UN-Experte Jean Ziegler: "Hunger muss Asylgrund werden"

Der Schweizer Soziologe, Politiker und Sachbuchautor Jean Ziegler
Foto: epd-bild / Stefan Trappe
Der Schweizer Soziologe, Politiker und Sachbuchautor Jean Ziegler
UN-Experte Jean Ziegler: "Hunger muss Asylgrund werden"
Zum heutigen Welternährungstag (16. Oktober) fordert der Schweizer Ernährungsexperte Jean Ziegler (79), dass Flüchtlinge aus Hungergebieten in Europa Asyl auf Zeit erhalten sollen.
16.10.2013
epd
Jan Dirk Herbermann

###mehr-info### Eine solche Rechtspraxis könnte weitere Flüchtlingstragödien im Mittelmeer mit vielen Toten verhindern, sagte Ziegler dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Genf. "Es ist eine Schande. Wir werfen erbarmungslos hungernde Menschen ins Meer zurück, die nicht das Glück haben, in Europa geboren zu sein", sagte er.

Ziegler ist Mitglied im beratenden Ausschuss des UN-Menschenrechtsrates in Genf und war UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung (2000-2008). Der emeritierte Soziologieprofessor schlägt die Einführung von Kontingenten für Hungerflüchtlinge vor, die auf reiche Staaten verteilt werden sollen. "Es soll somit kein individuelles Asylverfahren für Hungerflüchtlinge geben", meinte er. Eine Institution wie das UN-Flüchtlingshilfswerk könnte mit den Staaten über einen Verteilschlüssel verhandeln.

Globale Landkarte mit Hungergebieten

###mehr-artikel### Für das Verfahren schlug Ziegler vor: "Das Welternährungsprogramm der UN erstellt regelmäßig eine globale Landkarte mit Hungergebieten. Menschen, die aus diesen Regionen stammen, sollten Hunger als Asylgrund geltend machen können." Sobald sich die Lage in den jeweiligen Ländern entspannt habe, sollten die Aufnahmeländer die Hungerflüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückschicken können. "Diejenigen Flüchtlinge, die bleiben wollen, müssen einen normalen Aufnahmeantrag stellen", erläuterte Ziegler.

Der Soziologe räumte ein, dass die Vertragsstaaten die UN-Flüchtlingskonvention von 1951 ergänzen müssten. "Hunger muss als ein weiterer Asylgrund in das Dokument aufgenommen werden." Bislang werden Menschen als Flüchtlinge anerkannt, wenn sie etwa aus rassistischen oder politischen Gründen verfolgt werden.

###mehr-links### Mit Blick auf die jüngsten Bootsunglücke vor Lampedusa warnte Ziegler: Der unkontrollierte Zustrom der Hungerflüchtlinge aus Afrika nach Europa werde sich weiter verschärfen. "Solange der Hunger dort nicht energisch bekämpft wird, suchen mehr und mehr verzweifelte Menschen ihr Heil in der Flucht nach Europa." Mehr als ein Drittel der Afrikaner sei schwer unterernährt.