Nach dem Besuch einer Ausstellung über das sowjetische Straflagersystem am Montag in Berlin sagte Gauck, "wenn eine Zivilgesellschaft da ist, ist die Gesellschaft auch fähig zu einem selbstkritischen Diskurs". Je weniger die Zivilgesellschaft entwickelt sei, desto langsamer gingen diese Prozesse, ergänzte das Staatsoberhaupt mit Verweis auf Russland.
Schau über sowjetischen Gulag
Gauck hatte im Deutschen Historischen Museum die Ausstellung "Gulag. Spuren und Zeugnisse 1929-1956" besucht. An der Dokumentation wirkten die russische Menschenrechtsorganisation "Memorial" und die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora mit. Gauck wurde auf seinem Ausstellungsbesuch unter anderem vom Memorial-Vorsitzenden Arsenij Roginski begleitet.
Gauck würdigte Roginskis Organisation als "Insel der Zivilgesellschaft" in Russland. Zur aktuellen Situation in Russland sagte Gauck unter Verweis auf die verurteilten Mitglieder der Punk-Gruppe "Pussy Riot", es mache Sorge, "dass sowohl die Standards dort als auch die Auffassung von Recht und Anwendung des Strafrechts stark differieren von denen, die wir in Europa haben".
Sein Vater war inhaftiert
Der Ausstellungsbesuch hatte für Gauck auch eine persönliche Konponente. Sein Vater wurde nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1955 in einem Gulag inhaftiert. "Vor einem solchen familiären Hintergrund geht man hier nicht ohne Gefühle durch", sagte er.
Gulag ist die russische Abkürzung für die 1930 gebildete "Hauptverwaltung Lager" (Glawnoe Uprawlenije Lagerei). Mit Alexander Solschenizyns Hauptwerk "Der Archipel Gulag" wurde der Begriff zum Synonym für die ab den 20er Jahren eingerichteten Zwangsarbeiterlager, in denen etwa zwei Millionen Menschen umkamen. Die Ausstellung in Berlin, die in Fotos, Erklärtexten und Zeitzeugenberichten Geschichte und Situation in den Lagern aufzeigt, ist noch bis 8. Dezember zu besichtigen.