Umfrage offenbart Kluft zwischen Katholiken und Kirchenlehre

Umfrage offenbart Kluft zwischen Katholiken und Kirchenlehre
In allen deutschen Bistümern werden derzeit die Antworten auf einen vatikanischen Fragebogen zu Ehe, Familie und Sexualmoral ausgewertet. Gestützt auf diese weltweite Erhebung will Papst Franziskus zwei Bischofssynoden zum Thema Ehe und Familie vorbereiten, die für Herbst 2014 und 2015 geplant sind. Das Bistum Mainz veröffentlichte am Mittwoch die Ergebnisse der vom Papst angestoßenen Umfrage. Kardinal Karl Lehmann beklagte dabei eine "tiefe Kluft" zwischen der katholischen Lehre und der Lebenswirklichkeit vieler Kirchenmitglieder.

"Die Ergebnisse der Umfrage erzeugen und verstärken, auch wenn sie nicht repräsentativ sind, den Eindruck einer fatalen Situation", erklärte Lehmann. Im Bistum Mainz gab es mehr als 900 Rückantworten von Einzelpersonen, Ehepaaren, kirchlichen Gremien und Verbänden. Viele Teilnehmer hätten sich anerkennend darüber geäußert, dass sie von der Kirche nach ihrer Meinung gefragt wurden, teilte das Bistum mit.

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Den Rückmeldungen zufolge steht auch der Alltag vieler katholischer Gemeinden in krassem Widerspruch zu den kirchlichen Dogmen. So geht aus den Antworten hervor, dass praktisch alle katholische Paare zum Zeitpunkt ihrer kirchlichen Trauung bereits längere Zeit mit ihrem Partner zusammengelebt haben. In einer Reihe von Kirchengemeinden werden zudem auch ausdrücklich geschiedene Menschen zur katholischen Abendmahlsfeier eingeladen, obwohl dies offiziell nicht gestattet ist. Viele Umfrageteilnehmer fordern zudem einen gelasseneren Umgang der katholischen Kirche mit Menschen in homosexuellen Partnerschaften.

Im Bistum Essen machten sich die Teilnehmer an der Umfrage ebenfalls für einen anderen Umgang der Kirche mit getrennt lebenden und wiederverheirateten Geschiedenen stark. Sie gehörten zur Realität in den Gemeinden, hieß es. Viele fühlten sich verletzt durch eine Kirche, die sich nicht barmherzig zeige. Mehrheitlich sprachen sich die Befragten auch dafür aus, gleichgeschlechtlichen Partnern eine kirchliche Segensfeier zu ermöglichen.

Katholiken beurteilen Themen toleranter als die Kirche

Die Umfrage im Erzbistum Köln war zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Die Katholiken beurteilten Themen wie Ehescheidung, homosexuelle Partnerschaften, Sexualität und Patchworkfamilien toleranter als die offizielle Kirche. "Die Lebenswelten von Kirche und Gesellschaft driften eklatant auseinander", heißt es in dem 23-seitigen Bericht, der über die Deutsche Bischofskonferenz an den Vatikan weitergeleitet wird.

Im Erzbistum München und Freising beteiligten sich 834 Katholiken an der Online-Umfrage. Alle eingegangenen Antworten werden nach den Weihnacht anonymisiert auf der Homepage des Erzbistums veröffentlicht. Wie die Auswertung ergab, besaß etwa die Hälfte der Teilnehmer an der Umfrage gute theologische und kirchliche Kenntnisse. Die Umfrage habe das gesamte Spektrum der Gläubigen von konservativ bis progressiv erreicht. "Die Bandbreite der Rückmeldungen bildet die gesellschaftliche Realität von Lebensformen im Großraum München und im Gebiet der Erzdiözese gut ab", heißt es in der Auswertung. Die allermeisten Rücksender ließen eine persönliche Nähe zur Kirche erkennen, bezeichneten sich als praktizierende Katholiken oder gaben eine Anbindung an eine Pfarrei oder eine geistliche Bewegung an.