Auch die Bibel hindere nicht daran, gleichgeschlechtlich liebende Menschen anzuerkennen, sagte Schneider der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit". Die Bibel sei eine untrennbare Mischung aus Gotteswort und Menschenwort. "Und Menschen können irren", erklärte Schneider mit Blick auf mehrere Stellen in der Heiligen Schrift, die homosexuelle Praktiken verbieten (3. Mose 18,22; Römer 1, 26-27).
###mehr-artikel### Hintergrund ist die Debatte um das umstrittene Familienpapier der EKD. Darin forderte der Rat der EKD, alle Familienformen zu stärken, und schloss dabei auch Patchworkfamilien und homosexuelle Partnerschaften ein. Prominente Protestanten wie auch Katholiken kritisierten den Text, weil er in ihren Augen die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau entwertet und die Ökumene belastet.
Die heftige Auseinandersetzung um den Text überrasche ihn noch immer, sagte Schneider. "Mir war schon klar, dass das Diskussionen gibt. Aber ich hatte unterschätzt, dass wir als Kirche mit unseren ethischen Positionen in Wahlkampfzeiten sofort parteipolitisch und koalitionsmäßig verortet werden", bekannte er. Einige Zuschriften seien persönlich verletzend "und von einer Selbstgerechtigkeit, wie ich es unter Christenmenschen nicht für möglich gehalten hätte."
"Bei uns legt niemand fest, was geglaubt werden muss"
Er verstehe allerdings die große Verunsicherung über das Thema bei vielen Menschen, räumte Schneider ein: "Sobald wir über Sexualität reden, redet jeder indirekt über sich selbst." Manche, die besonders aggressiv auf Homosexualität reagieren, fühlten sich in ihrer Identität angegriffen. "Andere mussten sich zur Einhaltung einer vermeintlich göttlichen Norm zwingen, wären gern einen anderen Weg gegangen; nun sehen sie ihren Verzicht infrage gestellt", fügte der Repräsentant von rund 24 Millionen Protestanten hinzu.
###mehr-links### Öffentlich über Homosexualität zu sprechen sei kompliziert, fügte Schneider hinzu. "Wir reden über das Intimste von Menschen, die oftmals mit ihrem Partner kaum eine Sprache dafür finden", betonte der Theologe. Es gehe hier nicht nur um Vernunft, sondern auch um Gefühle.
Zum Thema Ökumene sagte der EKD-Ratsvorsitzende, in Fragen wie der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften gebe es keine gemeinsame Haltung von evangelischer und katholischer Kirche. Schneider: "Da will ich die wechselseitigen Unterschiede auch verteidigen. Bei uns Protestanten gibt es keine Hierarchie der Gläubigen. Und es legt bei uns auch niemand mit dogmatischer Autorität fest, was ethisch wahr ist und geglaubt werden muss."