmend Unternehmen Strom selbst erzeugen und verbrauchen. Damit sind sie von EEG-Umlage und Netzentgelten befreit. Unternehmen des produzierenden Gewerbes müssen für neue Eigenstrom-Anlagen 20 Prozent der EEG-Umlage als eine Art «Energie-Soli» bezahlen. Supermärkte oder kleinere Betriebe, die künftig mit Solarstrom selbst versorgt werden, sollen 50 Prozent der Umlage zahlen. Die Solarlobby beklagt eine ungleiche Behandlung.
Bahn-Rabatte: Die Bahn muss mehr bezahlen als bisher, um andere Stromverbraucher etwas bei den Energiewendekosten zu entlasten, aber nicht so viel, wie zunächst geplant. Schienenbahnen bis zu einem Jahresverbrauch von zwei Gigawattstunden bezahlen die volle Ökostrom-Umlage von derzeit 6,24 Cent je Kilowattstunde. Darüber hinaus muss für Fahrstrom 20 Prozent der Umlage bezahlt werden. Unklar ist noch, ob das Folgen für die Bahn-Preise hat.