"Wir sind doch alle Fans der Monogamie"

Eheringe
Foto: Getty Images/iStockphoto/Muenz
"Wir sind doch alle Fans der Monogamie"
Bei der Kontroverse über das Familienpapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) geht es vor allem um die Anerkennung von homosexuellen Partnerschaften als gleichwertig mit der Ehe. Auch bei einer Diskussion der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in Mainz tauschten Befürworter und Gegner einer Gleichstellung von Homosexuellen altbekannte Argumente aus. Der Kirchenpräsident der EKHN, Volker Jung, warb für eine "theologische Neubestimmung der Ehe". Die rheinland-pfälzische Familienministerin Irene Alt will die Ehe auch für Homosexuelle öffnen, während der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch die Ehe weiterhin gegenüber anderen Partnerschaften privilegieren will.


Homosexualität ist nur ein Aspekt des 160 Seiten langen Familienpapiers, das die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in diesem Sommer veröffentlicht hat. Doch die in dem Papier formulierte Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften als gleichwertig mit der Ehe sorgt für erregte Debatten unter den Protestanten in Deutschland. Auch bei der Diskussion der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) am Dienstagabend im "Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung" in Mainz ging es vornehmlich um homosexuelle Partnerschaften. Der Kirchenpräsident der EKHN, Volker Jung, hatte die rheinland-pfälzische Familienministerin Irene Alt (Die Grünen) und den früheren Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch (CDU) eingeladen, um mit ihnen und den Zuschauern über das Familienpapier zu diskutieren. Moderiert wurde die Veranstaltung "Familie - mehr als Vater, Mutter, Kind" von der ZDF-Journalistin Petra Gerster.

Von links: Volker Jung, Irene Arlt, Hans-Joachim Jentscfh und Petra Gerster.

Auch wenn Kirchenpräsident Jung zu Beginn der Debatte versuchte, für den "erweiterten Familienbegriff" zu werben, unter dem er nicht nur die Ehe und nicht nur homosexuelle Partnerschaften mit und ohne Kinder verstehe, sondern auch Alleinerziehende, Patchworkfamilien und Mehrgenerationenhaushalte, gelang es ihm nicht, die Debatte auf diese in dem Familienpapier angesprochenen Aspekte auszudehnen. Auch sein Hinweis, dass das Papier als sozialpolitische Diskussionsgrundlage für die Familienpolitik in Deutschland zu verstehen sei, verhallte an diesem Abend. Die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften als gleichwertig mit der Ehe beherrscht die Diskussion.

"Merkwürdig" sei das Familienpapier in diesem Punkt, sagte der frühere Verfassungsrichter und Unionspolitiker Jentsch. In einem Gastbeitrag in der Mainzer Allgemeinen Zeitung hatte er kritisiert, dass das Familienpapier durch die Aufgabe der Privilegierung der Ehe gegenüber anderen Partnerschaften "zum Katholischwerden" sei. Auch am diesem Abend vertrat Jentsch diese Position, auch wenn er einen Übertritt zur katholischen Kirche nie in Erwägung gezogen habe, wie er Moderatorin Gerster versichert. Er habe das Gefühl, dass die evangelische Kirche das "besonders schützenwerte Institut der Ehe" aufgegeben habe. Zwar könne die Eingetragene Lebenspartnerschaft in vielen Punkten etwa beim Ehegattensplitting gleichgestellt werden, eine Unterscheidung zur Ehe müsse es aber weiterhin geben. Auch wenn Gerster wiederholt nachhakte: Wo für Jentsch bei einer generellen Gleichstellung von der Lebenspartnerschaft mit der Ehe noch ein Unterschied zwischen beiden Institutionen bestehe, blieb im Verlauf des Abends unklar.

Von Gott schwul und lesbisch geschaffen

Kirchenpräsident Jung verwies darauf, dass durch die Aufwertung der homosexuellen Partnerschaften die Ehe zwischen Mann und Frau in keiner Weise abgewertet werde. "Der besondere Schutz wird nicht in Frage gestellt." Zur gesellschaftlichen Realität gehöre aber auch, dass viele Kinder bei homosexuellen Paaren aufwachsen. Dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften aufgewertet würden, helfe auch den Kindern in diesen Beziehungen. Homosexualität müsse von der Kirche neu bewertet werden. Sie sei weder eine Krankheit noch eine Sünde, sondern vielmehr eine natürliche Spielart von menschlicher Sexualität. Er teile die Auffassung vieler Homosexueller, dass sie von Gott schwul und lesbisch geschaffen worden seien, sagte Jung.

