Christen und Muslime in Deutschland rufen zu einem Ende der Gewalt in Ägypten auf. Er höre mit "großer Bestürzung und Trauer" von den jüngsten Ereignissen in dem Land, sagte der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Schindehütte, am Donnerstag in Hannover. Die Gesellschaft für bedrohte Völker warnte vor der Gefahr von Pogromen gegen Christen und verlangte einen besseren Schutz der religiösen Minderheiten. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland forderte die arabische und westliche Welt auf, die neuen Machthaber in Kairo zum sofortigen Gewaltverzicht zu drängen.
Ägyptische Sicherheitskräfte hatten in Kairo Protestlager von Mursi-Anhängern gewaltsam geräumt. Nach Angaben der Übergangsregierung kamen dabei mindestens 525 Menschen ums Leben. Unter den Opfern seien auch viele Christen, sagte Auslandsbischof Schindehütte. Zudem seien christliche Einrichtungen und Kirchen in Brand gesetzt und zerstört worden. Allen Betroffenen und Angehörigen der Gewaltopfer gelte Solidarität.
Landesweit seien allein am Mittwoch mehrere Dutzend Kirchen und christliche Einrichtungen angegriffen worden, berichtete die staatliche Zeitung "Al Ahram" (Donnerstagsausgabe) unter Berufung auf die Kirchenführung der Kopten, der christlichen Minderheit am Nil. So habe eine zornige Menschenmenge im oberägyptischen Minya Kirchen mit Steinen und Molotow-Cocktails angegriffen.
Der Kopten-Bischof Anba Damian aus Deutschland äußerte sich bestürzt über die Ausschreitungen. "Ich bin von der Gewalt tief betroffen, mein Herz blutet", sagte Damian am Donnerstag in Höxter dem Evangelischen Pressedienst (epd). Christen würden in der ägyptischen Verfassung keinen Schutz genießen, weil diese auf dem islamischen Recht der Scharia beruhe, kritisierte Damian. Muslime zu töten oder Moscheen zu zerstören sei hingegen strafbar. Weil die Kirchen schutzlos seien, richte sich die Gewalt gegen sie.
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Der Zentralrat der Muslime in Deutschland erklärte in Köln, staatliche Repression sei das falsche Mittel, weil sie nur zu weiterer Eskalation führe: "Es drohen die algerischen Verhältnisse der 90er am Nil." Der ohnehin schleppende Weg zu Demokratie in Ägypten sei derzeit zum Erliegen gekommen. "Wenn das Blutvergießen weitergeht und die Menschenrechte brutal mit Füßen getreten werden, verlieren Ägypten und die Demokratie vollends", warnt der Zentralrat. "Gewinner sind dann die Hardliner und Terroristen."
In Ägypten verurteilte der Gründer der christlichen Bewegung "Jugend von Maspero", Emad El Erian, die Haltung des Westens: "Ihr regt euch auf, weil die Polizei die Lager bewaffneter Extremisten räumt, aber wenn massenhaft Kirchen angegriffen werden, dann sagt ihr nichts? Was ist denn das für ein Begriff von Menschenrechten?" Die sehr starke Welle von Gewalt gegen die Christen in Ägypten gehe auf die Anhänger Mursis zurück, zu denen sehr radikale islamische Gruppen gehören. Ziel dieser radikalen Gruppen sei es, Ägypten in einen Bürgerkrieg zu stürzen, fügte Emad El Erian hinzu. "Sie wollen deswegen Christen und Muslime gegeneinander aufbringen."
Gezielte Terror-Kampagne zur Zerstörung von Kirchen?
Die Gesellschaft für bedrohte Völker erklärte, Indizien deuteten "darauf hin, dass es sich bei der Zerstörung von Kirchen und Einrichtungen der Christen um eine gezielte Terror-Kampagne von Islamisten handelt, mit der das brutale Vorgehen der Militärs gegen Mursi-Anhänger gerächt werden soll". Innerhalb weniger Stunden seien Kirchen, Klöster, Pfarrämter, konfessionelle Schulen und Wohnhäuser nicht nur in Kairo und Umgebung, sondern auch in Alexandria, Suez und in Oberägypten vorsätzlich in Brand gesetzt worden.
Rund zehn Prozent der etwa 80 Millionen Einwohner Ägyptens sind Christen. Die meisten davon gehören der koptisch-orthodoxen Kirche an, die bereits seit dem ersten Jahrhundert nach Christus existiert und damit zu den ältesten Kirchen der Welt gehört. In der Vergangenheit kam es in Ägypten immer wieder zu gewaltsamen Konflikten zwischen Kopten und Muslimen.