Theologieprofessor gegen "steile" Kirchenforderungen in Flüchtlingsdebatte

Foto: dpa/Axel Heimken
Theologieprofessor gegen "steile" Kirchenforderungen in Flüchtlingsdebatte
Der evangelische Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf rät Kirchenvertretern, in der Debatte über Flüchtlinge und Einwanderung auf "steile moralische Forderungen" zu verzichten. Vielmehr sollten die Kirchen für ein gesellschaftliches Klima sorgen, das eine sachliche Debatte erlaube. Noch besser sei es, wenn die Kirchen in der Praxis für die eigenen Positionen einstünden und beispielsweise Angebote zur Unterbringung von Asylbewerbern machten, empfiehlt Graf in einem Interview der Monatszeitschrift "zeitzeichen".

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Die großen politischen Themen, die den kirchlichen Protestantismus an die Grenze einer Zerreißprobe gebracht hätten, sind Graf zufolge abgearbeitet. Für die kommenden Jahre sieht er das Thema Europa als die große Herausforderung. Wegen regionaler und nationaler Begrenzungen seien die protestantischen Kirchen zum Europa-Thema aber nicht gut aufgestellt. Treffen von evangelischen Kirchenvertretern aus Europa schafften keine europäische Öffentlichkeit.

Kritisch wertet der Theologieprofessor Bestrebungen, einen Gottesbezug in der Präambel einer EU-Verfassung zu verankern. Es gebe europäische Nationen, die aufgrund ihrer Geschichte dies als Versuch der römisch-katholischen Kirche verstünden, "noch einmal ihre klerikale Macht auszuspielen".

Graf befürwortet Zurückhaltung der Kirchenvertreter

Generell befürwortet der in München lehrende evangelische Theologe eine Zurückhaltung von Kirchenvertretern in politischen Fragen: "Weniger ist oft mehr. Alles andere führt zu Verschleißerscheinungen." In kirchlichen Stellungnahmen sei der Ton zumeist "stark moralisierend" und religiöse Sprache werde mit einem politischem Kommentar versehen, der die Widersprüchlichkeiten des Lebens nicht berücksichtige.

Mit Hinweis auf die Vielfalt als Wesensmerkmal des Protestantismus ergänzt Graf, nur auf wenige politische Fragen gebe es ethisch eindeutige Antworten. In einer demokratischen Gesellschaft habe zwar ein evangelischer Bischof das Recht, seine politische Meinung zu äußern, dabei dürfe er aber nicht eine "irgendwie geartete höhere Autorität" beanspruchen. "Das Bischofsamt ist hoffentlich mit einer gewissen geistlichen Kompetenz verbunden, aber die ist in aller Regel nicht identisch mit einer besseren ethischen Entscheidungsfähigkeit."