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Die Grünen-Politikerin Alt zeigte sich erfreut über den in der Orientierungshilfe verwandten erweiterten Familienbegriff, dem sich die evangelische Kirche geöffnet habe. "Dafür bin ich der EKD dankbar." Die Öffnung der Ehe für Homosexuelle sei ihr ein wichtiges Anliegen. Im März dieses Jahres hatte sie im Namen der rheinland-pfälzischen Landesregierung ein Gesetz in den Bundesrat eingebracht, der die Öffnung der Ehe vorsieht. Die Mehrheit der Bundesländer stimmte diesem Gesetzesvorschlag zu. Es müsse gleiche Rechte für alle Paare geben, sagte Alt. Gleiche Pflichten hätten Lebenspartnerschaften und Ehe bereits.

Jentsch verwies darauf, dass der traditionelle Ehebegriff sehr stark auf christlicher Tradition beruhe. Die Ehe sei nun einmal als Verbindung von Mann und Frau definiert. Der Unionspolitiker und ehemalige Oberbürgermeister von Wiesbaden warb dafür, Lebenspartnerschaften und die Ehe als Institutionen zu erhalten. Gleichstellen bedeute nicht zwangsläufig, dass es nur eine Form von institutionalisierter Partnerschaft geben könne. "Warum sollen wir nicht die Ehe und die Lebenspartnerschaft haben, die gleich gut ausgestattet sind?", sagte Jentsch. Bei der Frage der Adoption müsse allerdings das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen, sagte Jentsch und deutete damit an, dass es Kindern bei lesbischen und schwulen Paaren schlechter gehen könnte. Moderatorin Gerster hakte an dieser Stelle nicht nach. Erst ein Zuschauer führte an, dass es mehrere Studien gebe, die belegten, dass das Kindeswohl bei homosexuellen Eltern nicht beeinträchtigt werde. "Diese Studien würde ich gerne sehen", sagte Jentsch.

"Mit der Bibel gegen die Bibel argumentieren"

Kirchenpräsident Jung erinnerte daran, dass die Ehe in der evangelischen Kirche kein Sakrament sei, wie etwa bei den Katholiken. Luther hätte bereits gesagt, dass die Ehe "ein weltlich Ding" sei. Aus theologischer Sicht spreche nichts gegen homosexuelle Partnerschaften, die wie die Ehe auf ein dauerhaftes, respektvolles und gerechtes Zusammenleben ausgelegt seien, sagte Jung. Die Ehe müsse als Wertegemeinschaft verstanden werden, die von homo- und heterosexuellen Menschen gelebt werden könne. Es gehe nicht darum, Lebensabschnittspartnerschaften zu legitimieren.

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Die sieben Bibelstellen, in denen Homosexualität vorkomme, dürften nicht wortwörtlich interpretiert werden und müssten im historischen Kontext gelesen werden, sagte Jung. Es sei geboten, "mit der Bibel gegen die Bibel zu argumentieren". Wer die Stellen zur Homosexualität ernst nehme, der müsse dann auch für die Todesstrafe für Homosexuelle eintreten. Dies sei absurd. An einigen Stellen der Bibel werde auch Polygamie dargestellt, dennoch seien die christlichen Gesellschaften zu dem Punkt gekommen, die Vielehe abzulehnen. "Wir brauchen eine theologische Neubestimmung der Ehe", sagte Jung. Homosexualität sei Teil der Schöpfung. Daher sei es angemessen, dass hetero- und homosexuelle Paare denselben institutionellen Schutz genössen.

Warum homosexuelle Paare dann in evangelischen Kirchen nicht getraut würden, wie heterosexuelle Eheleute auch, wollte Moderatorin Gerster von Jung wissen. Der Kirchenpräsident führte an, dass schon jetzt viele homosexuelle Paare in evangelischen Landeskirchen gesegnet werden könnten. Eine Trauung sei nichts anderes als eine Segnung des Paares. Doch dadurch, dass es rechtlich noch einen Unterschied zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft gebe, sei eine begriffliche Unterscheidung zwischen Trauung und Segnung nötig, sagte Jung. Von einer Trauung für homosexuelle Paare zu sprechen, wecke zudem "noch viele Aggressionen".

Moderatorin Petra Gerster versuchte, eine Brücke zwischen den Befürwortern und den Gegnern einer Öffnung der Ehe zu schlagen: "Wir sind doch alle Fans der Monogamie."