Kurz nach Mitternacht kracht es, das Schiff bebt. Die "Exxon Valdez" ist auf ein Riff gelaufen. Acht ihrer elf Tanks sind leck. Mehr als 40 Millionen Liter Öl fließen ins Meer.
Zum Zeitpunkt des Unglücks ist der Kapitän der "Exxon Valdez" nicht auf der Brücke. Joseph Hazelwood liegt betrunken in seiner Kajüte. Er ist schon seit längerem Alkoholiker - die Zeitung "Anchorage Daily News" berichtet später, er sei bereits drei Mal verhaftet worden, weil er betrunken Auto gefahren war. Das Steuer der "Exxon Valdez" hatte der Kapitän seinem Dritten Offizier überlassen. Der allerdings ist selbst übermüdet und mit seiner Aufgabe überfordert.
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Überfordert sind auch die Helfer, die nach der Havarie des Tankers alarmiert werden. Die Gesellschaft, die in diesem Gebiet für die Beseitigung von Ölschäden verantwortlich ist, hatte acht Jahre zuvor ihre Infrastruktur für solche Fälle zusammengestrichen. Das erste Ölbekämpfungsschiff erreicht die "Exxon Valdez" erst mehr als 14 Stunden, nachdem der Tanker auf das Riff gelaufen war.
Der Großteil des Öls ist da schon ausgelaufen. Am dritten Tag nach der Havarie setzt zudem ein Sturm ein, der die Bergungsarbeiten erschwert und die schwarze Flüssigkeit über den gesamten Sund verteilt. Jetzt wird der Unfall endgültig zur Katastrophe: Bald sind rund 2.000 Kilometer Küste ölverschmiert - das entspricht fast der doppelten Länge der deutschen Festlandküste.
Der Exxon-Konzern - zu dem die Tankstellenkette "Esso" gehört und der heute "ExxonMobil" heißt - schickt Tausende Helfer an die Gestade des Prinz-William-Sunds. Mit Chemikalien und Hochdruckreinigern waschen sie das Öl von den Felsen - unter ungeheurem Medieninteresse, denn die Havarie ist eine der bislang größten Umweltkatastrophen.
Seeotter sterben heute noch an Folgen
Vor allem für die Tiere sind die Folgen unübersehbar. Die Schätzungen reichen von 250.000 bis zu mehr als 650.000 toten Seevögeln. Das Öl verklebt ihr Gefieder, die Vögel erfrieren oder sie vergiften sich beim Reinigen ihres Federkleids. Außerdem sterben etwa 3.500 Seeotter, 300 Robben und rund 20 Schwertwale. Das Petroleum zersetzt die Kiemen von Fischen und die Lungen von Säugetieren.
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Trotz aller Mühe können die Helfer nur weniger als zehn Prozent des ausgelaufenen Öls wieder aufnehmen. Der Rest bleibt im Prinz-William-Sund. Bis heute ist das Öl dort in der Umwelt, auch wenn es nicht mehr sichtbar ist. Die Zahl der Seeotter in der Bucht zum Beispiel steigt derzeit zwar wieder. Die Population weist aber eine erhöhte Sterblichkeit auf, weil die Tiere ölbelastete Muscheln fressen.
"Wenn man dort am Strand buddelt, findet man noch Öl", sagt Jörg Feddern von der Umwelt-Organisation Greenpeace. In der Arktis baue sich das Petroleum nur langsam ab, erklärt er, das mache das Ökosystem dort sehr empfindlich: "Bei den niedrigen Temperaturen wird das Öl sehr fest, und die ölabbauenden Bakterien vermehren sich nicht so schnell."
Menschen verloren Lebensgrundlage
Der Heringsbestand im Prinz-William-Sund geht nach der Katastrophe um etwa vier Fünftel zurück und hat sich bis heute nicht erholt - das Öl stört schon in geringen Konzentrationen die Entwicklung von Fischembryonen. Die Heringe sind aber ein wichtiger Bestandteil der Nahrungskette in den Gewässern vor Alaska. Ohne sie finden auch andere Tiere kaum Futter. Und auch viele Menschen, die rings um den Sund leben, sind auf die Heringe angewiesen. Sie haben von der Fischerei gelebt. Die "Exxon Valdez"-Katastrophe bedeutete für sie den Verlust ihrer Lebensgrundlage.
Jahrelang ziehen sich nach dem Unglück die Prozesse gegen den Exxon-Konzern hin. Ursprünglich soll er fünf Milliarden US-Dollar Entschädigung bezahlen. Immer wieder geht das Unternehmen in Revision, zahlt während dieser Zeit an die Betroffenen nichts. Erst 20 Jahre nach der Havarie ist das Urteil rechtskräftig: Exxon muss - Strafe und Entschädigung zusammengenommen - rund zwei Milliarden Dollar zahlen. Weitere zwei Milliarden gibt der Konzern für die Reinigungsarbeiten aus.
Die Kosten für die Reinigung der Strände habe der Konzern steuerlich geltend gemacht, sagt Feddern. "Exxon hat alles getan, um aus dieser Geschichte so günstig wie möglich rauszukommen", urteilt er.